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Er hat Spuren hinterlassen

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Nachruf für Stojan Stojantschew
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Am 20. Februar ist der Komponist, Musiker und Lehrer Dr. Stojan Stojantschew im Alter von 83 Jahren nach langer Krankheit in Magdeburg verstorben. In einer emotional anrührenden Trauerfeier, umrahmt und getragen von Klängen seiner Musik, nahmen am 21. März Komponisten, Musiker, ehemalige Schüler, Freunde und Weggefährten Abschied von dem Komponisten.

„Ohne Musik ist das Leben ein Irrtum“

Diesen Satz Nietzsches hat der 1931 in Sofia (Bulgarien) geborene Stojantschew, Sohn eines Rechtsanwaltes, nicht nur einmal zitiert, und er kann als Maxime über dem Lebenslauf des Komponisten stehen. Im Hause Stojantschew war Hausmusik nicht üblich. Durch die Initiative der Mutter, die dafür sorgte, dass der Sohn ein Instrument lernte, wurde ein Klavier gekauft. So bekam der achtjährige Stojan ersten Klavierunterricht, der im zweiten Weltkrieg unterbrochen und erst nach Kriegsende fortgesetzt wurde. Die Flöte kam als weiteres Instrument hinzu. Bereits in den Kriegsjahren gab es erste Kompositionsversuche. Während der Gymnasialzeit spielte Stojantschew Klavier und Flöte im Schulorchester und komponierte kleine Stücke für dieses Ensemble.

Trotz seines Interesses für die Musik studierte Stojantschew nach dem Abitur auf Wunsch des Vaters Veterinärmedizin. Daneben nahm er privat Flötenunterricht. 1954 schloss Stojantschew das Studium mit der Promotion ab und praktizierte anschließend als Tierarzt in Dobritsch. Nebenberuflich spielte er im dortigen Sinfonieorchester Flöte. Während der Zeit seiner tierärztlichen Tätigkeit reifte mehr und mehr der Entschluss, sich gänzlich der Musik zu verschreiben. So kam es, dass er bereits nach zweijähriger Berufspraxis eine Stelle im Puppentheater der Stadt Sofia als musikalischer Leiter annahm, um sich endlich ganz der Musik widmen zu können. Zu seinem dortigen Aufgabengebiet gehörte es, etwa Kompositionen für das Theater zu schreiben, woraufhin er ein Fernstudium an der Hochschule für Musik in Sofia aufnahm, was er 1965 mit Auszeichnung abschloss. Erste Kompositionsaufträge erhielt er von verschiedenen Theatern und vom bulgarischen Fernsehen.

Auf der Grundlage eines Staatsvertrages kam Stojantschew 1966 als musikalischer Leiter und Komponist an das Magdeburger Puppentheater. 1976 war er Mitbegründer des 1. Festivals der Puppentheater der DDR. Er komponierte Bühnenmusiken für fast alle Puppentheater der damaligen DDR sowie zahlreiche Schauspielhäuser. 1971 wurde er Mitglied im Verband der Komponisten und Musikwissenschaftler der DDR. Von 1974 bis 1979 besuchte er die Meisterklasse im Fach Komposition bei Johann Cilenšek an der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ in Weimar.

Von 1978 an war er als freischaffender Komponist in Magdeburg tätig. Er lehrte mit großem Engagement über ein Jahrzehnt Theorie und Tonsatz in der studentischen Ausbildung an den Magdeburger Hochschuleinrichtungen. Außerdem betreute er von 1986 bis 1995 mit großem Erfolg die Komponistenklasse der damaligen Bezirksmusikschule, des heutigen Konservatoriums „Georg Philipp Telemann“ Magdeburg, die er maßgeblich geprägt hat. Im März 1991 konnte man in der Magdeburger Presse lesen „Die Magdeburger Komponistenklasse ist bundesweit auf Erfolgskurs.“ … „Sechs junge Komponisten fahren für eine Woche nach Weikersheim“, wo ihre eingereichten Wettbewerbsarbeiten (Trios für Oboe, Klarinette und Fagott) aufgeführt werden. Der Nachwuchs lag dem Komponisten besonders am Herzen. Stojantschew hatte die wunderbare Gabe, Kinder und Jugendliche an die Musik heranzuführen und sie zu begeistern. Es entstanden Klavier- und Flötenkompositionen „… für große und kleine Leute“, die mit Freude gespielt wurden. Heute sind einige ehemalige Schüler Stojantschews selbst als Komponisten und Musiker tätig.

