„Ich finde die Idee der #patenschaftaufohrenhöhe, Musikhochschulen und Musikschulen zu verknüpfen und dadurch die Nähe zwischen Musikschüler:innen und Studierenden herzustellen, hervorragend. Hiervon profitieren beide Seiten. Denn Studierende kommen so näher an die Praxis und Schülerinnen und Schüler erhalten einen Eindruck, wie großartig ein Musikstudium sein kann.“
Antje Valentin, Generalsekretärin des Deutschen Musikrates
Generationen- und institutionsübergreifend
Patenschaft zur nachhaltigen institutions- und generationsübergreifenden Zusammenarbeit auf Ohrenhöhe zur Nachwuchs- und Talentförderung …made in NRW! Ein Gespräch zwischen der Mitinitiatorin Judith Lenz und Uwe Schwalbach, stellv. Vorsitzender DTKV Bezirksverband Düsseldorf/Mettmann.
Als Kompetenzzentren für musikalische Ausbildung, sowie Nachwuchs- und Talentförderung verfolgen die beiden Institutionen Musikhochschule und Musikschule auf Landesebene und im kommunalen Kontext gemeinsame Ziele.
Vielerorts wird überlegt, wie man dem zukünftigen Mangel an Musiklehrkräften begegnen kann. Das Thema „Nachwuchsförderung“ gewinnt deshalb für den Beruf des Instrumental- und Gesangspädagogen dramatisch an Bedeutung und Dringlichkeit.
Judith Lenz hat, nach über 20-jähriger Mitgliedschaft, im Mai dieses Jahres den Vorsitz des DTKV Bezirksverbandes Düsseldorf/Mettmann nach langjährigem Wirken Udo Falkners übernommen. Sie ist Fachbereichsleiterin Tasteninstrumente und Beauftragte für Nachwuchs- und Talentförderung/SVA der Johann Wilhelm Wilms Musikschule der Stadt Leichlingen und Elternbeirätin im Jungstudierendeninstitut der HfM Detmold, in dem ihr Sohn Jungstudierender ist. Hierdurch kam sie in regen Austausch mit Studiengangsleiter Prof. Piotr Oczkowski über die Situation in der aktuellen Musikpädagogiklandschaft. Über die Zeit entstand die Idee einer verzahnten Zusammenarbeit zwischen den drei Institutionen Detmolder Jungstudierendeninstitut (DJI) unter der Leitung von Prof. Piotr Oczkowski, der Johann Wilhelm Wilms Musikschule Leichlingen (VdM) unter der Leitung von Maximilian Zelzner und der Städtischen Musikschule Hamm (VdM) unter der Leitung von Matthias Brakel. Im Juni dieses Jahres unterzeichneten diese eine gemeinsame Vereinbarung.
Uwe Schwalbach: Wie kam es zur Vernetzungsoffensive NRW #patenschaftaufohrenhöhe?
Judith Lenz: In meiner Funktion als Elternbeirätin für das Jungstudierendeninstitut in Detmold war ich an der Gründung einer Kooperation zwischen dem DJI mit der Augustinum Seniorenresidenz Detmold beteiligt. Durch die gute Kommunikation mit der dortigen Kulturreferentin Frau Uta Sartor entwickelten wir Formate der Vernetzung zwischen Jung und Alt, von denen beide Seiten profitieren; erste Konzertauftritte von Jungstudierenden in der Seniorenresidenz haben bereits erfolgreich stattgefunden.
Herr Professor Oczkowski und ich kamen dann gedanklich zu den Jugendlichen und Kindern und stellten fest, dass generationsübergreifende, zugangsoffene und niedrigschwellige Vernetzung, sowie das Sprechen miteinander geeignet ist, Möglichkeiten der persönlichen Entfaltung, des Community-Gedankens, der Teilhabe und der Nachwuchs- und Talentförderung zu schaffen.
Schwalbach: Das Detmolder Jungstudierenden Institut (DJI) hat mit den beiden VdM-Musikschulen Hamm/Westfalen und Leichlingen das Pilotprojekt „Vernetzungsoffensive NRW #patenschaftaufohrenhöhe“ am 27. Juni 2024 ins Leben gerufen. Eine gemeinsame Vereinbarung wurde bereits von den drei Institutionen unterschrieben. Wie funktioniert diese Patenschaft?
Lenz: Zentral und grundlegend sind die freiwilligen Patenschaften von derzeit neun Jungstudierenden des DJI mit ungefähr gleichaltrigen Instrumental-/Gesangsschüler*innen aus ihrem persönlichen Umfeld oder aus den VdM-Musikschulen Leichlingen und Hamm.
Mit dem DTKV NRW, der unsere Initiative befürwortet, Schnittstellen zwischen Musikhochschule und Musikschule/freischaffenden Kolleg*innen, zu schaffen – wie Frau Cornelia Sokoll, die Vorsitzende des DTKV NRW betont – haben wir einen weiteren starken Partner gefunden, der unsere #patenschaftaufohrenhöhe unterstützt. So kann es gelingen, auch privat unterrichtende Lehrpersonen und deren Schüler*innen in NRW zu erreichen und mit den Jungstudierenden zu vernetzen. Dadurch kommen wieder Menschen in ein Gespräch miteinander, das sonst vermutlich nicht stattgefunden hätte.
