1966 begann der Ungar Paul Rolland an der Universität von Illinois, USA, eigene Forschungen zur Violindidaktik. Elementare Bewegungsabläufe wurden für alle Streichinstrumente analysiert, die Erkenntnisse in einfachen Technikübungen umgesetzt und die Ergebnisse im Lehrwerk „The Teaching of Action in String Playing“ zusammengefasst.
Dieses Lehrwerk beruht auf folgenden Unterrichtsprinzipien:
- Musik wird durch Musik und nicht durch Theorie erlernt
- Alle Bewegungsabläufe betreffen den ganzen Körper
- Bewegungsabläufe beginnen grobmotorisch und werden erst später auf die Feinmotorik übertragen
- Das Prinzip „vom Bekannten zum Unbekannten“
- Alle Stricharten werden in einfachen Übungen grundlegend angelegt
- Gelernt wird durch das Tun
- Ziele des Unterrichts: Spannungsfreiheit und Natürlichkeit der Spielbewegungen.
In England unterrichtet Sheila Nelson (Schülerin von Paul Rolland) nach diesem Modell. In Deutschland bildet die „Akademie für Musikpädagogik, Wiesbaden“ Rolland-Lehrer im Streicher- und Bläserbereich aus.
(Informationen unter http://www.musikpaedagogik.de )
Felix Seiffert (Tonkünstlerverband Augsburg-Schwaben), Cellolehrer an der MS in Ulm, und Karl-Heinz Benzing, Schulmusiker, erteilen seit vier Jahren Unterricht im Klassenverband an allen Streichinstrumenten am Ulmer Keppler-Gymnasium. Der mehrjährige Kurs beginnt in der 5. Klasse und wird zwei- bis dreistündig pro Woche im so genannten Teamteaching abgehalten. Dabei gibt ein Instrumentallehrer vor, was zu tun ist, und der andere geht durch die Klasse und korrigiert die Schüler beim Spiel. Beide Lehrer haben von allen Streichinstrumenten Kenntnisse, wobei der eine Spezialist für hohe Streichinstrumente ist, während der andere fundierte Kenntnisse im tiefen Bereich hat.
Seit einigen Jahren unterrichtet Thomas Seitz (ebenfalls Tonkünstlerverband Augsburg-Schwaben) Trompete und Posaune an der Realschule Langenau (BW). Eine Jahreswochenstunde steht ihm zur Verfügung für Kleingruppenarbeit. So erlernen zum Beispiel vier Schüler die Trompete. In diesem Kreis werden instrumentenspezifische Schwierigkeiten erörtert und elementare Spieltechniken erprobt. Zwei weitere Jahreswochenstunden erhalten die Kinder Unterricht im Klassenverband (22–26 Teilnehmer). Dort musizieren sie gemeinsam mit Posaunen, Saxophonen, Klarinetten, Tuben, Euphonien und einem Schlagzeug. Seitz unterrichtet nach der Yamaha Hal-Leonhard-Schule, die Notenmaterial für alle Blasinstrumente liefert.
Je nach Zielgruppe gibt es verschiedene Konzepte: In der Grund- und Hauptschule setzt der Gitarrenunterricht meist bei den persönlichen musikalischen Erfahrungen an. Das heißt elementare Klangspiele mit und ohne Instrument werden angeboten, um über eine stärkere Sensibilisierung zur bewussten musikalischen Interaktion zu gelangen. Auch Lieder, die sich am Interesse der Zielgruppe orientieren, werden gesungen, oftmals mit Bodypercussion begleitet, um dann schließlich auch mit Leersaiten und elementaren Spieltechniken auf der Gitarre gespielt und gestaltet zu werden.
Die meisten Konzepte, die im Gymnasium eingesetzt werden, orientieren sich stärker an den Spieltechniken des Instruments. Ziel ist oftmals eine gemeinsame Aufführung, sei es als Begleitgruppe zum Beispiel zum Chorgesang, oder als reines Instrumentalensemble.
