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„Ein Mensch, der lebt, will uferlos schauen“

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Zum Abschied von Prof. Dr. Inka Stampfl
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„Menschen treten in unser Leben und begleiten uns eine Weile. Einige bleiben für immer, denn sie hinterlassen Spuren in unserem Herzen.“ Dieses unbekannte Zitat beschreibt, wie das Verhältnis zwischen Prof. Dr. Inka Stampfl und mir war. Wir sahen uns 1999 zum ersten Mal, sie hat mich im Tonkünstlerverband Bayern als damalige 1. Vorsitzende eingestellt und sie war zugleich Präsidentin des Deutschen Tonkünstlerverbandes. Nun ist sie am 12. Juni 2022 nach kurzer schwerer Krankheit verstorben.

Ihr Leben war bewegt. Es war ein Leben für die Musik. Nach dem Staatsexamen für Schulmusik an Gymnasien (Klavier/Violine) und der Künstlerischen Staatsprüfung für Orchesterfach Querflöte an der Staatlichen Hochschule für Musik, Tanz und Theater München, folgte sie zum Wintersemester 1980/81 dem Ruf als Professorin für Musikpädagogik der Universität Passau. Sie blieb dort 36 Jahre, brachte sich als Mitglied verschiedenster Kommissionen und als erste Universitätsfrauenbeauftragte maßgeblich ein, gründete mit Joe Viera die Big Band der Universität und leitete das Hochschulorchester. Das eigene Musizieren war ihr wichtig, aber auch der qualifizierte Musikunterricht. Meine Töchter lernten bei ihr Querflöte und Klavier und eine Reihe von wunderbaren Hauskonzerten bereicherten unser Familienleben und noch heute lässt die Querflöte besondere Ereignisse lebendig werden. Sie selbst spielte im Querflötenduett mit dem früheren Abtprimas Dr. Notker Wolf in jahrelanger Tradition die jährlichen Weiherserenaden in St. Ottilien, die ein besonderes Flair ausstrahlten. Zwischen Fackeln, Wildenten und Schnacken, manchmal auch bei Regen, erklangen Töne aus Mozarts Zauberflöte. Das war Romantik pur. Das von ihrer Mutter 1941 gegründete Akkordeon-Orchester übernahm sie 1984 und ging mit „Accordeon in Concert“ mit über 180 Konzerten auf Entdeckungsreise quer durch Europa.

Dr. Inka Stampfl setzte sich auf vielen Ebenen für eine Modernisierung des Verbandes ein. Dies reichte von der Einführung eines Computers in der Geschäftsstelle bis zur Organisation von Kreuzfahrten für Tonkünstler*innen. Das von ihr 1998 zum 50. Verbandsjubiläum organisierte 6. Bayerische Tonkünstlerfest führte einerseits die Verbandstraditionen als Podium für bayerische Komponist*innen und Interpret*innen fort, setzte aber andererseits auch neue Akzente mit Jazz und elektronischer Musik. Genregrenzen zu vermischen war für Dr. Inka Stampfl damals schon selbstverständlich, für viele Musiker*innen und Musikliebhaber*innen aber neu. Ihre Devise: „Ein Mensch, der lebt, will uferlos schauen“ (Herbert Achternbusch). So sollte der Verband auch musikalisch sichtbar werden: Uraufführungen zeitgenössischer Musik mit Moderation fanden im modernen Siemens-Forum statt, Einladungen der Komponist*innen zum Austausch mit den Musiker*innen und dem Publikum standen auf dem Programm. Der Ausbau der Fortbildungen lag ihr am Herzen und der Aufbau und Ausbau der musikalischen Bildung und Erziehung waren ihre Ziele. Sie hat sich nicht nur auf Landesebene für die Privaten Musikinstitute engagiert, gründete neue Tonkünstlerverbände in den Regionen, sondern organisierte als Vorsitzende des Bundesverbandes eine Reihe von überregionalen Tagungen und Workshops in Bayern etwa über die Künstlersozialversicherung, Rentenversicherung, das Urheberrecht, alles Dinge, die für die Musikschaffenden unverzichtbar sind.

Home-Office gab es im Tonkünstlerverband Bayern dank Dr. Inka Stampfl schon seit dem Jahr 2000. Meine jüngste Tochter hatte Windpocken und schon war ich mit meiner Arbeit zu Hause. Meine Arbeitszeiten konnte ich den Schulzeiten meiner Kinder anpassen, Hauptsache, alles wurde entsprechend erledigt. Sie forderte viel und sie gab auch viel. Auch hier war sie ihrer Zeit voraus. Viele der jüngeren Mitglieder werden sie nicht mehr kennen; vielleicht ist ihnen sogar der Name unbekannt. Ihr Wirken beeinflusste die Verbandsarbeit aber wesentlich. Etlichen ging diese Entwicklung zu schnell; manches konnte auch in dieser Geschwindigkeit nicht umgesetzt werden. Der Wind wehte allmählich stürmisch, sie zog sich zurück und Linde Dietl übernahm den in Unruhe geratenen Verband.

Wir blieben trotz aller Verbandshöhen und -tiefen befreundet; ich habe ihr viel zu verdanken, auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren. Ich habe gerne mit ihr zusammengearbeitet, obwohl es manchmal bis tief in die Nacht ging oder Faxe schon wieder in den frühen Morgenstunden eintrafen. Glatte Menschen gibt es viel zu viele. Sie hatte Kanten und war eine mutige Macherin, leider verlor sie sich und die anderen manchmal dabei aus den Augen.

Liebe Inka, du hast mich auf einem wichtigen Teil meines Berufslebens begleitet, ich danke dir für das Vertrauen, das du mir geschenkt hast. Ich denke oft an deine Kreativität im Musik- und Verbandsleben, an dich als Musiklehrerin, an dich als Musikerin, an dich als Gefährtin auf meinem Weg. Und so behalte ich dich in Erinnerung.
 

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