Schwalbach: Sind noch weitere Partner auf Ohrenhöhe in Sicht?
Lenz: Ja! Wir freuen uns sehr, dass unsere Initiative in kurzer Zeit bereits auf so große Resonanz gestoßen ist. Wir stehen bereits in Kontakt mit mehreren Institutionen, die Interesse an unserer Initiative zeigen und Näheres zu den Inhalten erfahren möchten. Das Konzept, das als Ideensammlung zu verstehen ist, scheint ihnen richtig gut zu gefallen! Bis jetzt habe ich jedes Gespräch als sehr konstruktiv und inspirierend empfunden. Besonders gut scheint anzukommen, dass unsere „Ideensammlung“ in der Anwendung völlig frei und für die Institution individuell passend genutzt werden kann und keine Gebühr kostet. Wir möchten durch gegenseitiges Kennenlernen und fachlichen Austausch miteinander voneinander profitieren. Die Tersteegenmusikschule e.V. Düsseldorf, das AHF-Musikzentrum Detmold, die Musikschule für den Kreis Gütersloh e.V. und mit der Jugendmusikschule Bad Wurzach (VdM) in Baden-Württemberg sogar eine Institution außerhalb von NRW, möchten sich uns ebenfalls anschließen und unsere Ideen und Ziele unterstützen.
Schwalbach: Ist die große räumliche Distanz, alleine schon in NRW zwischen Detmold und Leichlingen zum Beispiel, nicht ein Problem?
Lenz: Die räumlichen Distanzen in NRW oder über die Landesgrenze hinaus sind durch heutige digitale Medien, Onlinemeetings, Messengerdienste usw. gut zu kompensieren.
Sich für besondere Aktionen in die Ferne auf den Weg zu machen wird als positiv verbucht und ist immer auch eine Form des Aufbruchs in ein kleineres oder größeres Abenteuer, was Kinder und Jugendliche zumeist höchst spannend finden. Eine Klassenfahrt in den Nachbarort wäre zwar schön nah, aber wer möchte das schon?
Schwalbach: Und ist die Teilnahme weiterer Jungstudierendeninstitute/Musikhochschulen geplant?
Lenz: Wir lassen uns überraschen; es gibt kein Limit- wir verstehen unsere Initiative als offenen Ideenpool und sind neugierig auf gemeinsames Arbeiten an und für die Musik.
Wir träumen laut und konkret von einem Paradigmenwechsel an Musikhochschulen und Musikschulen: besser gemeinsam stark, als schwellenängstlich abgegrenzt. Wir praktizieren gemeinsam einen ehrlichen, tatsächlichen, unaufgeregt konstruktiven und gut gelaunten Umgang auf Augen- und Ohrenhöhe. Dies fördert automatisch den Austausch von Musikschullehrkräften, freien Instrumental- und Gesangspädagog*innen und Hochschullehrenden.
Schwalbach: Können Sie an einem Beispiel uns darlegen, wie sich eine Patenschaft konkret darstellen könnte?
Lenz: Die Patenkinder erhalten die Möglichkeit, nach Absprache mit ihren Pat*innen in die Kompaktwochenenden des Jungstudierendeninstituts hinein zu schnuppern, ferner die Detmolder Sommerakademie/Meisterklassen hospitierend zu besuchen. So können sie, geleitet durch Gleichaltrige, die sich dort bereits auskennen, den Hochschulbetrieb und/oder ein Jungstudium einfach im niedrigschwelligen Bereich kennenlernen.
Für die Pat*innen besteht das Angebot, das Berufsfeld Musikschule aus nächster Nähe kennen zu lernen, gegebenenfalls Mentor*innen über die Schulter zu schauen. Sie könnten an Austauschprogrammen der Musikschulen teilnehmen, wenn gewünscht als Solisten an Konzerten der großen Musikschulensembles mitwirken oder Auftrittsmöglichkeiten in Klassenvorspielen und weiteren Veranstaltungen der Musikschulen nutzen. So ergeben sich automatisch mehr Konzertbesuche für die jungen Musiker*innen.
Schwalbach: Sie sprechen von der Konzertroutine der jungen Menschen, unserem Konzertpublikum von morgen?
