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Ein Festival zum 20-jährigen Bühnenjubiläum

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Friederike Haufe und Volker Ahmels feierten in Hamburg
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Wie feiert ein Klavierduo sein 20-jähriges Bühnenjubiläum? Indem es sein Publikum an den Schätzen teilhaben lässt, die im Laufe von zwei Jahrzehnten zusammengetragen wurden: wunderbare Musik, Begegnungen mit interessanten Menschen, Gedanken und Erkenntnisse, Impulse für die nächs­te Generation – unter Einbeziehung Gleichgesinnter.

So jedenfalls präsentierten Friederike Haufe und Volker Ahmels ihr „Festival Verfemte Musik“ Anfang Oktober in Hamburg als Höhepunkt ihres Jubiläumsjahres. „Aus dem Schatten ans Licht“ war das Motto nicht nur ihres Gesprächskonzerts am 6. Oktober mit Werken verfemter (von den Nationalsozialisten verfolgter) Komponisten für Klavier zu vier Händen und des Chor- und Orgelkonzerts am 8. Oktober, das von der Konzertorganistin Kerstin Petersen im musikalischen Dialog mit dem Neuen Knabenchor Hamburg unter der Leitung von Jens Bauditz aufgeführt wurde, sondern auch das Motto des gemeinsamen Schaffens insgesamt. Entdecken und Gedenken, darauf hat dieses Künstler-Ehepaar seine Arbeit ausgerichtet.

Friederike Haufe und Volker Ahmels lernten sich bereits als Jugendliche im Klavierunterricht bei Professor Bernhard Wambach kennen. Der international renommierte Experte für Neue Musik weckte in beiden jungen Menschen ein nachhaltiges Interesse an Kompositionen des 20. Jahrhunderts. 1997 debütierten sie offiziell als Klavierduo – nicht etwa in ihrer Heimatstadt Hamburg, sondern in Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten, in Tel Aviv und in Haifa, in Bethlehem und Ramallah. Ihre Vorliebe für extravagante Programmzusammenstellungen, jeweils fokussiert auf ein musikalisch oder politisch relevantes Thema, und die damit verbundenen Recherchen nach Unbekanntem brachten sie bald auf das Terrain der Verfemten Musik. Internationale Konzertreisen nach Frankreich (Paris, Marseille), Österreich (Wien), Dänemark, Polen, Spanien, in die tschechische Republik (Prag und Theresienstadt) und schwerpunktmäßig in die USA (mehrmals nach Los Angeles und Philadelphia, sowie nach Cleveland, San Diego und Washington) wurden immer auch mit dem Stöbern in Archiven und möglichst mit Besuchen bei Zeitzeugen verbunden.

„Ein ganz besonderes Erlebnis war für uns der Besuch in London. bei Anthony Linick, dem Stiefsohn des Hamburger Komponisten Ingolf Dahl“, erzählt Friederike Haufe. „Wir waren interessiert daran, Näheres über seinen 1939 in die USA emigrierten Stiefvater jüdischer Herkunft zu erfahren. Aber wir wurden komplett überrascht davon, dass uns Ingolf Dahls gesamte Korrespondenz mit Hindemith, Milhaud, Schönberg, Boulanger, Cage und anderen berühmten Zeitgenossen vorgelegt wurde. Er hat sie alle gekannt und mit ihnen gearbeitet und ist selbst heute nahezu unbekannt, das müssen wir ändern!“

Das Duo brachte die gehobenen Schätze unter anderem beim Schleswig-Holstein Musikfestival zu Gehör, beim Musiksommer Mecklenburg-Vorpommern und beim Internationalen Klavierduo-Festival Bad Herrenalb. Seine spannend moderierten Konzerte bereichern regelmäßig das Festival „Verfemte Musik“ in Schwerin mit Wiederentdeckungen, beim Klavierfest Ammersee ebenso wie beim Festival „Tons Voisins“ in Albi. Das Konzert kürzlich in den Mozartsälen Hamburg machte ein stark interessiertes Publikum mit „Bouquets for Margaret“ der Hamburger Komponistin Ruth Schönthal bekannt und präsentierte Paul Hindemiths Symphonie „Mathis der Maler“ in der vierhändigen Urfassung des Komponisten. Von Ingolf Dahl waren „Four Intervals“ zu hören sowie „LeBœuf sur le Toit“, eine Kino-Symphonie von Darius Milhaud, hier ebenfalls in der vierhändigen Klavierfassung vom Komponisten. In seiner Moderation, die dezent, aber informativ durch eine Film- und Powerpointpräsentation der Hamburger Initiative Marcus-Dahl (vertreten durch Dr. Hans-Heinrich Nölke) unterstützt wurde, wies Volker Ahmels auf den beachtlichen Aufwand hin, der einer Aufführung von Werken vorausgeht, die ihrem Schattendasein entrissen werden sollen. „Es ist jedes Mal eine reizvolle, aber auch zeitraubende Arbeit, eine Komposition anhand eines Autographs einzustudieren und ohne jegliches Klangbeispiel den Intentionen des Komponisten oder der Komponistin nachzuspüren“, berichtete der Pianist und Klavierpädagoge, der unter anderem seit 2008 als Projektleiter des Zentrums Verfemte Musik an der Hochschule für Musik und Theater Rostock tätig ist. Das Duo meisterte die zum Teil technisch oder rhythmisch höchst anspruchsvollen Werke bravourös.

