Alfred Stenger sprach mit Gerhard Schroth anlässlich seines 80. Geburtstags
neue musikzeitung: Wenn man sich mit deiner Vita beschäftigt, entsteht der Eindruck künstlerischer Vielseitigkeit. Würdest du sagen, dass dies dein Lebensthema ist? Sie ist eine optimale Basis für unterschiedliche Tätigkeiten.
Gerhard Schroth: Ich habe es immer so verstanden, dass sich die Aspekte meiner Vielseitigkeit einander befruchten: Schreiben, Lehren und Musik machen haben mich ein Leben lang begleitet - ich bin neugierig geblieben, erlebe immer wieder Überraschungen.
nmz: Inwiefern kommt dir deine Vielseitigkeit als Musikkritiker entgegen?
Stenger: Dies bedeutet: Musik hören und sich darüber Gedanken machen. Der Fokus liegt auf der Klassik und er reicht bis zur Gegenwart. Prinzipiell habe ich vor Musikern, die sich live präsentieren, große Achtung, ist mir doch diese Situation aus eigener Erfahrung vertraut.
nmz: Was hat sich für dich im Kulturleben verändert?
Schroth: Die Musikkultur wandelt sich, aber wird nicht untergehen. Es ist keinesfalls so, dass die Popmusik die Klassik unterdrückt. Nicht nur in Musikschulen, auch im Privatunterricht ist das Interesse an klassischer Musik weiterhin groß. Den gängigen Kassandrarufen stimme ich nicht zu. Positiv ist auch, dass die musikalischen Leistungen von Kindern und Jugendlichen gestiegen sind. Meine Erfahrungen als Juror bei Jugend Musiziert bestätigen das auf allen Ebenen. Generell beobachte ich eine größere Unbefangenheit in der Herangehensweise an die Musik.
nmz: Du hältst unter anderem Einführungsvorträge für Konzerte der Chopin-Gesellschaft in Oberursel.
Schroth: Hier habe ich viel Zeit, das Publikum auf Besonderheiten des Programms aufmerksam zu machen.
nmz: Was würdest du jungen Leuten raten, die erwägen, Musik zu studieren?
Schroth: Musik zu studieren, ist sehr spezifisch, kaum mit etwas anderem vergleichbar. Es ist ratsam, sich früh darüber klar zu werden, ob man Musik als Hobby betreiben oder als Beruf ausüben möchte. Wer diesen wählt, sollte früh Kontakte mit Musikern knüpfen, Konzertveranstalter auf Auftrittsmöglichkeiten ansprechen oder Ensembles gründen. Musik als Beruf ist ein Glück, aber eines, das erkämpft werden will. Ich wünsche mir, dass mir das Glück im Umgang mit Musik so lange wie möglich erhalten bleibt.