Lenz: Genau. Wir brauchen dringend ein nachwachsendes, jüngeres Konzertpublikum! Wer soll sonst später die Konzerte besuchen? Gerade habe ich ein klasseninternes Projekt mit meinen Klavierschüler*innen begonnen, das ich „HIGH IIIII 4 classic !“ genannt habe: 5 Minuten am Tag hören die Kinder und Jugendlichen klassische Musik, notieren die Werktitel, wählen in der nächsten Stunde mittels Stempelauswahl die Beliebtheitsreihenfolge und unterhalten sich mit mir über ihr Lieblingsstück. Emma (15), Oskar (11) und Gustav (8), meine Klavierklassenpilotgruppe, ermuntern mich erfolgreich von Woche zu Woche: „Passt wirklich – kein Problem mit den fünf Minuten am Tag! Das kann man echt gut aushalten!“
In der Patenschaft kann auch die aktuell zu übende Literatur ein Thema sein, den Horizont zu erweitern. Ganz nebenbei erfolgt für alle Beteiligten ein Ausbau der Rezeption klassischer und zeitgenössischer Musik. Wer mehr Konzerte erlebt, badet mehr in Musik! Die Musik, die vermutlich den größten Teil der Unterrichtsliteratur abbildet, wird zu Hause möglicherweise selten bis gar nicht gehört.
Schwalbach: Die Nachwuchs- und Talentförderung geschieht bei der #patenschaftaufohrenhöhe also durch die Jugendlichen?
Lenz: Ja, richtig. Die Patenschaft Gleichaltriger steht im Fokus. Wir sehen sie als etwas sehr Wertvolles an. Die Jugendlichen selbst übernehmen so ein Stück weit Verantwortung, kümmern sich gemeinsam mit Gleichaltrigen um ihre eigene Zukunft, gestalten diese selbst aktiv. Schlüsselkompetenzen wie Teamfähigkeit, Sozialkompetenz und Kreativität sind hier gefragt. Eine Erziehung zur Welt- und Zugangsoffenheit und zum interkulturellen Austausch geschieht natürlich. Dies bringt selbstverständlich Kommunikation der Erwachsenen/Lehrenden mit sich.
Schwalbach: Wie sehen die nächsten Schritte der #patenschaftaufohrenhöhe aus?
Lenz: Die weitere Vernetzung der Jungstudierendenpat*innen mit Instrumental- und Gesangsschüler*innen steht an, worauf wir uns sehr freuen und neugierig auf das sind, was daraus entstehen wird. Wir wünschen uns ein natürliches voneinander Lernen, gemeinsam Schönes erleben. Wir möchten den Jugendlichen ermöglichen, Erinnerungen an besondere Musikmomente teilen zu können, miteinander ins Gespräch darüber zu kommen, wie eine Zukunft im künstlerischen/musikpädagogischen Kontext für sie aussehen könnte. Oder alternativ einfach gemeinsam mit Prof. Oczkowski Tacos zubereiten – das ist dann so ähnlich wie eine Kammermusikimprovisationsprobe!
Schwalbach: Wie sieht denn die tatsächliche Motivation der Jugendlichen aus, an der #patenschaftaufohrenhöhe teilzunehmen?
Lenz: (lacht) Auf diese Frage habe ich gewartet! Tatsächlich haben wir uns dies auch gefragt und dann die Jugendlichen selbst. Hier die Stimmen der Hauptakteure im O-Ton … meiner Meinung nach der schönstmögliche Interviewabschluss:
„Ich finde die Möglichkeit sehr gut, jüngere Leute an das DJI heranzuführen, indem man sie direkt mitnimmt, so dass sie sich ein genaues Bild von dem Jungstudium machen können.“
(Justus, 17)
„Ich möchte gern bei der #patenschaftaufohrenhöhe mitmachen, um neue Leute kennenzulernen und anderen zu helfen“
(Marharyta, 18)
„Wir freuen uns, Teil eines Projektes zu sein, welches jungen Musikern einen wichtigen Einblick in die Hochschule gibt.“
(Fabian und Yanneck, 14/17)
„Ich will an der Patenschaft teilnehmen, da ich die Erfahrung sammeln wollte, Erfahrungen und Informationen zu vermitteln.“
(Artem, 16)
„Was mich dazu gebracht hat, an dieser Patenschaft teilzunehmen, ist ganz einfach: ich denke, dass es für junge Menschen eine großartige Möglichkeit ist, Musik und musikalische Bildung auf einem hohen Niveau unabhängig von erbrachter Leistung zu erfahren, was auch den Kern von klassischer Musik bildet; in erster Linie die reine Beschäftigung damit.“
(Julius Ruben, 18)
„Meiner Meinung nach gibt es die Chance des Austausches unter Kindern und Jugendlichen im Hinblick auf die Musik leider viel zu wenig, was schade ist, denn jeder braucht mal jemanden, an den man sich bei Fragen, Problemen oder einfach mal so, wenden kann, deshalb freue ich mich umso mehr, ein Teil dieses Patenschaftsprojektes zu sein.“
(Elisa-Marie,15)
„Ich interessiere mich dafür, anderen Menschen zu zeigen, wie toll Musik sein kann, außerdem kann ich nebenbei Werbung für das Instrument Bratsche machen.“
(Adam, 16)
Kontaktmöglichkeit zum Projekt über:
infopatenschaftaufohrenhoehe.de (info[at]patenschaftaufohrenhoehe[dot]de)
- Share by mail
Share on