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Gefährdung der kulturellen Vielfalt

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Streaming-Phänomene und Vergütungsänderungen bei Spotify
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Kurz vor Jahresbeginn 2024 veröffentlichte Spotify einige Änderungen in den Richtlinien und im Bezahlmodell: Der monatliche Abonnement-Betrag steigt, die Vergütungen sinken enorm. Für Neukunden und -kundinnen bedeutet das, dass sie für den gewöhnlichen Premium-Zugang „Individual“ oder „Student“ einen Euro mehr zahlen, für die Abo-Formate „Duo“ und „Family“ steigen die Gebühren sogar um zwei beziehungsweise drei Euro. Aufgrund des gestiegenen Monatsbeitrags wäre anzunehmen, dass sich die Zahlungen an Künstler und Künstlerinnen erhöhen. Entgegen dieser Annahme bringen allerdings die neuen Vergütungsänderungen für diese – insbesondere für Newcomer*innen der Musikbranche – Defizite mit sich. Wer also von den Musikstreaming-Abonnements am meisten profitiert, ist in diesem Fall ohne Weiteres ersichtlich.

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Streamingdienste – Individuelle Nutzbarkeit und „freier“ Zugang zur Musik

Spotify, Deezer, Apple Music, Amazon Music, YouTube Music sowie SoundCloud gehören zu den weltweit am häufigsten genutzten digitalen Audio-Streamingdiensten. Mithilfe eines Premium-Upgrades, das gegen Zahlung eines monatlichen Abonnement-Betrags bereitgestellt wird, kann auf eine große Sammlung verschiedener Songs, Podcasts und Audio-Hörbücher beispielsweise über Apps auf digitalen Endgeräten unbegrenzt zugegriffen werden. Streamingdienste dienen nicht nur dem Zweck des Musikhörens: Für viele Musikerinnen und Musiker sowie Produzentinnen und Produzenten wird durch diese Plattformen die Möglichkeit der Veröffentlichung eigener Audiostreams (teilweise auch Videostreams) auf eigenen Channels geboten. Spotify erreichte 2023 die bisher höchste jährliche Nutzer*innenanzahl in Höhe von etwa 515 Millionen – für angehende Künstler*innen existiert ein breites Publikum an Hörer*innen, dem man einen Zugriff auf eigene Musikproduktionen bieten und somit sich selbst und die eigene Musik vermarkten kann. Wie sieht es jedoch mit der Vergütung aus?

Streaming-Gelder über das „Pro-Rata-Abrechnungsmodell“

Die Bezahlung der Künstler*innen aus Streaming-Geldern hängt dabei seit mehreren Jahren von der Gesamtanzahl der Klicks und Streams ab – ein Geschäftsmodell, das seit längerem in der Kritik steht, insbesondere aufgrund der Intransparenz in der Verteilung der Gelder an die verschiedenen Artists. Dieses Vergütungsmodell, das von großen Streaming-Diensten wie Spotify, Amazon oder Apple am häufigsten genutzt wird, nennt sich „Pro-Rata-Abrechnungsmodell“: Die monatlichen Abonnementgebühren der Nutzer*innen landen dabei zunächst in einem Ländertopf, aus dem die Gelder anschließend auf die verschiedenen Beteiligten – den Streaming-Anbieter, die Verwertungsgesellschaften und die Labels beziehungsweise freischaffenden Künstler*innen – aufgeteilt werden. Angaben des ZDF zufolge behielte Spotify als Streaming-Anbieter ein Drittel des Gewinns, mehr als die Hälfte gehe an die Labels für Vermarktung, Werbung, Auftritte sowie die Bezahlung der Künstler*innen und Produktion von CDs. 

