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Früchte des kulturellen Austausches

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Der Blick über den Zaun: Deutsche Festspiele in Indien
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Der deutsch-indische Kulturaustausch hat eigentlich eine 500-jährige Tradition. Erneuert wurde diese Tradition im Jahr 1988 anlässlich eines Besuches des damaligen indischen Ministerpräsidenten Rajiv Gandhi bei Helmut Kohl in Bonn, in dem ein bilaterales Abkommen beschlossen wurde, das Kulturfestivals im jeweils fremden Land vorsah, um damit eine Brücke zwischen Indien und Deutschland zu schaffen. Darauf basierend fand im Winter 1991/92 das Indische Festival in Deutschland statt, die Deutschen Festspiele in Indien wurden fast zehn Jahre später vom September 2000 bis zum April 2001 durchgeführt. Die Ziele dieser Festspiele waren sehr hoch gesteckt und man versuchte – vielleicht auch unter dem Aspekt deutscher Gründlichkeit – fünf wesentliche Leitgedanken zu realisieren.

Der deutsch-indische Kulturaustausch hat eigentlich eine 500-jährige Tradition. Erneuert wurde diese Tradition im Jahr 1988 anlässlich eines Besuches des damaligen indischen Ministerpräsidenten Rajiv Gandhi bei Helmut Kohl in Bonn, in dem ein bilaterales Abkommen beschlossen wurde, das Kulturfestivals im jeweils fremden Land vorsah, um damit eine Brücke zwischen Indien und Deutschland zu schaffen. Darauf basierend fand im Winter 1991/92 das Indische Festival in Deutschland statt, die Deutschen Festspiele in Indien wurden fast zehn Jahre später vom September 2000 bis zum April 2001 durchgeführt. Die Ziele dieser Festspiele waren sehr hoch gesteckt und man versuchte – vielleicht auch unter dem Aspekt deutscher Gründlichkeit – fünf wesentliche Leitgedanken zu realisieren.
  • Die Festspiele sollten nicht ausschließlich auf die Meta-Metropolen Neu Delhi, Mumbai und Calcutta konzentriert sein. Dies hatte zur Folge – wenn auch zum Teil unter schwierigsten Umständen –, dass es 28 Austragungsorte verstreut über ganz Indien gab.
  • Man wollte den „Durchschnittsbürger“ erreichen – im Idealfall hieß dies, wenigstens einen Großteil der sprachlich, ethnisch und religiös sehr vielfältigen Bevölkerung Indiens anzusprechen.
  • Ein besonderes Augenmerk lag auf der konkreten Programmgestaltung der Festspiele, die in Indien die Vielfalt deutschen kulturellen Schaffens aufzeigen sollten. So konnte man im Bereich Tanz vom „klassischen“ Ballett (Bayerisches Staatsballett) bis hin zu modernem Ausdruckstanz verschiedenste Schattierungen dieses Genres finden. Im Bereich Theater wurden sieben „Companies“ vorgestellt, unter anderem das Berliner Ensemble mit Brecht, die Bremer Shakespeare Company, das „Theater der Klänge“ oder „figura theater tübingen“. Auch der Bereich Musik zeigte eine große Bandbreite musikalischen Schaffens in Deutschland – angefangen von Werken der deutschen Klassik und Romantik über Jazz/Rock bis hin zu „Leckerbissen“ mit Weltmusik aus Bayern mit einem Hackbrett-/Gitarrenduo. Im Bereich Kunst dokumentierte eine Wanderausstellung mit Künstlern wie Joseph Beuys, Gerhard Richter, Georg Baselitz oder Rebecca Horn Höhepunkte der Malerei des 20. Jahrhunderts. Daneben gab es eine Ornament- und Figurenausstellung mit dem Thema „Mittelalterliche Kunst“ sowie eine Ausstellung „Zeitgenössische Keramik, Glas, Textil und Juwelen“. Auch die Städteplanung wurde berücksichtigt in Form von zwei Fotoausstellungen über die Entwicklung Berlins und Weimars. Da gerade das Kino in Indien einen besonderen Stellenwert in der Gesellschaft einnimmt, bemühte man sich, einen Querschnitt deutscher Kinokultur vorzustellen. Es liefen Filme wie „Lola rennt“, „Kaspar Hauser“ oder „Buena Vista Social Club“. Besonders attraktiv war im Bereich Literatur die Präsentation des ersten „Hindu-German Dictionary“, mit Sicherheit ein Meilenstein in der deutsch-indischen Völkerverständigung. Auch die Sparte „Entertainment“ mit Auftritten des Clowns Shiven oder Ingo von Wilkes wurde nicht vergessen. Schon aus den genannten Beispielen geht hervor, dass
  • großer Wert darauf gelegt wurde, deutsche Kultur in überdurchschnittlicher Qualität in Indien zu präsentieren und vor allen Dingen, dass die auftretenden Künstler einen hohen Grad an Popularität in Deutschland in Anspruch nehmen können. Ein
  • Ziel war, statt „Kulturexport“ einen „Kulturaustausch“ zu schaffen, um Kommunikation und gegenseitiges völkerverbindendes Verständnis zu erreichen.
  • Daher schenkte man Programmen, die sich in Form von Workshops, Diskussionsrunden oder interkulturellen Meetings mit der Pflege der deutsch-indischen kulturellen Beziehung beschäftigen, besondere Beachtung. Vor allem wollte man die Jugend in besonderem Maße mit in die Festspiele einbeziehen, etwa in der Förderung von Filmstudenten durch einen länderübergreifenden Studienaustausch, im Rahmen des Wettbewerbs „Jugend forscht“ oder auch in einem Internet-Quiz „Information on Germany and India“. Dies sind allerdings nur einige wenige Beispiele aus den zahlreichen, die deutschen Festspiele begleitenden Exchange-Programmen und Zusatzangeboten.

    Insgesamt fanden im Zeitraum von September 2000 bis April 2001 zirka 240 Veranstaltungen in 28 indischen Städten statt. Dass dies einen „Kraftakt“ an Organisation darstellte, liegt auf der Hand, ganz zu schweigen von der Finanzierung, die sich im Wesentlichen auf drei Pfeiler stützte: die Bundesrepublik Deutschland in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut, die zu diesem Projekt zwei Millionen Euro außerordentlicher Haushaltsmittel zur Verfügung stellte, deutsche Industrieunternehmen (im Übrigen die größten ausländischen Investoren in Indien), die die Festspiele mit 650.000 Euro unterstützten, und die Republik Indien mit rund 2,5 Millionen Euro. Allerdings tauchten auf Grund dieser Mischfinanzierung immer wieder Kompetenz- oder „Definitionsprobleme“ auf, so dass bei Mitwirkenden teilweise Irritationen bezüglich Kostenübernahmen hervorgerufen wurden, die zur Demotivierung oder sogar zum „Arbeitsstopp“ führten.

    Die künstlerische Resonanz war jedoch überwältigend, ebenso die Früchte des kulturellen Austausches zwischen zwei so unterschiedlichen Nationen wie Indien und Deutschland. Umso bedauerlicher ist es, dass es laut Information des Goethe-Instituts derartige spartenübergreifende und flächendeckende Deutsche Festivals im internationalen Umfeld langfristig nicht mehr geben wird, da sowohl der organisatorische wie auch der finanzielle Aufwand zu hoch sind.

    Weitere Infos unter http://www.goethe.de, oder: Goethe-Institut München (Hrsg.), German Festival in India 2000–2001.

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