Der Komponist und Hochschullehrer Prof. Dietrich Erdmann war bis zu seinem Tod 2009 Ehrenvorsitzender des DTKV Berlin und wäre 2017 100 Jahre alt geworden. Sein Einsatz für seine Kolleginnen und Kollegen, besonders Komponisten in Berlin, war außergewöhnlich. Mit der Gründung des Studio Neue Musik Berlin, einer Konzertreihe, die Berliner Tonsetzern Aufführungsmöglichkeiten anbietet, ist mit der Weiterführung durch Dr. Gabriel Iranyi eine wichtige Szene für Neue Musik entstanden, in der regelmäßig Uraufführungen präsentiert werden und die aus dem Berliner Konzertleben nicht mehr wegzudenken ist.
Die Besonderheit von Erdmanns Musik ist wohl, dass er sie überwiegend für Musiker schrieb, mit denen er zusammenarbeitete, wie Detlef Bensmann, dem er insgesamt acht Werke für Saxophon widmete. So standen die Kompositionen für das von Adolphe Sax entwickelte, verhältnismäßig junge Blasinstrument im Vordergrund dieses Konzertes, in dem Detlef Bensmann die Werke für Tenor-, Alt- und Sopransaxophon vorstellte. „Fantasia colorata“ (1987) besticht durch klangliche und virtuose Momente, die dem Tenorsaxophon seinen besonderen Reiz entlocken. Frank Lunte und Norbert Biermann interpretierten eindrucksvoll die Komposition „Akzente A“ für Altsaxophon und Klavier. Frank Lunte erhielt 2003 für seine Interpretationen von Kompositionen mit Saxophon und Klavier die Andrej-Sacharow-Medaille und ist Co-Herausgeber eines Buches über Adolphe Sax, den Erfinder des Instrumentes.
Die Erdmann-Komposition „Dialog“ für zwei Saxophone spielte Detlef Bensmann mit seiner begabten Schülerin Lilly Paddags, die sich ebenfalls als junge Komponistin vorstellte mit dem sehr interessanten Stück „Expression musical de la fonction d`angle“. Lilly Paddags erhielt ihre Ausbildung am Musikgymnasium Ph-E.-Bach in Berlin und ist Jungstudentin in der Klasse von Detlef Bensmann am Julius-Stern-Institut der UDK. Für ihre Komposition „Expression musical de la fonction d’angle“ erhielt sie bereits Preise in China und in Polen bei Saxophonwettbewerben. Um nun doch den Komponisten im Spiegel seiner Zeit sowie mit anderen Klangfarben vorzustellen, enthielt das Programm dann noch Klavierstücke von Dietrich Erdmann sowie auch von seinem Lehrer, Kollegen und Weggefährten Harald Genzmer. Die „Suite in C“ (1948) entstand als Auftragswerk zur Eröffnung einer Ausstellung mit Bildern von Braque, Picasso, Léger und Matisse. Die Suitensätze sind im Wechsel feierlich pompös und tänzerisch verspielt. Ein expressives und effektvolles Werk, das vom Pianisten Richard Fischer brillant in Szene gesetzt wurde.
Der Pianist und Organisator des Tonkünstlerkonzertes Markus Wenz stellte zwischen den diversen Saxophonvorträgen mehrere Sätze aus Erdmanns Zyklus „Apercus“ vor, die sich wunderbar in den Ablauf einpassten. Ein Highlight gleich zu Beginn des Abends war die Flötistin Isabelle Herold, die auf großer Flöte und Bassflöte Erdmanns „Lamento“ aufführte, eine Solokomposition, die der Komponist 1977 für den Flötisten Karl-Bernhard Sebon geschrieben hatte, der damals in der Flötenszene als einer der experimentierfreudigsten Spieler galt. Und so war auch dieses Lamento voller ungewöhnlicher Klänge, von Spaltklängen über mitklingende Summtöne bis hin zu Flatterzunge und Vibratostößen. Herold, die bei Gérard in Hannover studiert hat, sowie Meisterkurse bei Peter Lukas Graf und Aurèle Nicolet besuchte, konnte hier mit ihren vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten punkten. Ein überaus interessanter und lehrreicher Abend, der durch die Anwesenheit der Witwe des Komponisten, Frau Erdmann, eine besondere Ehrung erfuhr.