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Gregorianische Melodik und finnische Musik

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Unser Komponistenporträt: Jörg Duda – ein vielseitiger Musiker aus Bayern
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300 Frühwerke und etwa 100 neuere Kompositionen unter 47 Opuszahlen umfasst das Werk des 1968 in München geborenen Jörg Duda. Der als Kirchenmusiker im holledauischen Geisenfeld arbeitende Komponist konnte sich als Schöpfer von Vokalmusik, jedoch auch im Bereich der Kammermusik vor allem durch Holzbläsermusik, welche er strukturell mit der menschlichen Stimme vergleicht, einen Namen machen. Einer der größten Erfolge war das bereits dreimal vom Chor der Christuskirche (München) und Roderich Kreile und Roman Emilius aufgeführte Weihnachtsoratorium „NOË!“ für Soli, Chor und Orchester. Darüber führten ihn Reisen als Konzertorganist, Improvisator und Kammermusikpianist nach Italien und Finnland, wo er besonders als Interpret eigener Werke bekannt wurde. 2004 spielte er in Finnland teilweise mit finnischen Sängern wie Pirjo Honkanen und Johann Tilli, für welche er einige Kompositionen schuf. Gleichzeitig ist er Dirigent verschiedener Ensembles wie der Münchner Harmoniemusik und des Feldmayr Vocalensembles (Geisenfeld).

Dudas Engagement, aus dem er stets Anregungen für sein eigenes Schaffen gewinnt, geht in zwei Richtungen: finnische und alte Musik. Frühe Pfeiler seines kompositorischen Schaffens waren die ausdrucksvolle, vielschichtige Kontrapunktik Johann Sebastian Baches verbunden mit der menschlich melancholischen Heiterkeit Mozarts. Einen ersten stilistischen Umbruch brachte 1989 während des Kirchenmusikstudiums der Beitritt zum Kammerchor „Junge Kantorei München“ unter seinem Lehrer KMD Roderich Kreile, wo er über Jahre „composer in residence“ war.

Ein weiterer Umbruch kam 1992 durch die intensive Begegnung mit dem Schaffen von Jean Sibelius und der allgemeinen Beschäftigung mit finnischer zeitgenössischer Musik und Kultur. Dabei kam Dudas Liebe zur finnischen Sprache über Umwege: Bei seinem Lehrer Peter Kiesewetter begann er sich in eine zunächst unbekannte Sprache und Denkweise „hineinzukomponieren“ um die stilistische Bandbreite zu erweitern. Sprachklang, Rhythmus und Vorstellungswelt gerieten so in einen unmittelbaren Kontext. Finnische Kunst ist oft vom Gedanken geprägt, dass der Mensch in der Natur aufgehe. So würden menschliche Eigenschaften in Naturbildern beschrieben. So entstanden Lieder und Madrigale in finnischer Sprache nach Gedichten von Lassi Nummi und Viljo Kajava. Der stilistische Wandel eines Komponisten wie Sibelius wurde für Duda besonders bemerkenswert: Aus der Spätromantik heraus hatte er sich nach langer persönlicher Entwicklung mit „Tapiola“ seinen Spätstil geschaffen. Tradition und Auflösung stehen hier für Duda in einer fruchtbaren Abfolge. Dies zeigt sich auch bei Sibelius‘ Schüler Leevi Madetoja, bis hin zu modernen finnischen Klassikern wie Einojuhani Rautavaara und Joonas Kokkonen. Über das sprachverwandte Estnische fand Duda auch in der Musik Arvo Pärts Züge seines Umgangs mit Längen und Kürzen des Sprachklangs.

Dudas Stil verbindet unterschiedlichste Elemente miteinander und schreitet so zu Eigenem weiter. Einerseits von fantasievoller Schwärmerei geprägt, mutiert er zu weiträumiger Kargheit, ähnlich der finnischen Landschaft. Kontrapunkt und lateinamerikanische Rhythmik gehen Hand in Hand, farbige Harmonik und Serialität, Musizierfreude und hintergründiger Humor. Hinzu kommt eine Vorliebe für asymmetrische Rhythmen, die sich aus dem Metrum des finnischen Kalevala-Epos herleiten. Zusammen mit der finnschen Liebe zum Tango blitzt in seiner Musik immer wieder augenzwinkernd sein persönlicher „Kalevala-Tango“ durch. So entstand also ein vor allem wegen des finnischen Textes ungewöhnliches Werk: das MAGNIFICAT II als Kantate für Koloratursopran.

An seiner Hallertauer Wirkungsstätte war Duda mit seiner Finnlandliebe ein Kuriosum, bis sich eine finnische Delegation aus Jämijärvi im Rahmen eines EU-Projektes in das Hopfenbauzentrum verirrte um finnische Hopfensorten zu rekultivieren. Hieraus entstand eine regelrechte Freundschaft der Städte Geisenfeld und Jämijärvi, bei deren Austausch Duda abermals in Finnland konzertierte. Denn schon das Kalevala-Epos zollt der Erfindung des Bieres weitaus mehr Raum als der Erschaffung der Erde.

