Die gute Botschaft verkündete Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles gleich zu Beginn ihrer Rede in der „Zukunftswerkstatt Künstlersozialversicherung“: Das 2014 in Kraft getretene Gesetz zur Stabilisierung des Künstlersozialabgabesatzes, durch das die Prüfung der Unternehmen auf Künstlersozialabgabepflicht erheblich ausgeweitet wurde, hat im vergangenen Jahr Mehreinnahmen von rund 30 Millionen Euro erbracht. In der Folge sinkt die Künstlersozialabgabe für das Jahr 2017 von bisher 5,2 auf 4,8 Prozent.
Die Verordnung ist mittlerweile in Kraft getreten. Doch auch wenn die seit Jahrzehnten fragwürdige Abgabegerechtigkeit nun zumindest größtenteils umgesetzt ist und Früchte trägt– Anlass zum Jubeln bot das Programm der Zukunftswerkstatt Mitte Juni in der Bildhauerwerkstatt des Berufsverbandes Bildender Künstler in Berlin keineswegs: Auf der Agenda standen die Herausforderungen, die ein zunehmend globalisierter und digitalisierter Markt an die Künstlersozialversicherung und ihr Finanzierungsmodell stellt.
„Die Kultur- und Kreativwirtschaft und der digitale Wandel“, „Hybride Erwerbsbiografien im Kulturbetrieb“, „Der digitale Wandel in der Musikund Verlagsbranche“: Spätestens bei der Lektüre des Programms war klar, dass die dicht gestrickte Tagesordnung der Zukunftswerkstatt keinen Platz für eine Erörterung der Themenfelder lassen würde, die der DTKV im Vorfeld angeregt hatte: vor allem die Frage nach einer Finanzierung für Fortbildungs- und Anpassungsqualifizierungsmaßnahmen, die gerade in der Kulturbranche von großem Nutzen für alle Beteiligten wären.
Urheberrechte zum Nulltarif
Denn auch hinter diesen Überlegungen steht die Frage, die der Auslöser für die Zukunftswerkstatt gewesen war: Wie können freiberufliche Künstler ein so noch zu nennendes Einkommen erwirtschaften und ihre Rente sichern, wenn deren auskömmliche Finanzierung für die meisten KSK-Versicherten über die geringen gesetzlichen Beiträge ohnehin kaum zu leisten ist? Der sich verändernde Markt erfordert nicht nur ein in vielen Fällen verändertes Berufsbild, sondern auch angepasste Geschäftsmodelle und damit entsprechend erweitertes Fachwissen. Erinnert sei an Bilder, Filme, Texte und Musiktitel, die im Netz kostenlos oder für geringe Beträge angesehen oder -gehört, heruntergeladen oder gestreamt werden. Gerhard Pfennig, einer der beiden Vorsitzenden des Beirats der Künstlersozialkasse und Sprecher der Initiative Urheberrecht, brachte es denn auch gleich in der ersten Gesprächsrunde auf den Punkt: „Diese Plattformen schaffen auch Möglichkeiten dafür, dass Urheberrechte angeeignet werden, ohne dass die Urheber Geld dafür bekommen.“ Die von den Verbänden im Vorfeld eingereichten Vorschläge schafften es immerhin, auf Zitate verkürzt, per Beamer an die Wand hinter den Rednern und Podiumsteilnehmern. Ansonsten handelte es sich bei der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) einberufenen und gestalteten Zukunftswerkstatt vor allem um ein Branchentreffen, bei dem die allfälligen Fragen eher global abgehandelt wurden. Erfreulich war allerdings, welch stringenten Überblick Irene Bertschek vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung über die aktuelle Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft unter den Vorzeichen der Digitalisierung zum Einstieg lieferte. Selbst wenn manche, die einen eher traditionellen Künstlerbegriff pflegen, sich nicht zur Kultur- und Kreativwirtschaft zählen würden, zu der ja auch die Designwirtschaft oder die Software- und Games-Industrie zählen – sie gehören einem Markt an, dessen Performance, wie zu hören war, wachsende Wertschöpfung generiert, von zuletzt 68 Milliarden brutto im Jahr war die Rede. Allerdings, auch das ergab das Impulsreferat, ist laut Erhebung unter den selbständigen Kreativen und den Kleinstunternehmen der Branche die Zufriedenheit mit dem Einkommen, der Absicherung im Krankheitsfall und insbesondere mit der Rente besonders gering. Eine Auskunft, die nicht weiter erstaunte.
Herausforderung für die Sozialversicherung
Staatsministerin Monika Grütters dagegen beschwor zwar den Wert der freien Kunst als Korrektiv der Gesellschaft und versicherte die Künstlersozialversicherung ihrer Unterstützung, verschwieg aber nicht, vor welchen Problemen das umlagefinanzierte System der Künstlersozialversicherung steht, wenn herkömmliche Verwertungswege durch digitale Selbstvermarktung ausgehebelt werden können. Wobei gerade für viele junge Musiker die Möglichkeiten, die das Netz bietet, entscheidend von Hilfe sein können: Sie haben sich daran gewöhnt, über soziale Netzwerke in Kontakt mit ihrem Publikum zu treten und für sich zu werben.
Auch wenn die Zukunftswerkstatt Künstlersozialversicherung mit ihren vielen Programmpunkten den Anschein erweckte, zu einer rein frontalen Angelegenheit zu geraten, ließen die Podiumsgespräche immerhin Raum für Fragen und grundsätzliche Erörterungen rund um das Thema Künstlersozialversicherung aus den Reihen der rund hundert Verbandsvertreter. Diskutiert wurden Patchwork-Biographien wie der Abgrenzungskatalog zwischen selbständiger und abhängiger Beschäftigung, die Verringerung des bürokratischen Aufwand bei der Meldung abgabepflichtiger Entgelte wie die Vermeidung von Abgabepflicht bei Zahlung an GmbHen – Grund für so manchen Auftraggeber etwa in der Kommunikationsdesignbranche, den selbständig für ihn Tätigen die Gründung einer GmbH nahezulegen. Und immer wieder wurde die Forderung nach einer Erhöhung des Bundeszuschusses laut, der die Stabilität des Abgabesatzes weiter gewährleisten soll.
Dies die Eindrücke eines Tages, von dem Staatssekretärin Lösekrug-Möller abschließend sagte, dass er mehr Fragen als Antworten hinterlassen habe. Denn die künstlerischen Branchen stehen vor der großen und schwierig zu beantwortenden Frage, wie sich ihre Angebote und Leistungen im Netz refinanzieren lassen – das sichert nicht nur den Lebensunterhalt der Urheber, sondern auch das System der Künstlersozialversicherung. Grund genug für Künstlerinnen und Künstler, sich für die Anforderungen des digitalen Marktes zu wappnen – etwa auf dem Weg einer qualifizierten Fort- und Weiterbildung.