Damit jedes Kind ein Instrument erhält, wurde zum Beispiel an einer Grundschule in Norddeutschland ein Elternbrief verteilt, in dem im Bekannten- und Verwandtenkreis der entsprechenden Kinder nach nicht mehr benützten Gitarren gefragt wurde. In einem anderen Fall stellte eine Musikalienhandlung Streichinstrumente für eine relativ geringe Leihgebühr zur Verfügung. An wieder einer anderen Schule erhielt diese einen Kredit von der Kommune zur Anschaffung von Instrumenten. Mit der Leihgebühr, die die Eltern der Kinder entrichteten, wurde der Kredit abbezahlt. Sicher gibt es noch andere Möglichkeiten; in jedem Fall kann mit Ideenreichtum das Problem Instrumentenkauf minimiert werden.
Trotz vieler Disziplin- und Konzentrationsprobleme kann festgehalten werden, dass durchaus positive Entwicklungen im Sozialverhalten der Kinder untereinander zu erkennen sind.
Zudem stecken sich die Kinder oftmals in ihrer Bewegungsfreude an, und so entsteht auch Freude am gemeinsamen Tun. Und last but not least: Mehr als 50% der Schüler finden zum regulären Instrumentalunterricht! Die meisten von ihnen wären von sich aus nie auf die Idee gekommen, ein Instrument zu erlernen.
Weitere Infos unter:
http://www.nmz.de/nmz/2006/09/forum-paed.shtml
http://www.diedrich-online.de/blog/category/klassen-musik/
http://www.diedrich-online.de/veroef.htm
http://www.mh-trossingen.de/meldungen/Klassenmusizieren/Klassenmusizieren.htm
http://www.guitar-colour.de/main/klassenmusizieren.php
http://www.musikschulen-hessen.de/musikschulen-hessen.de/web/sites/00005.php
Selbstverständlich kann der Klassenunterricht einen Einzelunterricht mit (wenn auch noch so geringem) künstlerischem Anspruch nicht ersetzen, aber er kann Jugendliche zum Spielen eines Instruments ermuntern, die sonst nie und nimmer mit aktivem Musik-Machen in Berührung gekommen wären! Und auch wenn große Teile eines solchen Klassenverbands vielleicht nie zum Einzelunterricht animiert werden, haben diese doch mit dieser musikalischen Gruppenerfahrung eine viel kreativere Art des „Zeit-Vertreibs“ gepflegt, als wenn sie mit Cola und Chips vor der Glotze gesessen wären oder auf dem Computer ein geisttötendes Computerspiel gespielt hätten; und sie werden diese Erfahrung nie ganz vergessen. Nicht jede musikalische Betätigung muss Kunstanspruch haben! Das wird heute vielfach vergessen im zeitgeistigen Getue und Geschwafel um Exzellenz und Elitetum. Ohne eine dilettierende Basis wird sich die musikalische Exzellenz und Elite nicht auf der Höhe halten können, auf der sie gerne wäre, sondern irgendwann (und zwar ziemlich bald!) kläglich auf die Schnauze fallen, weil sie dann ohne Basis nämlich im luftleeren Raum agiert.
Das Wort Dilettant, das heutzutage fast zu einem Schimpfwort verkommen ist, hat einmal im Positiven jemanden bezeichnet, der zur eigenen Freude (diletto = Vergnügen) etwas betreibt, das er nicht professionell betreiben kann oder will. Diese „Dilettanten“ tragen ein funktionierendes Musikleben, nicht die passiven Konserven-Einschalter! Wer Exzellenz will, muss zuerst in die Breite der Basis investieren! (Das sei auch den Politikern ins Stammbuch geschrieben...) Es können also die Instrumentalklassen einerseits einen Beitrag zur Förderung der Liebhaber leisten, die die besten Konzertbesucher sind, weil sie ein Quäntchen eigene Erfahrung haben, und andererseits – das ist wahrscheinlich für uns Musiker das Wichtigste – sind sie wahrscheinlich der Königsweg, um Nachwuchs für den Einzelunterricht zu finden; das heißt, sie geben Anregungen zum späteren Einzelunterricht, sind diesem also vorgeschaltet und können eine Art Werbemaßnahme für den traditionellen Instrumentalunterricht bilden, mit der Kreise für diesen erschlossen werden können, die ohne eine solche „Werbemaßnahme“ niemals ihr Interesse oder ihre Fähigkeit dafür erkennen hätten können. So betrachtet verdient diese neue Art des Unterrichts unser aller Interesse und unsere volle Unterstützung!