Vergütung bei Spotify: Umfassende Änderungen des Spotify-Abrechnungsmodells

Auch die bisherigen Vergütungen für Musiker*innen bei Spotify erwiesen sich als inadäquat. Durchschnittlich gab es im Jahr 2022 pro Klick – und zusätzlich gebunden an eine bestimmte Mindestlaufzeit des Streams – etwa 0,3 Cent – bei 1000 Streams ergäbe das etwa drei Euro. Ab Anfang 2024 ändern sich die Richtlinien nun jedoch drastisch: Tracks müssen innerhalb von zwölf Monaten mindestens 1000 Streams erreicht haben, um Tantiemen in Höhe von etwa 0,3 Cent zu generieren. Auf der Website „Spotify for Artists” wird diese Änderung des Abrechnungsmodells folgendermaßen begründet: „It’s more impactful for these tens of millions of dollars per year to increase payments to those most dependent on streaming revenue — rather than being spread out in tiny payments that typically don’t even reach an artist (as they do not surpass distributors’ minimum payout thresholds).“ Von den 100 Millionen enthaltenen Titeln auf Spotify gäbe es Dutzende Millionen Songs, die im vergangenen Jahr weniger als 1000 Mal gestreamt worden seien, die einen monatlichen Gewinn von etwa 0,03 US-Dollar eingebracht hätten. Da einerseits Labels und Vertriebe einen Mindestbetrag für die Abhebung verlangten und andererseits bei Banken Gebühren für Transaktionen erhoben würden, gingen Auszahlungen kleindotierter Beträge durch das bisherige Zahlungsmodell im System verloren. Diese nicht durchgeführten Zahlungen summierten sich auf 40 Millionen Dollar pro Jahr, mit welchen die Zahlungen an Künstler*innen, die am meis­ten von den Streaming-Einnahmen abhängig seien, nun erhöht werden könnten. Dem wird beigefügt, dass Spotify mit diesem Modell kein zusätzliches Geld verdiene – Ziel dabei sei, die Zahlungen an alle Inhaber*innen „berechtigter“ Titel zu erhöhen. Diese Richtlinienänderungen werden auf „Spotify for Artists“ unter dem Titel „Modernizing Our Royalty System to Drive an Additional $1 Billion toward Emerging and Professional Artists“ zusammengefasst – hierbei wird die Thematik des Artificial Streaming ebenfalls behandelt: Spotify beschreibt hier die negativen Auswirkungen von Artificial Streaming auf die Verteilung der Tantiemen und nimmt sich vor, anhand einer verbesserten Technologie zur Erkennung von KI-erzeugten Tracks solche zu verhindern und aus der Zählung zu beseitigen. 

Problematik und Kritik der Vergütungsänderungen

Der Name „Spotify“ leitet sich aus der Zusammensetzung zweier englischen Begriffe heraus: „to spot“ und „to identify“ – diese sind mit Entdecken und Identifizieren zu übersetzen. Als eine weltweit insbesondere von jungen Hörer*innen und Künstler*innen genutzte Plattform unterstützt sie durch das Angebot bunter und vielfältiger Audiotracks eine gewisse Möglichkeit der Persönlichkeitsidentifikation innerhalb und außerhalb des eigenen Musikgeschmacks und wird somit zu einem Ort des Entdeckens von neuen Musikwerken und Musiker*innen. Zugleich wird es als Ort des Entdeckt-Werdens genutzt: Spotify schreibt in seinen Plattformregeln, dass es sich zum Ziel gesetzt habe, „das Potenzial menschlicher Kreativität freizusetzen“, indem sie „Millionen von genialen Künstler*innen die Chance geben, von ihrer Kunst zu leben. Gleichzeitig erhalten Milliarden von Fans die Gelegenheit, diese Kunst zu genießen und sich davon inspirieren zu lassen.“ Die Vergütungsänderung steht im diametralen Gegensatz zu der oben genannten Aussage, dass allen Künstler*innen eine Chance geboten werde, von „ihrer Kunst zu leben“. Nicht nur die Einnahmequelle wird durch die eingesetzten Änderungen für viele Künstler*innen und Musiker*innen entzogen, ihre Musik wird gewissermaßen „entwertet“, wenn ihre Wertigkeit bzw. Wertschätzung als Künstler*in auf die Klickanzahl reduziert wird. Des Weiteren ist die Umverteilung des eingenommenen Geldes als problematisch anzusehen, das nun hauptsächlich auf die am häufigsten gehörten, weltbekannten Künstler*innen entfällt. „Pro Musik – Verband freier Musikschaffender“ äußert sich hierzu, dass „die Erträge aller Songs, die diese Schwellen nicht erreichen, […] dann an die Künstler*innen verteilt [werden], die nach den Kriterien des Streamingdienstes Anspruch auf Vergütung haben“ – vorteilhaft für Major Labels und ihre im Vertrag stehenden Artists, dennoch kein nutzerorientiertes bzw. -zentriertes Auszahlungssystem. Auch weitere Streamingdienste planen Änderungen. Beispielsweise sei in Planung, dass Apple Music Musiker*innen, die ihre Songs in Dolby Atmos – das bedeutet, in entsprechend hoher Klangqualität – aufnehmen, eine höhere Vergütung auszahlen möchten. Die kulturelle Vielfalt sowie die Möglichkeiten der Verbreitung eigener Musik, der Selbstverwirklichung und -vermarktung werden folglich aus mehreren Gründen gefährdet. 

