Beim Beschreiben von Musik wird nicht selten davon gesprochen, dass Klänge wie ein Teppich verknüpft werden, um Flächiges entstehen zu lassen. Klaus Hinrich Stahmers Musik ist von Ornamentik durchsetzt, seit der 1941 geborene Komponist die Pfade zielgerichteten und prozesshaften Denkens verlassen und sich der Musik afrikanischer Urvölker und der Poesie des nahen Ostens angenähert hat.
Auf dem Album „Songlines“ lässt er flächige Didgeridoo-Töne auf ein Flötenspiel treffen, bevor das Ganze von reduzierten perkussiven Elementen getragen und schließlich mit Aufnahmen aus der belebten Natur verquickt wird. Der Teppich, der so entfaltet wird, breitet sich auf einer musikalischen Landschaft aus, die an Türen heranführt, die weitere Soundhorizonte öffnen. Auch hat ihn seit seiner Schulzeit die Weite fernöstlicher Musik fasziniert. Seine Musikstücke der letzten Jahre, kompiliert auf der CD „Silence is the only Music“, zeichnen ein Crossover, das nicht zum Einheitsbrei von World Music verrührt wurde. Stahmer erscheint die Erweiterung unserer westlichen Tonsprache durch intensive Zusammenarbeit mit nichteuropäischen Musikern nicht etwa als abwegig, sondern als selbstverständlich. Nicht umsonst gilt Stahmer als Pionier, wenn es um das Etablieren außereuropäischer Klänge in westlichen Konzertsälen geht.
Schon früh suchte er abseits des Mainstream den eigenen Weg. Seine multimedialen Arbeiten, unter anderem mit Klangskulpturen und musikalischen Grafiken realisiert und in bahnbrechenden Ausstellungen präsentiert, tragen die Signatur eines weitgereisten, unorthodoxen Musikers. Dass sein Werk dabei mitunter zwischen den Stühlen landet und sich den Kategorisierungsversuchen „E“ und „U“ entzieht, ist für Stahmer zweitrangig: „Natürlich ist es mir ernst mit meiner Musik und selbstverständlich soll sie unterhalten.“ Viel wichtiger als die Zuordnung in die vermeintlich richtige Schublade ist ihm die Möglichkeit, mit seiner Musik Anschluss zu finden. Als langjähriger Leiter des Studios für Neue Musik im LVBT und als Initiator und Kurator der anspruchsvollen Würzburger „Tage der Neuen Musik“ erschloss er mit Engagement – und großem Erfolg – der neuen Musik neue Hörerkreise.
In seiner Musik geht es ihm aber auch um mehr als nur um Musik. Vom Gedanken des Pazifismus, der Versöhnung und der Verständigung getragen, verband er seine theatralischen und konzertanten Kompositionen vielfach mit kulturpolitischem Engagement und organisierte für den LVBT und für die deutsche Sektion der IGNM, deren Präsident er viele Jahre lang war, grenzüberschreitende Projekte in Polen und Israel. Sein aktuelles Projekt ist eine Kooperation mit dem libanesischen Dichter Fuad Rifka und einem Qanunspieler. Von 1969 bis 2004 lehrte Stahmer an der Hochschule für Musik Würzburg. In Anerkennung seines Wirkens im mainfränkischen Raum verlieh ihm die Stadt Würzburg 1994 den Kulturpreis, und zwei Jahre später erhielt er für sein grenzüberschreitendes Wirken das Bundesverdienstkreuz am Bande. Im Juni feiert Stahmer seinen 70. Geburtstag. Ein Anlass, alle Töne der Versöhnung und Annäherung laut und lange klingen zu lassen.