Mit großem Entsetzen und ebenso großer Verärgerung haben Mitglieder meines Ortsverbandes und ich Ihre Artikel in der nmz 11/17 zur Kenntnis genommen. Ihre Behauptungen im ersten Artikel „Wann, wenn nicht jetzt“ sind nicht nur weit von der Realität entfernt, sondern sie sind schlichtweg eine Unverschämtheit!
Ich bin seit 1987 an einer Musikschule angestellt, mit inzwischen zirka 27 Stunden unbefristetem TVÖD-Vertrag. 1987 habe ich mit vier Wochenstunden angefangen und durch mein hohes Engagement konnte ich die Stelle stetig ausbauen. Ich gehöre also zu den Festangestellten, offiziell „Unkündbaren“. Ihre Aussage, dass nur Vollbeschäftigte, die 35 Wochenstunden unterrichten, Festangestellte sind, ist schlichtweg falsch! Ihre Aussage, dass die Festangestellten sich nicht anstrengen müssten, ist eine Frechheit und beleidigend.
Die festangestellten Kollegen, die an unserer Schule – Gott sei Dank – noch die Mehrheit bilden, engagieren sich weit über ihre Stundenzahl hinaus, geben zum Beispiel Lehrerkonzerte, bei denen der Aufwand nicht vergütet wird, geben gratis Zusatzstunden für Schüler, die auf Wettbewerben oder Konzerten spielen, geben gratis Kammermusikunterricht und und und.
Es fehlt die Spontaneität und Freude am Musizieren? Dann empfehle ich Ihnen, die Schüler-, Orchester- und Lehrerkonzerte an unseren Musikschulen hier zu besuchen.
Hoher Aufwand
Den allgemeinen Schülerrückgang haben aber auch wir Festangestellte zu fürchten, das heißt, wir müssen unter sehr hohem Aufwand an den Schulen Werbung machen – auch diese Stunden werden nicht extra vergütet. Wer seine vertraglichen Stunden nicht belegen kann, bekommt einen „Änderungsvertrag“, also eine Rückstufung des Stundendeputats und somit weniger Gehalt.
Ein bequemes Zurücklehnen und fauler und unmotivierter Dienst nach Vorschrift von Festangestellten sind das Ergebnis Ihrer realitätsfernen Hirngespinste und haben mit der Wirklichkeit nichts zu tun.
Seit Jahren kämpfen wir gegen die Tendenz, dass an kommunalen Schulen nur noch Honorarlehrkräfte eingestellt werden, und nun werben Sie in Ihrem Artikel dafür, dass es keine Festanstellungen mehr geben sollte – man glaubt nicht, was man da lesen muss!
Das Problem ist vielmehr, dass kommunale Musikschulen zu den „freiwilligen Leistungen“ einer Kommune gehören, im Gegensatz zu den allgemeinbildenden Schulen, die Pflichtaufgabe und Ländersache sind.
Anstatt die kulturelle Bildung unseres Landes in die Steinzeit zurückzubefördern, mit der Folge, dass wir Musikpädagogen keine Schüler mehr zu einem Musikstudium bewegen können, da sie nur noch wie Schuhputzer entlohnt werden, sollte es das politische Bestreben sein, musikalische und damit kulturelle Bildung zur Pflichtaufgabe von Städten und Kommunen zu machen, die dafür von Länder- und Bundesseite entsprechende Mittel zur Verfügung gestellt bekommen müssen. Nicht rückwärts, sondern vorwärts! In Zeiten, wo die Steuereinnahmen herrlich sprudeln, sollte dieses ganz klar eingefordert werden.
Sie tuten stattdessen in das Horn der kommunalen Sparfüchse und wollen die berufliche Sicherheit der qualifizierten Musikpädagogen abschaffen!
Sie sind auf der falschen Seite!
Falsche Gleichstellung?
In Ihrem zweiten Artikel meinen Sie, dass jeder, der nur ein paar Jahre Instrumentalunterricht bekommen hat, selbst die Befähigung zum Musikpädagogen hat – woher denn bitte dies?
Sie treten den Berufsstand des Musikpädagogen mit Hochschulabschluss ebenso mit Füßen wie das Hochschulstudium selbst. Sie fordern eine das Bildungsniveau absenkende Gleichmacherei – Hobbymusiker, die mal ein paar Jahre Instrumentalunterricht hatten und hochqualifizierte Musiker und Pädagogen sollen alle billig zertifizierte „Musiklehrer“ sein und gleich schlecht bezahlt werden?
Der Artikel erweckt auch den Eindruck, als gäbe es für Popmusiker kaum Möglichkeiten einer Ausbildung. Sie erwähnen zwar einige Institute in Berlin, die eine entsprechende Ausbildung anbieten, verschweigen aber, dass es in Brandenburg ohnehin keine Musikhochschule gibt. Die meisten Musikhochschulen in Deutschland bieten längst auch eine Ausbildung für Jazz- und Popmusiker an.
Die DTKV-Mitglieder meines Verbandes fühlen sich von Ihnen nicht vertreten. Es gibt bereits erste Kündigungen der DTKV-Mitgliedschaft in Folge Ihrer Artikel.
Es ist mir ein großes Rätsel, dass jemand wie Sie, der mit solchem Geschreibsel einen immensen Schaden anrichtet, zum Ländersprecher gewählt werden konnte.
Bevor Sie sich weiterhin bundesweit schriftstellerisch betätigen, empfehle ich Ihnen, sich besser zu informieren und sich an den tatsächlichen Bedürfnissen der DTKV-Mitglieder zu orientieren.
Ansonsten ist mit einer Austrittswelle der DTKV-Mitglieder zu rechnen.
Mit freundlichen Grüßen,
Siegfried Westphal