Selten hat ein Thema so für Wirbel gesorgt wie der Umgang der Deutschen Rentenversicherung (DRV) mit dem Herrenbergurteil. Im Gegensatz zum Entwurf des Jahressteuergesetzes 2024, zu dem bereits relativ frühzeitig Einigkeit in der Vorgehensweise zwischen den Akteuren im Kultur- und Bildungsbereich herrschte, wurde der Umgang mit selbstständig tätigen Lehrkräften an Musikschulen kontrovers dis

Gruppenfoto: v.l.n.r.: Martin Behm, Bundeskanzler Olaf Scholz, Katrin Morgenstern, Andreas Bertheau. Foto: DTKV
Entwicklungen beim Thema Herrenbergurteil
Aller Anfang ist schwer
Bereits zu Ende des Jahres 2023, aber auch noch in der ersten Jahreshälfte 2024, war in diversen Artikeln zu lesen, nach Herrenberg wäre eine Arbeit mit Honorarkräften an Musikschulen nicht mehr möglich. Der Justiziar des DTKV, Hans-Jürgen Werner, vertrat hingegen genauso wie ich die Meinung, Herrenberg verhindere keinesfalls selbstständige Tätigkeiten an Musikschulen. Es ist die Auslegung des Urteils durch die DRV, welche bis zum heutigen Tag Unsicherheit und Angst erzeugt. Das heute unter dem Namen „Wernerkonzept“ bekannte Vertragskonstrukt unseres Justiziars, das gemeinsam mit verschiedensten Musikschulbetreibern aber auch Lehrkräften weiterentwickelt worden ist, wurde dem Leitungskreis der Clearingstelle der DRV von Hans-Jürgen Werner und mir in einer eigens von Seiten der DRV einberufenen Sitzung vorgestellt. Es erhielt zwar Aufmerksamkeit und auch Anerkennung, änderte jedoch leider nichts an der Prüfweise in Statusfeststellungsverfahren.
Vernetzung
Glücklicherweise betraf diese neue Gangart der DRV bei Statusfeststellungsverfahren und Betriebsprüfungen nicht nur die Musikschulen, sondern im Prinzip den gesamten Bildungsbereich, ausgenommen die Regelschulen. Die Arbeit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Selbstständigenverbände (BAGSV) ist hier gar nicht hoch genug zu bewerten. Sie brachten bereits im Juni alle Akteure aus dem Bildungsbereich an einen Tisch. Danach wurde Druck auf das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ausgeübt. Am 14. Juni fand dann das erste Fachgespräch im BMAS statt und ein erstes Moratorium wurde verkündet, damals nur bis zum 8. Oktober 2024.
Parallel prägte unser Präsident des DTKV Prof. Christian Höppner den Begriff des Dualen Systems. Beide Formen der Tätigkeiten an Musikschulen sollten möglich sein und auch bleiben.
Kontroverse Sichtweisen
Bereits beim ersten Fachgespräch im BMAS am 14. Juni 2024 unter der Leitung des Staatssekretärs Dr. Rolf Schmachtenberg wurden Arbeitsgruppen gebildet, welche die Aufgabe hatten, Lösungswege zu erarbeiten, wie selbstständige Tätigkeiten im Auftrag Dritter weiter möglich sein können. Die Arbeitsgruppe II sollte sich um die Musikschulen kümmern, glücklicherweise wurde hier auch der DTKV beteiligt.
Innerhalb der Gruppe gingen die Meinungen jedoch auseinander, wie an die Problematik heranzugehen sei. Verbandspolitisch gab es unterschiedliche Positionen. Während auf der einen Seite das Herrenbergurteil durchaus als Chance gesehen wurde, einen deutlich höheren Anteil an Festanstellungen an öffentlichen Musikschulen zu erreichen, war man auf der anderen Seite mit der Position konfrontiert, dass Musikschulen in ihrer Existenz bedroht waren und Lehrkräfte ihre Auftraggeber verlieren könnten. Zum anderen gab und gibt es den Bereich der Musikerinnen und Musiker, die weiterhin selbstständig tätig sein wollen, was neueste Umfragen aus den DTKV Landesverbänden Baden-Württemberg und Bayern belegen.
Das führte zu den allseits bekannten Spannungen innerhalb des DTKV aber auch mit anderen Verbänden. Den Dualen Weg unseres Präsidenten umzusetzen, bedeutete aber nun mal, selbstständige Tätigkeiten weiterhin möglich zu machen. Hier war Lobbyarbeit gefragt, welcher sich in erster Linie der DTKV annahm.
