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50 Jahre Jugend musiziert: „In Hamburg ist das anders“
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Immerhin seit 2011 auch Songtitel eines Hamburger Pop-Musikers, zieht sich dieses geflügelte Wort durch viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens der Hansestadt. „In Hamburg ist das anders“ mag einem auch in den Sinn kommen, wenn man die Vergabekriterien des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (kurz: Bundesverdienstkreuz) er-googelt.

Immerhin seit 2011 auch Songtitel eines Hamburger Pop-Musikers, zieht sich dieses geflügelte Wort durch viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens der Hansestadt. „In Hamburg ist das anders“ mag einem auch in den Sinn kommen, wenn man die Vergabekriterien des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (kurz: Bundesverdienstkreuz) er-googelt. Alle deutschen Bundesländer haben zusätzlich ihre eigenen Orden zu vergeben – bis auf Hamburg und Bremen. Helmut Schmidt und Heidi Kabel haben die ihnen zugedachte Verleihung dieses Anerkennungs-Ordens zurückgewiesen. Der Hamburger tut sich schwer mit dem Annehmen, manchmal aber auch mit dem Ausgeben von Lob. Tradition und hanseatischer Stolz sind die eine Seite der Medaille. Und nicht genannt oder nicht angemessen gewürdigt zu werden bzw. es zu versäumen, verdiente Anerkennung auszusprechen, ist die andere Seite.

Hier soll versucht werden, einen angemessenen Rückblick auf 50 Jahre Jugend musiziert in Hamburg zu geben. 1963, als der Kassettenrekorder erfunden wurde und das Farbfernsehen auf den Markt kam, als die erste Boeing 727 startete und der NDR „Dinner for One – Der 90. Geburtstag“ aufzeichnete und in der ARD-Sendung „Guten Abend, Peter Frankenfeld“ zeigte, war auch das Jahr, in dem zu Ehren des bei einem Attentat getöteten amerikanischen Präsidenten die Neue Lombardsbrücke zwischen Binnen- und Außenalster in Kennedy-Brücke umbenannt wurde. In Hamburg verschwanden mehr und mehr die Trümmergrundstücke und viele neue Wohnungen wurden gebaut. Zum 2. Mal fand auf dem Gelände „Planten un Blomen“ und in den Wallanlagen die Internationale Gartenschau statt – eine nette Parallele zur diesjährigen „igs“, die im Sommer in Hamburg-Wilhelmsburg stattfindet und bei der Jugend musiziert Preisträger zum musikalischen Rahmenprogramm beitragen.

Im Zeitalter von Schreibmaschine und Tipp-Ex

Im März jenes Jahres 1963 traf in Hamburg ein Brief des Deutschen Musikrats ein, der beim Amt für Schul- und Jugendmusik anregte, Voraussetzungen für die Durchführung eines Wettbewerbs für die musizierende Jugend zu schaffen. Der Appell, dem eklatanten Bedarf an qualifizierten Nachwuchsmusikern in den Orchestern abzuhelfen, traf in der an Musikkultur reichen Stadt Hamburg auf offene Ohren. In der Behördlichen Dienststelle am Katharinenkirchhof klapperten daraufhin die Schreibmaschinen und bald auch erklangen Streich- und Blasinstrumente in den Räumen dieses Amtes, nachdem in sieben Regionalwettbewerben eine Auswahl der Teilnehmer für den Landeswettbewerb getroffen worden war. Sechs junge Hamburger Instrumentalisten konnten dann zum Bundeswettbewerb nach Berlin reisen, von denen fünf einen Bundespreis mit nach Hause nahmen. Leider brachten bisherige Recherchen keine Teilnehmerzahlen der Anfangsjahre zum Vorschein. In einer Festschrift zum 25-jährigen Bestehen des Hamburger Wettbewerbs werden 200 Teilnehmer auf Regional- und 116 auf Landesebene genannt. Ausgehend davon, dass sich die Teilnehmerzahl vom 1. Jugend musiziert Wettbewerb auf Regionalebene bundesweit bis zum Jahr 1988 in gleichmäßigem Zuwachs von 2.500 bis zu 9.625 beinahe vervierfacht und bis zu 21.778 Teilnehmern im Jahr 2012 weit mehr als verachtfacht hat, können wir von etwa 50 bzw. 28 Teilnehmern auf Regional- bzw. Landesebene im Gründungsjahr in Hamburg ausgehen.
Nicht zählbar sind und bleiben die Menschen, ihre Ideen und ihre Arbeitsstunden, die das Gelingen von Jugend musiziert in Hamburg möglich machten. Stetig zugenommen hat die Zahl der Förderer und Stifter, der Ehrenamtlichen, der Vertreter von Behörden und Verbänden, von Hamburger Orchestern, Musikalienhändlern, Instrumentenbauern, Firmen sowie Privatpersonen, die den musikalischen Nachwuchs bestmöglich im Rahmen dieses Wettbewerbs zu unterstützen nicht müde wurden. Auch Hamburger Schulen, in denen auf den Bereich musikalischer Bildung besonderer Wert gelegt wurde, brachten sich mit ein. So fanden die Landeswettbewerbe der 70er Jahre vorwiegend im Albert-Schweitzer-Gymnasium statt. Als der Platz nicht mehr ausreichte, wurde die Hamburger Musikhalle und Mitte der 80er Jahre schließlich die Musikhochschule zur Bühne für die Besten der Elbmetropole. Schließlich waren die organisatorischen Strukturen so etabliert, dass 1981 der Bundeswettbewerb in Hamburg stattfinden konnte und 2001 dann noch einmal.

