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Entfesselung in einer Tropfsteinhöhle

Untertitel
Ein abwechslungsreiches Konzert mit Einflüssen aus aller Welt im Münchner Rubinsteinsaal
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Werke für Flöte, Gitarre und Klavier von bayerischen Komponisten mit böhmisch-mährischen Wurzeln erfüllten den Münchner Rubinsteinsaal am Montag, den 26. September, mit lyrisch-sprudelnden Klängen.

Karel Ricánek, dessen „Drei Stü­cke für Flöte und Gitarre“ den Abend eröffneten, wuchs in einer Musiker-familie in Mähren auf. Ein Angebot, als Pianist in einem Musical in Berlin mitzuwirken, brachte ihn nach Deutschland, wo er sich mit Schlager und Pop-Musik, aber später auch mit Dodekaphonie beschäftigte. In den „Drei Stücken“ wurde die lyrisch schwebende Flötenstimme von gezupften Gitarrenakkorden getragen. Immer wieder jazzig klingende Harmonien verliehen dem Ganzen das gewisse Etwas. Interpretiert wurde das Werk vom Duo Bohemico, einem tschechischen Ehepaar: Anna Cuchal an der Flöte und Pavel Cuchal an der Gitarre. Große Oktavsprünge und ein Staccato im Unisono zeugten von einem hohen kammermusikalischen Niveau. Das abrupte Ende lieferte zudem den gewissen Witz und ließ das Publikum schmunzeln.

Wolfgang Zoubeks „Wiegenlied“ und „Dans un miroir“ für Klavier solo folgten. Die Einflüsse des Komponisten stammen von Messiaen aus Paris, bei dem er studierte, aus Bali, wo er sich mit fernöstlichen Tonsystemen beschäftigte, und aus Afrika, dessen temperamentvolle Rhythmen sich auch im „Wiegenlied“ wiederfinden. Wie eine wilde mystische Traumlandschaft erklangen Melodiefragmente der rechten Hand mit Harmonien in der linken Hand, die von Eva Schieferstein charakteristisch umgesetzt wurden. Das zweite Werk begann mit Arpeggien und Tonrepetitionen. Die sich ständig überkreuzenden Hände tanzten über die Klaviertastatur und spiegelten sich in immer weitertreibenden Melodien.

Es ging beschwingt weiter mit Widmar Haders „Fylgie“, einem Schutzgeist aus der nordischen Mythologie. Ruhig und mit einem gekonnt eingesetzten Vibrato der Flöte wurden die Zuhörer in die Welt des Folgegeistes geführt. Whistle Tones, Flageoletts und Klappentöne verliehen dem Stück etwas Schauderhaftes. Wilde Läufe und weite Sprünge im Staccato ließen das mystische Wesen durch den Raum wirbeln.

Jan Nováks Leidenschaft für das Lateinische findet sich in seiner „Sonata super ‚Hoson Zes…‘ tibia obliqua et clavibus MCMLXXXI“ wieder. Nicht nur der Titel lässt offensichtlich seine Liebe zu dieser Sprache erkennen. In dem Werk wird die Melodie des Seikilos-Liedes vertont, zu finden auf einem altgriechischen Grabstein, der die wohl früheste Form von Nota­tion zeigt.

Der zweite Teil des Programms war dem Jubilar Robert Delanoff zu seinem 80. Geburtstag gewidmet, der auch persönlich anwesend war.

Eine Uraufführung des Werkes „Entfesselung“ ließ die Zuschauer erstaunen. Nicht nur, dass Delanoff sich von fremden Einflüssen wie türkischer Volksmusik inspirieren ließ: Entfesselnde Sechzehntelketten wie bei Bach oder Beethoven vereinigten sich mit dem Freiheitsdrang während der Pandemiezeit, in der das Werk komponiert wurde. Einzelne repetierende Töne wuchsen zu einer Cluster-Melodie heran, die sich in wilden Läufen ergossen, welche sich über die komplette Klaviertastatur erstreckten. Wohlwollende durale Akkorde bereiteten dem emotionsgeladenen Treiben ein Ende und lösten die Entfesselung in Wohlgefallen auf.

Das abschließende Werk „Grotta di Ispinigoli“ entführte die Zuschauer in eine sardinische Grotte. Unheimliche Stille in ruhiger Atmosphäre standen den tropfenden Stalagmiten-Klängen gegenüber. Um den Affekt noch weiter zu verstärken, wechselte Anna Cuchal immer wieder auf die Altflöte, die dem Ganzen noch mehr Tiefe und Ausdruckskraft verlieh. Alles in allem war es ein gelungener Abend, der die Zuschauer in unterschiedliche Welten entführte und ihnen immer wieder ein Lächeln ins Gesicht zauberte.

 

 

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