Am 15. Januar 2022 starb in Stuttgart nach schwerer Krankheit der Komponist John Van Buren. 1952 in Portland/USA geboren, studierte er dort Deutsche Literatur, Musik und Malerei am Reed College, bevor er nach Europa ging, um an der Musikhochschule Stuttgart zu studieren (Komposition bei Milko Kelemen, Klavier bei Edgar Trauer, Elektronische Musik bei Erhard Karkoschka). 1976 nahm er aktiv an den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik teil, und Kurse bei Ligeti, Kagel, Nono, Lachenmann und Yun erweiterten seinen Horizont.
Nach dem Abschlussdiplom in Komposition 1979 gewann er im darauffolgenden Jahr den Stuttgarter Kompositionspreis und 1984 ein Stipendium für die Heinrich-Strobel-Stiftung des SWR.
Er unterrichtete an der Musikschule Stuttgart, der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg und der John-Cranko-Ballettschule der Stuttgarter Staatsoper. Von 1992 bis 2009 lehrte er Musiktheorie und Komposition in Augsburg, zuerst am Leopold-Mozart-Konservatorium, dann an der daraus hervorgegangenen Hochschule für Musik Nürnberg-Augsburg, und zuletzt am von der Universität Augsburg übernommenem Leopold-Mozart-Zentrum. Neben den üblichen theoretischen Fächern fokussierte er sich hier über Jahre hinweg mit großer Hingabe auf Musik des 20. Jahrhunderts; es war ihm ein Anliegen, die Student*innen zur Musik dieses Jahrhunderts hinzuführen, nicht nur analytisch-theoretisch, sondern vor allem auditiv: Denn darin, keinen Stil weniger zu kennen als die Musik ihres eigenen Jahrhunderts, lag und liegt wohl das größte Defizit angehender Musiker*innen und Musikpädagog*innen.
Verzahnt mit diesem Unterricht betreute Van Buren auch jahrelang das Studio für Zeitgenössische Musik, in dem er Student*innen sowohl Werke bekannter Komponisten des 20. Jahrhunderts als auch der am Institut tätigen Komponistenkolleg*innen aufführen ließ. Schon in Stuttgart – dort besonders als künstlerischer Leiter und Manager der Gesellschaft Musica Nova – hatte er sich in der Organisation von Konzerten Neuer Musik engagiert, und auch in Augsburg setzte er diese Aktivität – selbst außerhalb seiner Lehrtätigkeit – fort und war einige Jahre lang im Vorstand des Augsburger Tonkünstlerverbands, der ja Konzerte mit zeitgenössischer Musik auch zu seinen Schwerpunkten zählt.
In seinem Werkverzeichnis findet sich von Solostücken (Flöte, Orgel etc.) über viele Kammermusikwerke (Streichquartett, Violoncello-Trio, Oktett etc.) und Chormusik alles bis zu groß besetzten Orchesterwerken (Divertimento, Flötenkonzert etc.) und elektronischer Musik sowie Filmmusik. Seine Werke wurden häufig in Deutschland und anderen europäischen Ländern sowie den USA aufgeführt und von Deutschen Radiosendern verbreitet. Er bekam Aufträge von diversen Festivals und Ensembles, und intensive Zusammenarbeit mit Choreographen und Filmemachern führte zu Produktionen im ZDF und bei New York Public Television, sowie in den Opernhäusern Mainz, Ulm, Hagen, Osnabrück, in London und New York City (Carnegie Hall).
Verlegt sind einige seiner Werke bei Peer Music (Hamburg/NewYork) und Edition Modern (München). Unter seinen Interpreten finden sich illustre Namen wie das American Composers Orchestra, das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart, das Kronos Quartett und das Wilanow-Quartett, Dietburg Spohr, Anton Zapf oder Robert Aitken.
Zu seinen meistaufgeführten Werken gehört das „Gloria“ für gemischten Chor, uraufgeführt 1996 vom Maulbronner Kammerchor, der damit beim Deutschen Chorwettbewerb 1998 den 1. Preis gewann. Beim Deutschen Chorwettbewerb 2006 in Kiel war dieses Werk dann Pflichtstück. Nach einem Schlaganfall im Jahr 2000 hat John Van Buren außer dem „6. Psalm“ für den Irseer Kunstsommer nur noch wenig komponiert.
Es wäre zu hoffen, dass sich die Konzertveranstalter*innen und Musiker*innen nach seinem unerwartet frühen Tod wieder einmal an seine Werke erinnern mögen. Seine Kollegen in Augsburg, zu denen ich in all den Jahren gehörte, werden ihn mit Sicherheit nie vergessen.