Lobbyarbeit des DTKV
Im September 2024 hielten Ansgar Vollmer (Schatzmeister LV Brandenburg), Maxi Heinicke (Vizepräsidentin LV Brandenburg) und ich einen Impulsvortrag auf der Konferenz der Landesmusikräte in Kiel. Der dort sehr emotional vorgetragene Appell blieb nicht ungehört. In einer Folgesitzung wurde ich beauftragt, einen Brief zu verfassen, welcher dann im Namen aller Musikräte in Deutschland an Staatssekretär Dr. Rolf Schmachtenberg versendet wurde. Ein Folgebrief der Arbeitsgruppe Musikschulen im DTKV, dem sich diverse Musikschulen aber auch Landesvorsitzende angeschlossen hatten, brachte mir dann zwei persönliche Telefonate mit Dr. Rolf Schmachtenberg ein, wo es mir gelang, nicht nur die Herausforderungen zu erläutern, sondern auch die Besonderheiten des musikalischen Bildungssystems in Deutschland zu erklären.
Ein persönliches und vertrauliches Gespräch mit der brandenburgischen Kulturministerin Manja Schüle gemeinsam mit der erfolgreichen Tanzpädagogin Marita Erxleben mündete in einen Termin mit dem sozialpolitischen Sprecher der SPD MdB Martin Rosemann. Diese letztlich doch relativ große Runde aus Fachpolitikern schaffte eine weitere Brücke in die Politik und unsere Arbeit wurde nicht nur wertgeschätzt, sondern man versprach uns am Ende Unterstützung.
In der ersten Dezemberwoche sorgten sowohl Dr. Rolf Schmachtenberg als auch Martin Rosemann dafür, dass ich als elfte Person am Runden Tisch im BMAS der Arbeitsgruppe Musikschulen gemeinsam mit Prof. Christian Höppner teilnehmen durfte. Genau am 12. Dezemebr 2024, kurz bevor die Sitzung im BMAS begann, wurde die Petition 174929 (Forderung einer gesetzlichen Lösung zur Sicherung der selbstständigen Tätigkeiten an Bildungseinrichtungen) veröffentlicht. Nach der erfolgreichen Weiterleitung der Bundesratsinitiative aus Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen an die zuständigen Ausschüsse, waren wir bezüglich der Genehmigung durch den Petitionsausschuss nicht mehr so sicher.
Stand 21. Januar 2025 erhielt die Petition bisher 15.000 Stimmen. Insbesondere die Weihnachtszeit und der Jahreswechsel haben zwischenzeitlich für einen Stillstand bei den Zeichnungen gesorgt. Seit dem 7. Januar 2025 steigt die Kurve wieder stark an. Höchstwahrscheinlich wird das Quorum von 30.000 Stimmen nicht erreicht werden, behandelt wird die Petition aber in jedem Falle und sie hat ihren Sinn allein deshalb erfüllt, weil durch sie eine breite Öffentlichkeit auf das Thema aufmerksam wurde.
Der Bundeskanzler informierte sich
Der größte Erfolg bezüglich der Lobbyarbeit zum Thema Herrenbergurteil war jedoch der Besuch des Bundeskanzlers Olaf Scholz in der privaten Musikschule Behm – Bertheau & Morgenstern in Potsdam. Allein sein Besuch ist eine große Ehre und verdeutlicht seine Wertschätzung, die er den Lehrkräften aber auch nicht zuletzt den Gründern und Inhabern entgegenbringt. Er nahm sich zirka 45 Minuten Zeit, plauderte mit Lehrkräften und Schülern und erzählte von seinem privaten Oboen-Unterricht, den er als Kind erhalten hatte. Höhepunkt des Termins war jedoch das vertrauliche 30-minütige Gespräch, welches mit den drei Inhabern hinter verschlossenen Türen stattfand. Beeindruckend für mich war, dass er nicht nur unseren Brief gelesen hatte, sondern auch tief in der Materie steckte. Wir konnten daher sofort in eine, teilweise auch kontroverse, Diskussion einsteigen.
Oberste Priorität hat nun das Übergangsgesetz, welches rückwirkend ab dem 1. Januar 2023 bis zum 31. Dezember 2026 Sicherheit für die Bildungseinrichtungen und ihre Lehrkräfte schaffen soll. Danach ist die Arbeit jedoch nicht vorbei, sondern wir gewinnen nur Zeit, eine nachhaltige gesetzliche Lösung durchzusetzen.
Der DTKV wird hier weiterhin an erster Stelle für den Dualen Weg eintreten. Es ist sehr erfreulich, dass sich die Reihen innerhalb des DTKV wieder geschlossen haben, denn nur gemeinsam sind wir dieser riesigen Herausforderung gewachsen!
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