Schlagzeug spielen ist so populär wie nie. Passend zu diesem Trend wurde aktuell das Percussion-Buch der Reihe „Neue Töne“ in einem zweitägigen Schlagzeugfestival im Gasteig und der Musikhochschule als quirlig-vielseitige Auftaktveranstaltung eingeführt. Mehrere Größen der Percussion-Szene hatten sich bereit erklärt, Workshops und Meisterkurse mit unterschiedlichen Schwerpunkten zu geben, in denen sich die Teilnehmer – Studenten, Lehrer, ambitionierte Laien und Profis – so richtig austoben konnten. Gerade die Möglichkeit, sich auszutoben, auch Aggressionen in das Instrument hinein zu trommeln, kann ungeheuer befreiend sein, wie Prof. Sadlo aus eigener Erfahrung zu berichten weiß. Das dürfte auch mit ein Grund sein, warum bei Jugendlichen das Instrumentarium Percussion so hoch im Kurs steht.
Weniger um Aggressionsabbau, sondern vielmehr um die Lust am Spiel ging es im Workshop des Rahmentrommel-Spezialisten Murat Coskun. Die einzige Rahmentrommel, die die Jahrhunderte der europäischen Musikgeschichte überlebt hat, ist das Tamburin, als exotische Farbe in der Orchestermusik. Doch in anderen Kulturen gibt es nach wie vor eine lebendige Tradition: kleine und große Rahmentrommeln, mit und ohne Schellen oder Ringen, die bei jedem Schlag mitschwingen. Sie heißen Riq, Daf, Bendin, Tamburello, Daire und Tar – Namen, in denen das Perkussive schon mitschwingt. Ähnlich charakteristisch sind die Silben, mit denen die unterschiedlichen Schläge – mit der ganzen Hand, mit einzelnen Fingern, in der Mitte des Fells, am Rand oder am Rahmen – bezeichnet werden. „Du-me-du-me-ta-ke-di“ – so werden die Rhythmen zunächst verbalisiert, um sie dann unmittelbar auf das Instrument zu übertragen. Mehr Erklärung bedarf es zunächst kaum, denn vieles funktioniert über das Prinzip der Nachahmung, und so dauert es bei neuen rhythmischen Mustern nie lange, bis die Trommler sich gefunden haben. Auch das dürfte ein wichtiger Grund für die Beliebtheit von Percussion sein – die Energien einer ganzen Gruppe kanalisieren sich in eine gemeinsame Richtung zu einem enormen Gemeinschaftsgefühl.
Dass das Spiel auf der Rahmentrommel jedoch eine virtuose Kunst ist, wird deutlich, wenn man Coskun an seinem Instrument erlebt. Sein Spiel gleicht einem Tanz mit dem Instrument, auf dem der schlägt, wischt und streicht und ihm geradezu unerhörte Klänge entlockt.
Klangvielfalt ist eines der Stichworte, unter dem das ganze Festival zusammenzufassen war. Besonders deutlich wurde das bei den beiden Konzerten im Gasteig und in der Reaktorhalle. Außer den klassischen Percussion-Instrumenten wie Trommel, Bongos und Tomtom, Xylophon, Marimbaphon und Drum Set wurden dort auch Steine, Baumstämme und nicht zuletzt der eigene Körper zum Klingen gebracht. Und neben technischem Können und musikalischer Ernsthaftigkeit vermittelte sich vor allem die Freude am Spiel und am Experimentieren, was auch notwendig ist. Denn das Erarbeiten von Stücken der zeitgenössischen Percussion-Literatur gleicht einer Forschungsarbeit. Waren es früher zirka 20 verschiedene Instrumente, die ein Schlagzeugstudent beherrschen musste, so sind es heute 80 bis 100. Neue Spieltechniken müssen erarbeitet, neue Musiksprachen erlernt werden. Doch mit dem neuen Verständnis für das Instrumentarium wächst auch eine neue Generation von Musikern heran, die diesen Herausforderungen ganz selbstverständlich begegnen. Und wie man bei dem gesamten Festival erleben durfte: um den Percussion-Nachwuchs braucht man sich wahrlich keine Sorgen zu machen.