Mitveranstalter dieses Konzerts am 6. Oktober war die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg. Ihre Direktorin, Dr. Sabine Bamberger-Stemmann, hielt den Einführungsvortrag und lud zum anschließenden Publikumsgespräch ein. Veranstalter des gesamten Festivals war der gemeinnützige Verein „Taste for School“, den Friederike Haufe und Volker Ahmels ins Leben gerufen haben mit dem Zweck, Menschen an klassische Musik und andere Kunstformen heranzuführen, insbesondere Kinder und Jugendliche aller gesellschaftlichen Schichten an allen allgemeinbildenden Schulformen. In Bayern und Mecklenburg-Vorpommern wurde das Taste-for-School-Schulprojekt bereits mehrmals erfolgreich durchgeführt. „Wir möchten dieses Projekt unbedingt bundesweit realisieren“, antwortet Friederike Haufe auf die Frage nach Zukunftsplänen.

Dass es dem Klavier-Duo ernst ist mit der Vermittlung von Musik, Kultur und Geschichte an die nächste Generation, wurde auch beim Konzert am 8. Oktober in der Kulturkirche Altona deutlich. Denn bewusst wurde der Neue Knabenchor Hamburg als Interpret Verfemter Musik von der Romantik bis zu den Comedian Harmonists eingeladen. Den Kindern und jungen Männern wird unvergesslich bleiben, dass sie am Vortag der Aufführung den 93-jährigen, 1939 in die USA emigrierten William H. Engel im von „Taste for School“ arrangierten Zeitzeugen-Gespräch persönlich kennenlernen konnten. Klangrein und differenziert im Ausdruck begeisterte der Knabenchor mit Werken von Hindemith, Mendelssohn Bartholdy, Günter Raphael, Paul Ben-Haim und Kurt Schwaen. Das durch die Comedian Harmonists populär gewordene „Wochenend’ und Sonnenschein“ von Milton Ager durfte natürlich nicht fehlen. Mit ebenfalls musikalischem Augenzwinkern spielte die Konzertorganistin Kerstin Petersen „Valse mignonne“ von Sigfrid Karg-Elert, virtuos die „Stimmungen eines Fauns“ der Hamburger Komponistin Ilse Fromm-Michaels, von Petersen übertragen für Orgelpedal-solo, klangmalend und ausdrucksstark die „Passacaglia für Orgel“ von Ilse Fromm-Michaels, das „II. Prelude for Yom Kippur“ und „Passover“ von Herman Berlinski und schließlich „Hymn to the Stars“ von Sigfrid Karg-Elert. Gemeinsam musizierten Kerstin Petersen und der Knabenchor „Verleih uns Frieden“ des in Hamburg geborenen Felix Mendelssohn Bartholdy.

Der Wunsch nach Frieden, nach friedlichem Zusammenleben verschiedener Völker, Kulturen und Religionen drängt sich geradezu auf beim Anhören bislang verbotener und deswegen dann vergessener Musik. Auch weiterhin wird das Klavierduo Friederike Haufe Volker Ahmels in Archiven und auf Konzertbühnen unterwegs sein, um Schicksale und Lebenswerke ans Licht zu bringen. Nicht zuletzt im Netzwerk des DTKV (Volker Ahmels als Mitglied, Friederike Haufe als Vorsitzende des Landesverbandes Hamburg) wecken oder stärken sie Sensibilität dafür, dass die Freiheit künstlerischen Schaffens nicht immer und überall selbstverständlich ist und dass es wichtig ist, sich dafür zu engagieren. Dazu ist ihnen weiterhin viel Erfolg und persönliche Erfüllung zu wünschen.

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