In der nmz 7-8/2019, S. 41 war bereits ein Bericht über das Musikmentorenprogramm in Hessen zu lesen. Hier folgt ergänzend der Bericht eines Teilnehmers der ersten Pilotstaffel 2018/19.
Das Programm „Musikmentoren für Hessen“ (2018/19) zur Förderung der musikalischen Begabung und des Engagements im Ehrenamt, welches an fünf Wochenenden in der Landesmusikakademie in Schlitz stattfand, erweiterte mein musikalisches Wissen in über 20 verschiedenen Disziplinen enorm. Was mich rückblickend betrachtet weiterbrachte, war der ungefilterte Blick hinter das Dirigentenpult, hinein in die stille Vorbereitungsarbeit des Ensembleleiters. Ich als jemand, der als Chorsänger und Orchestermitglied in der Probe nur das erarbeitete Konzept des Dirigenten vorgetragen bekommt, bekam Einblicke in die musiktheoretische Analyse der Stücke, wie ich es sonst nur aus dem privaten Einzelunterricht gewohnt war. Zunächst erkannte ich also, dass der Leiter eines Ensembles sich vergleichsweise wie ein guter Arzt zu verhalten hat: zwar mit großem theoretischen Knowhow bestückt, aber in seiner Arbeit fokussiert, eindeutig und nie belehrend.
Das Musizieren in der Freizeit lebt davon, dass sich Musiker mit unterschiedlichen Niveaus und Anforderungen die Hände reichen. Unter uns waren Mitglieder des Landesjugendorchesters, Teilnehmer von „Jugend musiziert“ und Musiker ohne Wettbewerbserfahrung. Mich beeindruckte jedes Wochenende erneut unsere regelrecht gebündelte Leidenschaft am Musikmachen.
Einen besonderen Nachhall hatten für mich der Umgang mit der Stimmgabel und die damit einhergehende Hörschulung bezüglich Intonation und Intervallen. Ich erkannte recht schnell, dass so ziemlich alle Alltagsgeräusche aus einem oder mehreren Tönen bestehen, die sich dann theoretisch auch noch, je nach Lust und Laune, transkribieren ließen. Von dem Summen des Fahrradreifenprofils auf dem Asphalt, über akustische Signale des Computers, bis hin zur normalen Sprechstimme – in so manchem Geräusch steckt mehr harmonische Vielfalt als in einem Rap-Beat. Und wenn ich dann noch fest im Alltag integrierte Referenztöne habe, wie die Fahrradklingel oder den immer selben Anfangston des Pausengongs, kann man auf musikalisch verrückte Ideen kommen. Passend dazu gefiel mir die Einheit „Neue Musik“, wo wir uns an Hans Werner Henzes „El Cimarrón“ herantasteten. Wenn ich mir die Einführung in die Gregorianik ins Gedächtnis rufe, blicke ich inspiriert auf das Lesen und Zurechtfinden in unterschiedlichen Notationsformen zurück.
Viel hinzulernen konnte ich als Chorsänger ohne Gesangsunterricht an den sehr detaillierten Übungen für das Aufwärmen der Stimme und an den personalisierten Warm-ups, die wir Musikmentoren selbst erstellten und mit der Gruppe durchführten. Die Seminare über Licht- und Tontechnik sowie über Homerecording führten mich in neue Bereiche, wofür ich mich nur bedanken kann. Auch den Entstehungsprozess eines Konzertes konnte ich in den Bereichen Probenplanung, Durchführung der Proben, Finanzplanung und der Gestaltung eines Werbeplakates miterleben.
Ich kann die Ausbildung jedem jungen Menschen zwischen 15 und 19 Jahren empfehlen, der noch mehr Zeit in seine musikalische Ausbildung investieren will und sein Wissen und seine erlernten Fähigkeiten mit anderen gerne teilt. Durch die Teilnahme erlangt man einen reichhaltigen Überblick über das Berufsfeld Musik und erweitert mit viel Freude seinen Horizont.“
Carlo Brüggemann (*2002) ist Schüler der Musikschule Friedberg e.V. und der Oberstufe am Burggymnasium Friedberg. Er singt seit 2007 im Chor, seit 2008 spielt er Klavier und seit 2014 Tenorsaxophon. Auf der Bühne stand Brüggemann bisher mit Gesangsensemble, Chor, Blasorchester, Big Band, Klavierquintett oder als Solist.