Der auf Rügen 1894 geborene und in München 1972 verstorbene Komponist und Theorielehrer Wolfgang Jacobi ist den Tonkünstlern in erster Linie durch den jahrelang erfolgreich an der Münchner Hochschule durchgeführten „Jacobi-Wettbewerb“ ein Begriff. Auch hier standen oft Werke mit Akkordeon auf der Liste der Pflichtstücke, denn im Klangbereich dieses Instrumentes und für die Erweiterung dieser Literatur hatte sich der Komponist besonders eingesetzt.
Wolfgang Jacobi hatte sein Kompositionsstudium in Berlin 1919 bis 1922 bei Friedrich Ernst Koch absolviert, lehrte anschließend bis 1933 am berühmten Klindworth-Scharwenka-Konservatorium und begann eine vielversprechende Karriere als freischaffender Komponist. Im Natiolalsozialismus wurde gegen ihn ein zwölfjähriges Berufsverbot ausgesprochen.
Nach einigen, dennoch fruchtbaren, Jahren im italienischen Exil konnte sich die Familie Jacobi in München etablieren – Jacobi leistete hier als Hochschullehrer und als Initiator verschiedenster Projekte, wie beispielsweise der Gründung des „Studios für Neue Musik“, wichtige Aufbauarbeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Für diese Leistungen wurde er vom Land Bayern gebührend ausgezeichnet: 1954 mit dem Kunstpreis der Stadt München für sein kompositorisches Schaffen, 1961 mit dem Bundesverdienstkreuz und 1965 mit dem Bayerischen Verdienstorden.
In den letzten 15 Jahren vor 1972 sind mehr als dreizehn Werke für Akkordeon entstanden, ein klanglich unglaublich reiches Instrument, das Jacobi durch den engen Kontakt zur Akademie Trossingen erst nach seiner Pensionierung wirklich kennenlernte. Durch seine neuen Kompositionen für Akkordeon solo „hat Wolfgang Jacobi ganz wesentlich zur Bereicherung der Literatur in musikalischer, spieltechnischer und stilistischer Hinsicht beigetragen“, wie Helmut C. Jacobs im ausführlichen Text des Booklets betont. Hinzuweisen ist im Zusammenhang mit dem besonderen Klangbild der Werke darauf, dass alle Stücke auf der CD mit einem zweimanualigen Einzeltonakkordeon mit chromatischen Knopftastaturen eingespielt wurden.
Das aus fünf Stücken bestehende „Divertissement pour l`accordéon“ ist, wie der Titel bereits verdeutlicht, durch französische Quellen inspiriert. Die Welt der großen französischen Musiker von Rameau bis Debussy spiegelt sich hier wider, jedoch im Spiegel der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts, geprägt durch Entfremdungen und rhythmische Auflösungen der Themenstrukturen.
Die „sechs Walzerbagatellen“ repräsentieren unterschiedliche Walzertypen in feintonaler Harmonik, hier lotet Jacobi merklich die Grenzen seines von ihm selbst als neoklassizistisch bezeichneten Stils aus.
Die „zehn polyphonen Stücke nach spanischen Volksliedern“ entstanden noch 1970 in pädagogischer Absicht, gehören aber dennoch zu den faszinierenden Miniaturstücken Jacobis.
Das „Konzertrondo“ von 1965 ist dem Akkordeonisten Stanley Darrow gewidmet. Hier finden wir ein klassisches Rondo mit traditioneller Form.
Die zwei „Etüden“ aus dem „Gradus ad Parnassum“ sind die ersten Stücke, die Jacobi 1956 für Solo-Akkordeon schrieb und die in ein Sammelband mit Werken von Brehme, Borris, Herrmann und Mohler 1958 erschienen. Die „Französische Ouvertüre“ ist ein für die Akkordeonistin Gisela Walther geschriebenes Stück voller Assoziationen zum festlichen Barockstil.
Die Kompositionen „Sarabande und Allegro“, mit denen die CD endet, sind 1968 entstanden und Hugo Noth gewidmet.
Aus den Titeln der Kompositionen und den Widmungsträgern entnimmt man auch als außenstehender Zuhörer den jeweils persönlichen Bezug des Komponisten Jacobi zum Spieler und einer, wie auch immer gestalteten musikalischen Atmoshäre.
Dieses Persönliche in der Musik Jacobis ist vielleicht die wichtigste Komponente, die seine Stücke so präsent wirken lassen.
Der Solist dieser Einspielung, Helmut C. Jacobs, war mehrfacher Preisträger nationaler und internationaler Wettbewerbe. Zahlreiche Stücke wurden für ihn im 20. Jahrhundert geschrieben (beisielsweise von Jürg Baur, Claes J. Biehl, Herbert Callhoff, David P. Graham, Chr. J. Keller, Giselher Klebe, Martin Chr. Redel). Aber auch als Literaturwissenschaftler ist Jacobs durch etliche Publikationen bekannt. Seit 1997 ist Helmut C. Jacobs Professor für Romanische Philologie und Literaturwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen.
Die CD, die an das herausragende Schaffen Wolfgang Jacobis erinnern soll, wurde dankenswerter Weise gefördert durch die Stiftung Bayerischer Musikfonds sowie durch die Konrad-Krieger-Stiftung und ist erschienen im Label Charade.
CD-Tipp
Divertissement / Wolfgang Jacobi /Charade CHA 3040 / LC 5348
Weitere Informationen über den Komponisten unter www.wolfgang-jacobi.de