Das 38. Tonkünstlerkonzert stellte eine der schillerndsten Persönlichkeiten der Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts in den Mittelpunkt: Alma Mahler-Werfel, Ehefrau so unterschiedlicher Männer wie Gustav Mahler und Franz Werfel und Vertraute vieler Künstler und Musiker ihrer Zeit.
So lag es nahe, ihr am Tag nach ihrem 50. Todestag in Form des Konzertprogramms, das von Markus Wenz wieder umsichtig zusammengestellt worden war, eine Referenz zu erweisen.
Den Anfang machten „Fünf Lieder“ von Alma Mahler, die sie vermutlich um 1900 komponierte. Verlegt wurden sie jedoch erst 1910, als sich nach Schicksalsschlägen und privaten Krisen das Verhältnis zu ihrem Mann Gustav dahingehend geändert hatte, dass er ihr nunmehr gestattete, eigene Werke zu veröffentlichen.
Es sind Werke mit zum Teil komplexer Satztechnik und einem am Melos orientierten Grundduktus, gepaart mit mutigen und über die Zeit hinausweisenden Ausdeutungen des gesungenen Wortes. Maieli Wenz stellte den Zyklus mit klarer Formgebung und deutlicher Artikulation vor, der zum Teil vollgriffige orchestrale Klaviersatz wurde von Markus Wenz mit transparenter Dynamik versehen und zum die Gesangsstimme einbettenden Dialogpartner geformt.
Als sie die „Fünf Lieder“ schrieb, war Alma Mahler Kompositionsschülerin Alexander Zemlinskys. Dessen „Walzer-Gesänge“ op. 6 entstanden etwa zur selben Zeit wie ihre „Fünf Lieder“. In diesen teils noch traditionellen harmonischen und satztechnischen Strukturen verpflichteten Miniaturen scheint zugleich schon sein Wille zur unbedingten und hochdifferenzierten Ausdrucksweise durch. Claudia Tesorino interpretierte die Gesänge farbig auf dem Saxophon, begleitet von Ulrich Paetzholdt am Klavier. Durch die fehlenden Worte konnte das Publikum den Texten, nunmehr instrumental vorgetragen, noch intensiver nachspüren. Von Alexander Zemlinsky stammte auch der nächste Programmbeitrag. Seine „Fünf Lieder“ op. 7, ebenfalls um die Jahrhundertwende entstanden, widmete er Alma Mahler. In ihnen vertonte er Texte von Morgenstern, Dehmel und anderen.
Angelika Weber sang und gestaltete den Zyklus mit einnehmender Ausdruckskraft, die immer die gestalterische Komponente der Kompositionen mit einbezog. Versiert stand ihr Martin Schneuing zur Seite, der die komplexen Klaviersätze im Geiste der partnerschaftlichen Gestaltung interpretierte.
Er blieb auch für den nächsten Programmpunkt der pianistische Duopartner. „Vier Lieder“ Alma Mahlers aus späterer Zeit, die 1915 beziehungsweise 1924 veröffentlicht wurden, sang Irene Kurka mit fein differenzierter Farbgebung, die auch bei Stellen expressionistischen Ausbruchs stets kultiviert über den Klaviersatz hinaus hörbar blieb.
Mit „Vier Rückert-Liedern“ von Gustav Mahler schloss sich der Kreis der ersten Programmhälfte. Die für Klavier und Orchester gesetzten Lieder überzeugen durch ihre Kunst der äußerst bewusst verknappten und reduzierten Materialbehandlung. Die Singstimme ist in ein Klanggewebe integriert, das sowohl kommentiert als auch eigene Farbigkeit vertritt. Jochen Großmann gelang es, die weit gespannten Bögen in den Saal hinein wirken zu lassen, Markus Wenz gestaltete sensibel und mit dem Mut zur sinnlich-leisen Klangformung die Klavierstimme und entließ das Publikum nach einem fast unhörbaren Schluss und einer sich anschließenden atemlosen Stille in die Pause.
Im zweiten Programmteil weitete sich der Kreis der Komponisten um Zeitgenossen Alma Mahlers. Zu Beginn eröffnete Valentine Buttard das Programm mit Leoš JanáčEks Klavierzyklus „Im Nebel“. Kreisende und melancholische Motive des Werkes und seine nach innen zielende, fragende Grundhaltung wurden von ihr plastisch wiedergegeben.
„Vier Lieder“ von Richard Strauss, dessen 150. Geburtstag im Jahr 2014 ebenfalls gewürdigt wurde, zeigten die Meisterschaft des Liedkomponisten. In-Ae Hyun, begleitet von Manfred Reuthe, sang die höchst anspruchsvollen Lieder mit großer Hingabe und einer stimmlichen Leichtigkeit. Insbesondere die Auswahl aus den „Brentano-Liedern“ op. 68 überzeugte durch klare Linienführung und geschmackvolle Gestaltung des Vokalparts, den Manfred Reuthe gekonnt ergänzte.
Mit Wolfgang Jacobis „Passacaglia und Fuge“ aus dem Jahr 1922 ging das Konzert zu Ende. Tatjana Blome gab dem Werk eine an barocke Architektur erinnernde Farbigkeit, die trotz ihrer formalen Strenge zu großem Ausdruck finden konnte.
Das zahlreich erschienene Publikum dankte den Interpreten mit anhaltendem Applaus.