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Geschickt gebändigte Klangmassen

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Tonkünstler-Konzert in der Schwartzschen Villa
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Was zunächst nach einem musikalischen „Gemischtwarenladen“ aussah, erwies sich als Programmfolge mit interessanten Binnenverbindungen.

Im mittlerweile 32. Konzert der seit 1996 von Markus Wenz organisierten Veranstaltungsreihe des Berliner Tonkünstlerverbands, das Mitte Dezember 2011 im Großen Salon der Schwartzschen Villa stattfand, standen mehreren Kompositionen von Franz Liszt (als Jubilar im 200. Jahr seiner Geburt) Werke von Benjamin Britten, Luciano Berio, César Franck sowie dem Berliner Komponisten Helmut Friedrich Fenzl gegenüber, Letzteres sogar als Uraufführung.
Was zunächst nach einem musikalischen „Gemischtwarenladen“ aussah, erwies sich als Programmfolge mit interessanten Binnenverbindungen. Die Erkundung der Möglichkeiten und der Einsatz bislang ungehörter Effekte und Kompositionsstrukturen zeichneten einige der vorgestellten Werke aus, die Überraschungen reichten von ungewohnter Handhabung des Instruments (Berio) bis zu einer für Zeitgenossen unerhörten Klangsprache (Liszts späte Klavierstücke).
Doch der Reihe nach: Nach einer glanzvollen Eröffnung des Konzerts durch die Polonaise zu vier Händen, dem einzigen Originalwerk Liszts für diese Besetzung, mit festlich-tänzerischem Aplomb gespielt von Frauke Jörns und Larissa Polender, faszinierte Sabine Meiners das Publikum in der Sequenza III für Gesangsstimme Solo mit den schier unbegrenzten Möglichkeiten, Vokale und Konsonanten zu ausdrucksstarken Elementen musikalischer Tonsprache zusammenzusetzen. Die anschließende Suite op. 72 für Violoncello Solo von Benjamin Britten, einfühlsam gespielt von Regine Daniels-Stoll, antwortete quasi auf diese Kompositionstechnik mit einer Fülle von kantablen Melodiefolgen, dargestellt im Gewand der modifizierten Suitenform. Die „Canto“ genannten rondoartigen Wiederholungsteile loteten im Wechsel mit den weiteren Sätzen den Spannungsrahmen des Werkes und die modernen spieltechnischen Möglichkeiten des Instruments aus. Franz Liszts berühmtes Klavierstück Vallée d’Obermann, gespielt von Richard Fischer, schloss den programmatischen Bogen zur Pause und vermittelte ein intensives Bild der Ausdeutung des zu Liszts Zeit berühmten Briefromans von Etienne de Senancourt. Fischer gelang es, die Klangmassen so zu bändigen, dass bei aller Wucht immer die kammermusikalische und der Sangbarkeit verpflichtete Textur des Werkes spürbar blieb.
Nach der Pause folgte mit Epitaph eine Uraufführung für Violoncello und Klavier des Berliner Komponisten Helmut Friedrich Fenzl. Die über mächtigen Bass-Skalen aufragenden Phrasen des Soloinstruments wurden von Karina Nunez (Violoncello) und Mari Kimura (Klavier) beeindruckend plastisch dargestellt. Wer geglaubt hatte, die anschließende Auswahl aus dem Spätwerk Liszts (Nuages gris, Unstern!, La Lugubra Gondola II) würde nun wieder den Weg zurück in die klassisch-romantische Tonalität einschlagen, sah sich getäuscht: In diesen Stücken sucht Liszt nicht mehr nach Verbindlichkeit, Eleganz und vordergründiger Virtuosität, sondern gab seiner von depressiven Schüben und einer tiefen Melancholie gekennzeichneten künstlerischen Persönlichkeit Ausdruck. Markus Wenz interpretierte die drei Stücke mit intensiv-kompromisslosem, unverblümtem Duktus, der das Publikum die Abgründe der Lisztschen Verzweiflung am Leben nachspüren ließ und am Ende die Betroffenheit darüber im Saal greifbar machte.
Diese Farbe sollte jedoch den Abend nicht beschließen, sondern die – ganz im Lisztschen Sinne – kongeniale Verbindung von Virtuosität und Gesanghaftigkeit, partnerschaftlich auf zwei Instrumente verteilt, und so zogen Leonore Haupt (Violine) und Kensei Yamaguchi (Klavier) mit ihrer Interpretation der Franckschen Sonate die Zuhörer nachhaltig in ihren Bann. Ein Genuss zu erleben, wie sich die beiden Künstler die Motive zuspielten, aufeinander reagierten und die technischen Ansprüche des Werkes über der musikalischen Gestaltung beinahe vergessen machten.
Ein abwechslungsreicher und erfüllter Abend.

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