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Ein Smartphone mit geöffneter Spotfiy-App. Die App zeigt mehrere Kacheln zum weiteren stöbern durch das Angebot, eine davon heißt: "Nur auf Spotify"

„Nur auf Spotify“: Von Spotify generierte Playlists – sortiert nach Genre und Kategorien. Foto: Hye Min Lee

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Der Deutsche Tonkünstlerverband fordert Spotify auf, die geplanten Vergütungsänderungen nicht umzusetzen

Der Deutsche Tonkünstlerverband als ältester und größter Berufsverband für Musiker*innen ist mit rund 9.000 Mitgliedern in 15 Landesverbänden sowie zahlreichen Regional-, Bezirks- und Ortsverbänden bundesweit organisiert und ist die Standesvertretung für Musikberufe wie Interpret*innen, Komponist*innen, Musikpädagog*innen. In der Pressemitteilung des DTKV vom 21. Dezember 2023 forderte der Deutsche Tonkünstlerverband Spotify auf, die geplanten Vergütungsänderungen nicht umzusetzen, die gerade diejenigen in der Musikbranche treffen, deren Existenz bereits durch zu geringe Honorare gefährdet seien. Der Verband kritisiert zudem, dass die eingespielten Gelder der „Nichtanspruchsberechtigten“ an die nach diesem System „Anspruchsberechtigten“ weitergegeben werden. Hierzu äußerte sich Prof. Christian Höppner, Präsident des Deutschen Tonkünstlerverbandes: „Spotify leistet mit seinem geplanten Vergütungsmodell dem Mainstream Vorschub und gefährdet damit die Kulturelle Vielfalt. Neues wagen, Newcomern eine Startrampe bieten, gehört offenbar nicht zur Firmenphilosophie von Spotify.“ Der DTKV unterstützt die Forderungen von „Pro Musik – Verband freier Musikschaffender“, der die Petition zum Stopp der Vergütungsänderung initiiert hat. Das Statement von Pro Musik zu angekündigten Vergütungsänderungen bei Spotify wird des Weiteren von Verbänden wie der Deutschen Jazzunion, dem Deutschen Komponistenverband und dem Bundesverband Popularmusik sowie von Künstler*innen wie Max Mutzke, Antje Schomaker und Eddi Hüneke (ehemaliges Mitglied der Wise Guys) mitgezeichnet. Die Petition startete am 5. Dezember 2023. Es besteht weiterhin die Möglichkeit, die Petition zu unterschreiben. 

Unter der folgenden URL von Change.org sind weitere Informationen zum Statement sowie die Petition von Pro Musik – Verband freier Musikschaffender zu finden: 
http://bit.ly/petition-spotify

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