München. Am 10. Januar 2013 verstarb Prof. Dr. h.c. Franz Lehrndorfer im Alter von 84 Jahren. Der berühmte Orgelvirtuose hatte als Professor und Leiter der Abteilung für Kath. Kirchenmusik in der Münchner Musikhochschule sowie als Domorganist in der Münchner Liebfrauenkirche gewirkt.
München. Am 10. Januar 2013 verstarb Prof. Dr. h.c. Franz Lehrndorfer im Alter von 84 Jahren. Der berühmte Orgelvirtuose hatte als Professor und Leiter der Abteilung für Kath. Kirchenmusik in der Münchner Musikhochschule sowie als Domorganist in der Münchner Liebfrauenkirche gewirkt.
Ich habe Franz Lehrndorfer zum ersten Mal erlebt bei einem Konzert in der Münchner St. Ursulakirche im Jahr 1965. Mit Spannung war der Höhepunkt des Programms, eines der großen Orgelwerke von Max Reger erwartet worden; doch ein plötzlich auftretender technischer Fehler der alten Steinmeyer-Orgel verhinderte die Ausführung. Um so faszinierender war es, wie der junge Professor auf dem störungsfrei spielbaren Teil des Instruments improvisierte; die Meisterschaft seines Spiels ließ den Defekt des Instruments vergessen.
Die Improvisation war eine der Säulen von Lehrndorfers Orgelkunst, geprägt von einer schier unerreichbaren Beherrschung des kontrapunktischen Satzes, beeinflusst von der intensiven Beschäftigung mit dem Werk Bachs und Regers. Ich habe im Laufe der Zeit viele berühmte Improvisatoren gehört. Manche spielten stilistisch moderner. Doch kein einziger vermochte es, den Grad der Logik und Klarheit seiner formalen Strukturen zu erreichen: Auch keine noch so virtuosen Passagen konnten sie in den Hintergrund verbannen. Trotzdem war seine Musik immer lebendig, immer verständlich und nicht selten mit Humor, ja Schalk gewürzt. Auch als Interpret zählte Lehrndorfer weltweit zu den größten Organisten des 20. Jahrhunderts. Dass er sich trotzdem eher selten auf internationale Konzertreisen begab, lag an seiner Bodenständigkeit. „Was soll ich denn nach San Francisco fliegen – ich bleib’ lieber zu Hause und trink mein Weißbier“ sagte er einmal. Für ihn war der Dienst als Münchner Domorganist, den er mit Tiefe und Begeisterung versah, die Mitte und der Ausgangspunkt seines künstlerischen Tuns.
Das größte an dem verstorbenen Großmeister war aber sein pädagogisches Wirken. Dafür spricht die große Anzahl seiner Studentinnen und Studenten. Einige von Ihnen erhielten Preise und herausragende Positionen. Aber auch viele weitere sind künstlerisch in hohem Maß aktiv und tragen so das Erbe ihres berühmten Lehrers weiter.
Lehrndorfer hatte in seinem wunderbaren Unterricht die seltene Begabung, ein sehr hohes Anspruchsniveau und genaueste Arbeit mit einer immer lockeren und partnerschaftlichen Atmosphäre zu verbinden. Er nahm seine Studenten ernst und ging in höchstem Maß auf ihre individuelle Persönlichkeit ein. Er stand ihnen – auch über die Arbeit hinaus – mit Rat und Tat zur Seite. Den Mittelpunkt aller Arbeit bildete immer die Freude an der Musik. Auf dem Programm des eingangs erwähnten Konzertes stand eine Kantate von Nikolaus Bruhns, deren Text aus dem 2. Paulusbrief an Timoteus, wie folgt beginnt: „Ich habe einen guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten“. Die Worte erinnern an einen großen Künstler, dessen Wesen allzeit von Bescheidenheit und Wärme geprägt war.