 

Der Komponist

Stojantschew hat ein vielfältiges OEuvre hinterlassen. Den weit über 100 Puppentheater-, Bühnen- und Filmmusiken folgten ab Mitte der Siebzigerjahre kammermusikalische Kompositionen. Zu Beginn der 1980er dominierten Werke für Orchester (u.a. drei Sinfonien) Instrumentalkonzerte, Vokalmusik sowie Bühnenwerke (Oper und Ballett), in der zweiten Hälfte der 80er-Jahre kehrte der Komponist erneut zum kammermusikalischen Schaffen zurück. Sein Stil ist von Komponisten wie Lutoslawski, Penderecki, Zygmunt Krauze, Bartók und Debussy beeinflusst, die er als seine Vorbilder benannte. Zudem spielte aus seiner Heimat Pantscho Wladigerow (1899- 1978) eine wesentliche Rolle für ihn. In den meisten Kompositionen Stojantschews findet man eine eigene aleatorische Spielart, deren Organisationsprinzipien an Lutoslawski erinnern, deren Behandlung der Instrumentengruppen in ihren spezifischen Spielweisen auf Penderecki zurückzuführen ist. Bulgarische Rhythmen, die zumeist auf unregelmäßigen Taktarten beruhen, verwandeln sich oft in kombinierte Takte im Bartók’schen Sinn. Ungewöhnliche Instrumentenzusammensetzungen sind für den Komponisten teilweise Experiment. Man findet in den Werken Neues und Tradition, was seiner Meinung nach für eine bessere Rezeption beim Hörer sorgt. Durch den Einfluss der impressionistischen Musik und die Puppentheaterpraxis, ist sein Streben nach farbig- musikalischer Sprache und sein Hang zur Programmatik begründbar. Seine Telemann-Variationen und -Inspirationen von 1989 sind von der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie, unter der Leitung von GMD Christian Simonis eingespielt worden, durch Landesförderung im Musikalischen Kompetenzzentrum Sachsen-Anhalt begleitet sowie mit einem Begleitheft für Lehrer versehen für den Musikunterricht an allen allgemeinbildenden Schulen in Sachsen-Anhalt zur Verfügung gestellt worden.

 

Mitbegründer des DTKV Landesverbandes Sachsen-Anhalt 1991

Seiner Initiative ist es vor allem zu verdanken, dass wir den ersten Tonkünstler Landesverband in den neuen Bundesländern gründen konnten. Das Jahr 1991 gehörte in den „jungen“ Bundesländern zur Phase der „Gründerjahre”. Für uns Musikschaffende bedeutete das auch, die reiche Tradition der Tonkünstlervereine und -feste des 19. Jahrhunderts im Lisztschen Sinne wieder aufnehmen zu können und in Sachsen-Anhalt einen Tonkünstlerverband zu gründen. Stojantschew war dabei, als sich interessierte Kolleginnen und Kollegen aus den fünf neuen Bundesländern mit dem ehemaligen Präsidenten des DTKV (damals VdMK) Siegfried Palm, dem Geschäftsführers Klaus Obermayer sowie der Rechtsanwältin Brigitte Gmelin am 20. Juli 1991 in Weimar trafen und einen „Fünfländerverband“ gründeten, aus dem die einzelnen Landesverbände hervorwachsen sollten, sobald auf ihrem Gebiet genügend Mitglieder zusammen kamen. Bereits am 23. November 1991 wurde der Verband Sachsen-Anhalt dank Stojantschews Einsatz aus der Taufe gehoben. Er selbst war einige Jahre ein aktiver stellvertretender Vorsitzender mit kreativen Ideen.

Fast fünf Jahrzehnte hatte Stojantschew seinen Lebens- und Schaffensmittelpunkt in Magdeburg, wo er sich intensiv in das kulturelle Leben eingebracht und Spuren hinterlassen hat. Wir werden sein Andenken in Dankbarkeit in der Geschichte des Tonkünstlerverbandes Sachsen-Anhalt bewahren. Seine heitere, aber auch kritische und streitbare Art werden wir in Erinnerung behalten. Von seinen Kompositionen, in denen die Flöte, sein Lieblingsinstrument, einen besonderen Raum einnimmt, werden wir durch den Glücksumstand, dass die Flötistin Christine Iglika-Verständig, Stojantschews Tochter, unser Verbandsmitglied ist, einige Kompositionen zum Klingen bringen und sein Werk fortleben lassen.

Stojantschews sterbliche Überreste wurde im Mai in Sofia beigesetzt. Sein Nachlass wird zunächst in Sachsen-Anhalt aufbewahrt werden.

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