Im Toscana-Saal der Würzburger Residenz erwartet das Publikum hochgestimmt einen Liederabend, oben in der Galerie hantiert ein Mann in Jeans und Pulli mit den Lampen. Dann, zehn Minuten später, betritt eben dieser Mann im Anzug hinter Sopranistin Christiane Karg die Bühne und setzt sich an den Flügel: Gerold Huber ist da.
Es zeichnet das Festival „Lied in Würzburg“ aus, dass viele Hand anlegen: Alexander Fleischer, Pianist, Klavierbegleiter und Dozent an den Hochschulen in Würzburg und Berlin, hat es ins Leben gerufen, trägt die Hauptlast der Organisation und steht hier schon auch mal an der Abendkasse. Unterstützt wird er dabei vom Würzburger Tonkünstlerverband, vor allem durch Steffen Zeller. Und sie alle brennen für das Kunstlied, wollen ihm im Konzertgeschehen zu einem besseren Platz verhelfen, stellen sich dafür mit Begeisterung zur Verfügung. Das Lied ist ja nicht gerade ein Publikumsmagnet, Alexander Fleischer hat es aber geschafft, mit hochkarätigen Solisten, einem Meisterkurs und verschiedenen Aufführungsorten im Rahmen von Corona die Säle zu füllen. Gleich zu Beginn war eine Umbesetzung zu meistern: Jochen Kupfer, Ensemblemitglied am Staatstheater Nürnberg und mit Fleischer ein gut eingespieltes Team, sprang quasi über Nacht für einen erkrankten Sänger ein und übernahm den ersten Liederabend im Burkardushaus Würzburg. Das Programm „Sehnsucht“ blieb bei Schubert, Kupfer gestaltete sehr differenziert, konzentriert gab er eine tiefe Deutung dieser Lieder. Sonor wirkte seine Stimme, gelungen die Gestaltung und genaue Artikulation – das Piano hätte manchmal etwas konsequenter gestaltet werden können. Alexander Fleischer am Flügel war ihm ein ebenbürtiger Partner, folgte ihm genau, nahm auch Stimmungen vorweg und geleitete den Sänger hinein, immer beseelt und tief empfunden.
Doch nicht nur bereits arrivierte Künstler, sondern auch Masterstudenten aus der lied!klasse der HfM waren auf hohem Niveau dabei: Sopranistin Sohee Seo mit ihrer Begleiterin Jieun Baek sowie Tenor Benedikt Heggemann und Joshua Rupley, sie kuratierten das Konzert im Kulturspeicher selbst, passend zur Ausstellung „New Order.“
Während der ersten Festivalwoche gab Christiane Karg gemeinsam mit Gerold Huber einen Lied-Meisterkurs, dessen Teilnehmer sich in einem Konzert im Spitäle der Öffentlichkeit stellten. Es gelang ein wirklich farbenreiches, anspruchsvolles Mittags-Konzert mit internationaler Besetzung.
Und noch am gleichen Abend standen beide Dozenten auf der Bühne des Toscana-Saals, ein schwieriges Unterfangen, wie die sympathische Sängerin selbst betonte. Karg fesselte dennoch in dem reinen Mahler-Programm von der ersten Sekunde an ihre Zuhörer. Ihre Stimme ist weicher geworden, geschmeidiger, wärmer. Sie evoziert Bilder und schöpft aus tiefstem Inneren den Ausdruck, mit einer Leichtigkeit und Unmittelbarkeit, die man selten findet. Kraftvoll strahlend in der Höhe ist sie, aber ihr Piano, manchmal fast schon nicht mehr hörbar, packt noch mehr – grandios. Genial am Klavier ist Gerold Huber, der ihr hochkonzentriert in jede noch so kleineste Facette folgt, die Interpretation aus einer anderen Perspektive – beleuchtet. Zwei Zugaben erwirkten sich die begeisterten Zuhörer.
Maria Bernius und Nadja Saminskaja stellten ein spannendes Programm mit Goethe-Vertonungen auf die Bühne, insbesondere die von Nikolai Medtner, der hierzulande leider noch eher selten gespielt wird. Hochvirtuose und harmonisch äußerst dichte Kompositionen zogen die Zuhörer in ihren Bann.
Peter Schöne sang, begleitet am Flügel von Alexander Fleischer, ein Programm mit Beethoven, Mozart, Hindemith und Kurtag, sehr ernst und berührend, mit gut geführter und zu Herzen gehender Stimme.
Der letzte Abend war Nikola Hillebrand und Alexander Fleischer vorbehalten. Die Stimme der jungen Sopranistin ist kaum zu beschreiben, so farbenreich, so geschmeidig, so rund, glitzernd und ausdrucksfähig, wie man es selten hört, Gold in der Stimme. Sie brachte unterschiedliche Liebeslieder dar, von Mozart über Schubert und Liszt bis zu Hugo Wolf reiste sie quer durch liebende Seelen. Fleischer war hier am Klavier einmal mehr nicht nur ein Begleiter, sondern gestaltete kongenial.
Das Festival soll nächstes Jahr eigentlich schon im Frühjahr fortgeführt werden, man sollte sich das keinesfalls entgehen lassen, überträgt sich doch die Begeisterung der entspannten Organisatoren und agierenden Musiker auf die Zuhörer.