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Gibt es einen Weg aus der Misere?

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Musik an der Grundschule – und anderswo
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Nun ist es amtlich und wissenschaftlich untermauert, dass das System der musikalischen Bildung krankt. Eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung bestätigt, wovor alle Kenner der Szene seit langem gewarnt haben und was absehbar passieren musste.

Es fehlen bundesweit 23.000 Fachkräfte für den Musikunterricht in der Grundschule (Kooperationspartner der Studie: Deutscher Musikrat und Landesmusikräte). Besonders desolat ist die Lage in NRW. Dort haben 36 Prozent aller Grundschulen keine Musiklehrkraft, und der Musikunterricht wird zu 72 Prozent fachfremd erteilt. Bis auf weiteres ist aber kaum mit Nachwuchs an Musiklehrern zu rechnen, denn die Lehramtsprüfungen im Fach Musik (Grundschule) sind zwischen 2002 und 2014 (wiederum bundesweit) um ein Drittel zurückgegangen. Sollte hier nicht schnellstens und nachhaltig gegengesteuert werden, wird sich, so prognostiziert die Studie, der Mangel an Schulmusiker bei wachsenden Schülerzahlen bis 2028 noch weiter verschärfen.

Indem die Studie die Lage des Musik­unterrichts an der Grundschule untersucht, beleuchtet sie eine entscheidende Entwicklungsphase, in der alle Kinder offen für jede Anregung sind, und eine Institution, in der alle Kinder gemeinsam erreicht werden können, unabhängig von ihrer Herkunft und sozialen Stellung. Wird es hier versäumt, bei den Kindern Interesse für Musik zu wecken, kreative Kräfte freizusetzen und die integrative Kraft des gemeinsamen Musizierens zu vermitteln, lassen sich die Defizite später kaum noch ausgleichen geschweige denn überwinden.

Das Problem ist seit vielen Jahren auch der Politik bekannt. Doch bisher hat man sich nur zu Notbehelfen durchringen können, die den Mangel verschleiern. Von den fachfremden Kolleg*innen, die sich vor lauter Hilflosigkeit in die Vermittlung von abfragbaren Sachwissenshäppchen flüchten (biografische Anekdoten über Mozart u.ä.), wollen wir gar nicht erst reden. Auch den Instrumentalpädagog*innen, die sich als Quereinsteiger für den Schuldienst rekrutieren lassen, wollen wir keinen Vorwurf machen, zumal sie oft aus prekären Beschäftigungsverhältnissen der Musikschulen kommen und ein so verlockendes finanzielles Angebot gern annehmen. Die einen brechen angesichts der Aufgaben im Klassenunterricht frustriert wieder ab, weil ihnen die notwendige pädagogische Ausbildung fehlt (der BMU wehrt sich zu Recht seit Jahren gegen diese Praxis), während die anderen weitermachen, dann aber an den Musikschulen fehlen.

Doch der Blick auf Musik in der Grundschule ist viel zu eng, denn das eigentliche Problem ist weitreichender. Die Ausbildung qualifizierter Schulmusiker*innen setzt voraus, dass diese zuvor eine langjährige Instrumentalausbildung erhalten, die bereits im Kindesalter beginnt und nicht nur durch kommunale Musikschulen, sondern seit jeher auch durch freiberufliche Musiklehrer*innen geleistet wird. Hinzu kommen freie Musikschulen, deren Bedeutung in dem Maße zugenommen hat, wie in den vergangenen Jahrzehnten die öffentlichen Mittel für kommunale Musikschulen eingeschränkt wurden (wobei an öffentlichen und freien Musikschulen mittlerweile ein großer Teil des Unterrichts von Honorarlehrkräften geleistet wird). Musikalische Bildung ruht auf diesen drei Säulen; sie steht und fällt damit, dass diese drei Säulen gleichgewichtig unterstützt werden.

Dem DTKV ist diese Drei-Säulen-Struktur der musikalischen Bildung schon allein durch seine Mitgliederstruktur ein gleichsam natürliches Anliegen, denn die Mitglieder (nur Einzelpersonen, keine Institutionen) sind zu etwa gleichen Teilen an kommunalen Musikschulen, an freien Musikschulen und als Soloselbständige tätig. Der DTKV plädiert daher nachdrücklich dafür, bei allen weiteren Planungen im Bereich der musikalischen Bildung endlich alle seriösen Anbieter zu berücksichtigen und zugleich die in diesem Bereich beschäftigten Musiker*innen an klare Qualitätsstandards zu binden (Hochschulabschluss). Da alle DTKV-Mitglieder über einen einschlägigen musikalischen und/oder musikpädagogischen Hochschulabschluss verfügen (Voraussetzung der Mitgliedschaft im DTKV), versteht sich der DTKV durchaus auch als Garant für die hohen Qualitätsstandards, die bislang im Bereich der musikalischen Bildung galten.

Doch genau diese hohen Standards sind in Gefahr. Seit langem beobachten wir einen Rückgang der Studienanwärter*innen im Fach Musik/Musikpädagogik und einen Mangel an Instrumentalpädagog*innen und Schulmusiker*innen. Es gibt in NRW zwar eine beeindruckende Anzahl von außerschulischen Musikprogrammen, die jedoch eine grundständige Instrumental- und Gesangsausbildung naturgemäß nicht leisten können. Noch problematischer wäre es, den Zugang zu den Musikhochschulen zu erleichtern, indem man die Anforderungen senkt. Nach Aussagen vieler Hochschullehrer*innen hat das Niveau der Studienanwärter ohnehin schon den Tiefstpunkt erreicht. Wir sollten also lieber die Lösung in einer vorbereitenden guten Ausbildung sehen.

Erst eine solche Ausbildung, die sich über Jahre hinzieht und in der Regel bereits im Grundschulalter beginnt, schafft die notwendige Voraussetzung für ein Hochschulstudium, und nur dadurch kann der dringend gebrauchte Nachwuchs an Fachkräften gewonnen werden. Hier ist die Politik gefordert. Sie sollte den Instrumentalunterricht als schulergänzende staatliche Aufgabe mit einem klaren (und kontrollierten) Bildungsauftrag für die Musikschulen und freien Musikpädagog*innen festschreiben und diese finanziell so absichern, dass sie davon leben können. Das wäre ein nachhaltiger Ansatz.

 

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