Die Besetzung Zither, Harfe und andere Saiten-Instrumente löst bei den meisten Zuhörern unweigerlich Assoziationen zur „Stubnmusi“ aus. Dass man für diese Besetzung auch ganz anders, nämlich experimentell, komponieren kann, bewies bereits ein Konzert vor einigen Jahren. Wollte man sich damals aber dezidiert von jeglichen alpenländischen Anmutungen absetzen, hat sich inzwischen offenbar ein sehr entspannter Umgang mit dem Thema durchgesetzt. Denn was im Einstein Kulturzentrum im Rahmen des Konzerts in der Reihe „Studio für neue Musik“ an Kompositionen aufgeführt wurde, war einerseits Tonkunst auf hohem Niveau und gleichzeitig ein schräg-humorvoller Abend.
Mit Marlis Neumann (Harfe), Johannes Öllinger (Gitarre), Martin Mallaun (Zither) und Dominik Luderschmid (Kontrabass) unter der musikalischen Leitung von Johannes X. Schachtner hatte sich ein Ensemble zusammengefunden, das in verschiedenen Besetzungen rein instrumental ebenso sensibel und präzise musizierte wie in der Begleitung der beiden Sängerinnen Sibylla Duffe und Florence Losseau. Letztere konnte gleich zu Beginn in Sandeep Baghwatis „Aichinger-Liedern“ mit ihrem klaren, warmen Mezzosopran überzeugen. In den fünf Liedern nach Texten von Ilse Aichinger stellt Baghwati die Gesangslinie klar in den Vordergrund. Erst nach und nach erspielen sich die Instrumente, die ad libitum eingesetzt werden können, ihren Part – von Mallaun und Luderschmid wunderbar umgesetzt. Kontrastierend zu Baghwatis eher lyrischer Komposition, gebärden sich Bernhard Weidners Lieder „Bächler und der Mond“ für Mezzo und Gitarre aufgeregt und drastisch – passend zu den Texten von Wolfgang Bächler, in denen der Lyriker teils brutale, teils krude, dann wieder überraschend zarte Bilder für das Thema Mond findet. Nach diesem Werk hatte Florence Losseau noch eine weitere Uraufführung im Repertoire: Den kleinen Liederzyklus „Wenn nicht, wer du“ von Kay Westermann. Schon der Titel deutet an, dass es in den „vier unsinnigen Liedern“ – so der Untertitel – nicht ganz ernst zugeht. Und tatsächlich scheint vielleicht Ringelnatz Pate gestanden zu haben bei den wichtigen und dann wieder nichtigen Themen, die in den Texten von Gerd Baumann verhandelt werden – von der Sängerin mit viel Spaß am Komischen und ausgezeichneter Textverständlichkeit vorgetragen.
Sibylla Duffes sang mit leichtem, beweglichen Sopran – unter anderem „Zwei Münchner Monodien“ nach Gedichten von Birgit Müller-Wieland, vom musikalischen Leiter Schachtner komponiert. Witzig und ausdrucksvoll erzählte sie die Geschichten vom „Olympiaberg“ und „Im Hirschgarten“, wobei sie sich bei letzterem selbst auf einem Maßkrug „instrumental“ begleitete. Ebenfalls typisch münchnerisch war die Komposition „Wenn ich einmal der Herrgott wär“ von Markus Lehmann-Horn nach einem Text von Karl Valentin. Die Musik beginnt recht gemütlich mit deutlichen „Stubnmusi“-Anklängen, wird dann zunehmend schräger und entwickelt sich hin zu einer beinahe bedrohlichen, chaotischen Endzeitstimmung – großartig musiziert von der Sängerin, der Harfenistin, dem Zitherspieler, Gitarristen und Kontrabassisten.
Stand in den meisten Werken der Gesang im Vordergrund, konnten bei „Fremde Heimkehr“ für Diskant-Zither, Gitarre und Harfe, eine Uraufführung von Georg Haider, die Instrumentalisten ihr hervorragendes Ensemblespiel unter Beweis stellen. Solistische und performative Qualitäten bewies außerdem Martin Mallaun in Alexander Strauchs Stück für Diskant-Zither mit dem rätselhaften Titel „Über die wahre Art ökonomischen Musizierens“, das durch die Mittel der Tonerzeugung – Schnalzen, Pfeifen und Singen des Musikers neben vielen Glissandi und Flageolett-Tönen – eines der experimentellsten Stücke des Abends war. Begeisterter Applaus von den vollbesetzten Zuschauerreihen.