Viele von Peter Iljitsch Tschaikowskys Melodien sind uns sehr vertraut, mit seinen mehr als 100 Werken ist er der meistgespielte russische Komponist. Wir hören seine Musik nicht nur in Konzerten und im Radio, sondern auch als Werbejingles oder als Hintergrund in einem Spielfilm: der Tanz der vier Schwäne aus seinem Ballett „Schwanensee“, die Melodien aus dem „Nussknacker“ oder auch der Walzer aus „Dornröschen“. Einige dieser „Tschaikowsky- Evergreens“ präsentierten fortgeschrittene Instrumentalschüler sowie jüngere Anfänger in speziellen Arrangements zur Einstimmung auf das rund 90-minütige Portraitkonzert der „Musikmacher“ und anderer Lehrender im DTKV Essen am 19. November 2015 in der VHS Essen anlässlich seines 175. Geburtstags in diesem Jahr.
Angesichts der Fülle an Melodien mit Ohrwurmqualität, die Tschaikowsky der Nachwelt hinterlassen hat, ist es kaum vorstellbar, dass er sich lange Zeit nicht sicher war, ob er überhaupt Komponist werden solle: Seine Eltern waren wohlhabende Bürger aus der russischen Provinz, die zwar Wert auf eine gute Bildung ihrer sechs gemeinsamen Kinder legten, jedoch keinen besonderen Bezug zu Kunst und Musik hegten, mit der Ausnahme, dass die Mutter gut singen konnte und gerne Klavier spielte. Ihr am 25. April 1840 geborener zweiter Sohn Peter verblüffte sie daher sehr, als er im Alter von nur fünf Jahren begann, die Musik, die ein vom Vater zum Vergnügen gekauftes Orchestrion wiedergab, sofort auf dem Klavier nachspielen konnte. Schnell beschlossen sie, Peter Klavierunterricht geben zu lassen. In seiner Kindheit auf dem Lande lernte Peter viele Volkslieder kennen und lieben. Als er 28 Jahre alt war und es in Russland große Mode war, Melodien von Volksliedern für klassische Musik zu bearbeiten, schrieb er eine Sammlung von 50 russischen Volksliedern für Klavier zu vier Händen. Hieraus spielten fortgeschrittene Klavierschülerinnen gemeinsam mit Anfängerinnen die Lieder „Der Hahn“, „Fließe nicht über, mein stiller Don“ sowie „Spinn, mein Spinnrad“. Der besondere Reiz dieses Programmblocks war, das Vertrauen zu beobachten, das die jüngeren Pianistinnen ihren älteren Kolleginnen entgegenbrachten – und die Freude der Duo-Partnerinnen am gemeinsamen Spiel.
Tschaikowskys Eltern sahen zwar die große Begabung ihres Sohnes, konnten sich aber eine Zukunft für ihn als Berufsmusiker nicht vorstellen. Daher meldeten sie ihn, als er zehn Jahre alt war, an einer sehr berühmten Internatsschule für Rechtswissenschaft in St. Petersburg an. Hier verbrachte er mehr als neun Jahre und wurde zu einem Rechtsgelehrten ausgebildet. Dennoch vergaß er die Musik nie – und auch seine Eltern ließ der Gedanke an eine Musikerkarriere ihres Sohnes nicht los. So unterstützten sie Peter, als dieser sich nach einigen Zweifeln im September 1862 dazu durchrang, die neu gegründete Musikhochschule von St. Petersburg zu besuchen, um sich zum Berufsmusiker ausbilden zu lassen. In Windeseile schloss er nach nur drei Jahren sein Musikstudium ab und arbeitete ab 1866 selbst als Lehrer an der Moskauer Musikhochschule. Hier blieb er für ganze zwölf Jahre und war bei seinen Studenten für seinen klaren und freundlichen Unterrichtsstil und seine Geduld mit ihnen sehr beliebt. Der Name Tschaikowsky sprach sich herum und gelangte über Empfehlungen und gute Zeitungsartikel auch zu der schwerreichen jungen Witwe Nadeschda von Meck. Diese war eine große Bewunderin von Tschaikowskys Musik und entschloss sich 1878, ihn finanziell zu unterstützen. Mit dem Komponisten verband sie eine 1204 erhaltene Schreiben umfassende Brieffreundschaft. Aus dem Jahr seiner finanziellen Unabhängigkeit stammt Tschaikowskys Sammlung von leichten Klavierstücken, über die er Nadeschda von Meck schrieb: „Ich möchte eine Reihe kleiner, leichter Solostücke komponieren, die, nach dem Beispiel Schumanns, für Kinder verlockende Titel haben“ – und meinte damit Robert Schumanns „Album für die Jugend“. Im Gegensatz zu Schumanns Stücken sind die Tschaikowskys jedoch auch für junge Klavierschüler leicht zu erlernen und zu meistern. Im Portraitkonzert der „Musikmacher“ wurde dieser Anspruch mit den Stücken „Der kleine Reiter“, das „Altfranzösische Lied“, der „Walzer“, der „Lerchengesang“ sowie „Der Puppe Begräbnis“ unter Beweis gestellt.
