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Die Stille zwischen den Tönen

Untertitel
Michael Schmidts Buch „Zwischen Tönen … Musik im Kontext“
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Musik lebt nicht allein von ihren Tönen und ihrem Klang: Sie speist sich nicht minder von der Stille – sie erhebt sich aus ihr, sie verklingt in ihr. Die Stille ist Träger der angespannten Erwartung. Dies spiegelt sich im leisen Husten im Konzertsaal und in der beglückten Ruhe nach dem Verklingen des letzten Tones.

Doch gibt es Stille in einer Zeit, in der Geräusche immer mehr werden, in der uns Musik omnipräsent begleitet? Allgegenwärtig berieselt sie uns: ob zu Hause, im Auto, im Einkaufszentrum, oder sogar in der Natur über Kopfhörer und portable Musikboxen – unterstützt durch ein breites Angebot an Streamingdiensten. Nehmen wir Musik überhaupt noch als etwas Besonderes wahr, oder hat sie ihren Zauber, ihre Einmaligkeit durch ihren dauerhaften Auftritt im Alltag und in den Medien bereits verloren?
Mit dieser Frage beschäftigt sich Michael Schmidt, Musikredakteur des Bayerischen Rundrunks, in seinem Buch „Zwischen Tönen …. Musik im Kontext“.

Um Licht ins Dunkel der Frage zu bringen, wie Musik in einem Zeitalter großer technischer Möglichkeiten und Medienvielfalt wahrgenommen wird und wirkt, beleuchtet er sie im Streiflicht der Zeit und als Medium, sowie ihren Einsatz in den Medien. Dabei beschreibt er die Musik verschiedener Komponisten der Epochen ab dem Barock bis zur Moderne und legt in Grundzügen ihre Art des Komponierens dar. Schmidt erforscht, wie sie Musik wahrzunehmen und einzusetzen pflegten, bezogen auf die epochalen und politischen Umstände. Seine Untersuchungen stützt er dabei auf Thesen bekannter Musiker sowie Philosophen; besonderes Augenmerk legt er auf Theodor W. Adorno, dessen Philosophie die Musikwissenschaft bis heute prägt. Diese wird eingängig und verständlich beschrieben, seine Theorien bei den besprochenen Komponisten immer wieder eingebunden. Musik solle sich dem „Schein des Schönen versagen“, wie Adorno in seiner „Philosophie der Neuen Musik“ schreibt: Diesen Ansatz versucht auch Schmidt in „Zwischen Tönen …. Musik im Kontext“ herauszuarbeiten.

So ist Musik nicht nur das Klingende, das Schöne, das uns zwar als Medium zum Ausdruck der Gefühle dient und dort greift, wo die Sprache aufhört, sondern auch die Stille, die bei John Cages 4’33’’ eine neue, besondere Bedeutung erfährt. In Zeiten der medialen Massenreproduzierbarkeit von Musik sind wir immer mehr versucht, nur das Schöne an der Musik festzuhalten: Wir spulen vor und zurück, hören oberflächlich zu und lauschen nur dem, was uns gefällt, überspielen, was uns nicht gefällt – aber nehmen die Musik nicht mehr in ihrer eigentlichen Kunst wahr.

Unter Betrachtung der Komponisten Beethoven, Bach, Mozart, Johann Strauß, Richard Strauss, Schostakowitsch, Verdi, Wagner, Skrjabin und Cage wird die Verschiedenartigkeit der Musik und ihre Einordnung in die Gesellschaft ihrer Zeit kurz beschrieben.

Kritisch befasst er sich auch mit der westlichen Musikkultur, die trotz globaler Musik-Offenheit immer noch überwiegt, und fordert besseres Verständnis und Inspirationen für die Musik auf der ganzen Welt. Mit seiner kritischen Haltung gegenüber alten Konventionen in der Musik appelliert er aber nicht nur für mehr Offenheit gegenüber Musik aller Kulturen, sondern auch für das Aufbrechen der hauptsächlich männlichen Vorherrschaft in der Musik.

Musik prägt die Menschen seit Anbeginn der Zeit und hat sie über viele Jahrhunderte stets begleitet. Heute, in einer Zeit der Globalisierung und Digitalisierung, muss auch die Musik unter anderen Blickwinkeln betrachtet werden und kann andere oder gar neuartige Wirksamkeit erzielen. Wir müssen uns ihr nur öffnen und genau hinhören.

 

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