Bereits als Schüler hatte Duda seine Nase in die staubige Bibliothek des Klosters Scheyern gesteckt, um interessantes Neues und Unbekanntes zu entdecken. So stieß er 1991 auf den 1756 geborenen Komponisten Georg Feldmayr welcher zwischen 1781 und 1800 am Fürstenhof zu Oettingen-Wallerstein unter Antonio Rosetti als Violinist, Tenor und später als „Hofmusicdirector“ wirkte. Erst durch seine Tätigkeit in Geisenfeld beschäftigte er sich 2003 wieder eingehender mit dessen Musik und stellte fest, dass die Familie Feldmayr ursprünglich aus Geisenfeld stammt und brachte das lange im Ungewissen liegende Sterbedatum als den 1. Mai 1834 im Hamburger St.-Georgs-Krankenhaus in Erfahrung. Dies war Grund genug, 2004 in mehreren festlichen Gottesdiensten und Konzerten Feldmayrs Kirchenmusik, Kantaten und Bläserserenaden zur Aufführung zu bringen, um diese in der Holledau wieder ins Bewusstsein zu bringen. Höhepunkt war ein Konzert im November 2004 mit einem Requiem, einem Miserere und dem „Oratorium“ auf den Tod des Grafen Franz Ludwig zu Oettingen-Wallerstein, bei dem unter anderem Claes H. Ahnsjö die Tenorpartie übernommen hatte.

2005 jährt sich auch der Todestag eines Ahnen Feldmayrs: Johann Feldmayr wurde 1579 in Geisenfeld geboren, kam „Khnabe von Geisenfeld“ in die Münchner Hofkapelle und als Organist und Tenorist über Salzburg an das Hochstift Berchtesgaden, wo in der Pfarrkirche ein Epitaph für ihn steht. Seiner gedachte das von Duda gegründete „Feldmayr Vocalensemble“ mit a cappella Motetten und dreistimmigen geistlichen Konzerten der seconda prattica, wie das reizvolle lateinisch-deutsche „Congratulamini mihi omnes (Es werden mir alle gratulieren)“.

Die intensive Forschungstätigkeit samt der aufführungspraktischen Bearbeitung alter Meister, hat ihren Tribut gefordert: 2003 sei er deshalb kaum zum Komponieren gekommen, erst 2004 habe er seine Schaffensintensität wieder aufgenommen, was sich in seinem Quintett Opus 45 für Oboe, Klarinette, Horn, Fagott und Klavier zeigt. Dieses Werk erklingt am 19. November bei der Verleihung des Kulturpreises der Stadt Geisenfeld erstmals öffentlich.

Dudas musikalische Erfindung schöpft im Ursprung stark aus der Improvisation. Dazu benötigt er nicht nur die Finger, sondern auch den Kopf. Und so konzipiert er seine Kompositionen zuerst im Geist, bevor er sie niederschreibt. Ab dem Moment, wenn er die Werke aufs Papier bringt, werden sie nur noch ausformuliert und verfeinert. Manches trägt er Jahre lang im Kopf mit sich herum. Ideen und Fragmente ohne konkreten Platz finden dann häufig in Auftragswerken ihren geeigneten Einsatz. Inspirationsquelle ist seine Umgebung und der Umgang mit Menschen. So ist für ihn die weite der finnischen Natur eine Möglichkeit den Geist von der Hektik zu reinigen und die Musik wieder auf sich zukommen zu lassen.

Duda schreibt mit der Hand, Kiesewetters strenge, fast kalligraphische Notierung habe sich bei ihm fortgesetzt. Entsprechend schwer falle es ihm musikalisch am Computer zu arbeiten. Es gibt sogar Musiker, welche seine Handschrift bevorzugen.

Die „Liebe zum Kontrapunkt“ und Gleichwertigkeit aller Stimmen entstammt dem gemeinschaftlichen Musizieren und der klassischen Vokalpolyphonie. Kammer- und Chormusik sollen wie ein Gespräch unter Freunden sein. Durch diese Vielschichtigkeit entsteht harmonisch oft ein impressionistisches Klangbild, durchsetzt mit Messiaenschen Modi und zuweilen seriellen Techniken. Ein schwebend-vagierendes Spiel mit Tonalität ist das Ergebnis. Modi der Kirchentonarten bringen diese Tonalität zum Klingen und stellen sie gleichzeitig in Frage. So schließt sich hier der Kreis zwischen gregorianischer Melodik und finnischer Musik.

Im k.o.m. bühnen- und musikverlag, München sind einige Werke von Jörg Duda in gedruckter Form erschienen: unter anderem sein „Christmas Carols Concerto“ für Orgel, „Quartett“ für Fagott und Streichtrio und „5 Duettini“ für Bassetthorn und Fagott oder Fagottino und Fagott.

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