Obwohl Tschaikowsky überwiegend Werke für großes Orchester komponierte, widmete er sich auch immer wieder den Kammermusikbesetzungen. Da diese im kleinen Rahmen gespielt werden sollten, schrieb er für sie besonders herzergreifende Melodien, die die Gefühlswelt der Spielenden wie die der Zuhörenden berühren sollten. Mit dem „Lied ohne Worte“ für Violine, der „Chanson triste op. 40 Nr. 2“ für Violoncello, dem „Valse sentimentale op. 51 Nr. 6“ für Violoncello und Klavier sowie dem „Natha-Walzer op. 51 Nr. 4“ wurden vier solcher zu Herzen gehenden Melodien zu Gehör gebracht. Daran schlossen sich Ausschnitte aus den 1875/76 verfassten bekannten „Jahreszeiten“ für Klavier solo an, sowie die „Nocturne“ in d-moll für Violoncello, begleitet vom Klavier und der ländlicher Tanz „Mazurka op. 9 Nr. 3“ für Klavier solo.
Tschaikowsky erhielt für seine Werke in aller Welt sehr viel Zuspruch und Anerkennung. Doch plagte den sensiblen Einzelgänger immer wieder großes Heimweh. Es verwundert also nicht, dass Peter Tschaikowsky sich 1892 ein Häuschen im Städtchen Klin im ländlichen Umland von Moskau kaufte. Hier schrieb er auch seine möglicherweise bekannteste, wahrscheinlich sogar beliebteste Musik: sein Ballett „Der Nussknacker“, welches zugleich sein vorletzter großer Erfolg vor seinem unerwarteten Tod im Jahre 1893 sein sollte. Mit der „Nussknacker“-Ouvertüre für Klavier zu vier Händen sowie dem „Blumenwalzer“, bei dem viele Streichinstrumentalschüler gemeinsam mit zwei Flötenschülerinnen und einem jungen Pianisten die Bühne füllten, verabschiedeten sich die jungen Musiker von ihrem Publikum. Ein weiteres Mal zeigten die Schülerinnen und Schüler der „Musikmacher“ Essen in dem regelmäßig stattfindenden Portraitkonzert ihre große Leidenschaft für die Musik. Dabei bewährte sich das Konzept der Lehrerschaft, mit allen Nachwuchskünstlern Werke zum selben Thema zu erarbeiten, nicht nur als Bereicherung für das Konzert, sondern auch als gemeinschaftsstiftender roter Faden, bei dem quer durch die Altersgruppen alle gebannt einander zuhörten, um mehr von dem Komponisten kennenzulernen, mit dem man sich selbst so lange Zeit beschäftigt hat. Gemeinschaftsstiftend über den musikalischen Aspekt hinaus war außerdem der Benefizgedanke, der dem Konzert zugrunde lag; so erklang Peter Iljitsch Tschaikowskys Musik doch zugunsten einer Spendensammlung für ein Essener Flüchtlingsheim, bei der etwa 600 Euro zusammen gekommen waren.