Ständig mehr Teilnehmer und zunehmende Qualität

Dass mit den Teilnehmerzahlen auch die Qualität der dargebotenen musikalischen Leistungen stetig gestiegen ist, verdankte der Wettbewerb bald dem Fleiß und der Zielstrebigkeit der Schüler, dem Ehrgeiz und pädagogischen Geschick ihrer Lehrer, in Hamburg aber auch zusätzlichen Angeboten wie Kammermusikkursen und Auftrittsmöglichkeiten in zahlreichen Konzerten. Diese machten das Können der jungen Talente in größerem Maße publik, was wiederum eine verstärkte finanzielle Förderung durch die Stadt und weitere Sponsoren nach sich zog.
So stellt sich Jugend musiziert in Hamburg heute als ein äußerst lebendiger Begegnungswettbewerb dar. Besucher sehen Kinder und Jugendliche in gespannter Konzentration oder in fröhlichem Beieinander mit Gleichaltrigen, im „Sonntagsstaat“ oder ganz cool. Es gibt Momente von großem Glück und großer Freude, gelegentlich auch von Tränen und Enttäuschung. Viele machen immer wieder mit, selbst wenn sie mal eine enttäuschende Erfahrung einstecken mussten. Sie lieben die Herausforderung, sie ergreifen die Gelegenheit, mit anderen jungen Musikern gemeinsam zu proben und sich weiter zu entwickeln. Viele Kommentare von Erwachsenen, die früher bei Jugend musiziert mitgemacht haben, sprechen von Freude und Stolz und davon, dass sie für ihr Leben viel gelernt haben. Auch gerade diejenigen, die nicht Berufsmusiker geworden sind.

Grundlegendes Konzept wirkt als Sauerteig

Doch was ist nun anders in Hamburg? Anders ist gewiss die Situation von Hamburg als  einem Stadt-Staat. In einem Radius von etwa 35 km entsteht leicht das Phänomen des „Jeder-kennt-jeden“ in der Musikszene. Was andererseits nicht stimmt, da es eine solche Dichte von Musikern, Musikpädagogen und Kulturschaffenden, eine solche Fülle von Musikeinrichtungen gibt, dass es den persönlichen Radius eines Einzelnen überfordern dürfte, „alle“ zu kennen. Aber man trifft sich – bei Jugend musiziert. Man kennt sich als Kollegen an einer Musikschule oder an der Hochschule. Man kennt sich als Mitglied eines Verbandes oder des Landesmusikrats. Man hat schon gemeinsam Konzerte gegeben oder man unterrichtet die Kinder des Nachbarn. Das Konzept von Jugend musiziert, das von Anbeginn an die Einbeziehung der Verbände der Deutschen Musikschulen (VDM), der deutschen Schulmusiker (VdS), der Deutschen Tonkünstler (DTKV) und von Jeunesses Musicales Deutschland (JMD) vorsieht, wirkt sich dabei wie ein Sauerteig aus. Jetzt aktuell werden auch die Regionalausschüsse in Hamburg komplett mit Vertretern dieser Verbände besetzt. Und alle bringen sich ein – mit immer neuen und auch streitbaren Ideen und mit ganz viel Herzblut. Dass bei so viel Engagement, Ideenreichtum und Initiative neben Jugend musiziert noch weitere Jugendmusikwettbewerbe in Hamburg gewachsen sind, stört niemanden. Die Kinder und Jugendlichen nehmen, sofern sie es sich zumuten wollen, an allen Wettbewerben teil. Die Vielfalt auf engstem Raum ist fantastisch. Die Bemühungen um Koordination sind überwiegend erfreulich, manchmal vergeblich.

Ehrenamt adelt

Eine weitere Hamburgensie ist die gleichzeitige Existenz zweier Tonkünstlerverbände, DTKV und LTM. Bei einem Rückblick auf 50 Jahre Jugend musiziert in Hamburg darf das nicht ausgeblendet werden, weil Mitglieder beider Verbände sich wechselseitig für den Musikernachwuchs in verschiedenen Projekten engagieren. Jeder einzelnen Person gebührt dafür Dank.
Und Hamburg zeigt durchaus Dank für all das ehrenamtliche Engagement! Tatsächlich wurde vom Senat das Bundesverdienstkreuz für außergewöhnliche Beiträge zum Jugend musiziert Wettbewerb vergeben, und zwar an die heutige Ehrenvorsitzende des Landesausschusses, Christa Knauer: ihr Name bleibt für Generationen von Teilnehmern untrennbar mit vielen schönen Erinnerungen an über zwanzig Landeswettbewerbe, etliche Kammermusikkurse und Konzerte verbunden. Zum jährlich stattfindenden Senatsempfang am Tag des Ehrenamtes wurden auch Vertreter von Jugend musiziert in den Festsaal des Hamburger Rathauses eingeladen.
Um nun niemanden aus Unwissenheit oder aus Versehen nicht zu nennen, der ebenfalls im Laufe von 50 Regional- und Landeswettbewerben tatkräftig bei Jugend musiziert mitgewirkt hat, verzichtet dieser Rückblick auf die Nennung weiterer Namen. Wer will, darf sich durch diese Nicht-Nennung in alter hanseatischer Tradition „geadelt“ fühlen.

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