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Heiterer Hindemith in heiligen Hallen

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30 Jahre Festival „Zeit für Neue Musik“
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Werden sich Wagner und Hindemith vertragen? Diese bange Frage stand im Raum, genauer, im vollbesetzten Bibliotheksaal der Villa Wahnfried, offensichtlich ein Publikumsmag­net. Die Antwort: Ja, keine Angst vor Hindemith!

Das Saxophon-Quartett „clair obscur“ hat mit großem Können und viel Humor ein Brillantfeuerwerk abgebrannt, das dem älteren Meister sicher gefallen hätte. Die Zuhörer erlebten einen Abend mit einigen Kontrasten. Das „Siegfried-Idyll“ stand in der Bearbeitung von Wolfram Graf für Saxophon-Quartett und Klavier und dessen Komposition „Erste Gestalt“ unvermittelt neben der Ouvertüre zum Fliegenden Holländer, laut Programm „wie morgens um 7 Uhr vom Blatt gespielt“. Und das Publikum amüsierte sich darüber genauso wie über den Militärmarsch „Alte Karbonaden“ von Paul Hindemith sowie weitere (ernste) Werke des Komponisten. Einen Kontrast bot auch das Orgelkonzert in der Stadtkirche. Michael Dorn und Thomas Rothert reizten die Klangfarben der beiden Ins­trumente solistisch und im Duett aus. In zumeist choralgebundenen Werken von Helmut Bieler, Wolfram Graf, Naji Hakim und Wolfgang Stendel wurde dem aufmerksamen Zuhörer auch bei dem folgenden Duo-Abend mit seinem klug disponierten Programm möglich, welchen der vorzügliche Flötist Martin Seel zusammen mit Wolfram Graf am Klavier gestaltete. „Farben“ (Thema des Konzerts) und stille Töne, die auch zu intensiver Schärfe anschwellen konnten, entfalteten in der Interpretation mit Wolfram Graf am Klavier ihre Leuchtkraft. Der Höhepunkt des Jubiläumsfestivals war ohne Zweifel die vierte Klaviernacht mit dem Konzert für vier Klaviere im Kammermusiksaal der Klaviermanufaktur Steingraeber & Söhne. Wo hat man vier Flügel der gleichen Qualität in einem Raum zur Verfügung? Wo hat man vier vorzügliche Pianisten beisammen, die das Publikum mit einer einzigen Komposition neunzig Minuten lang fesseln können? Dem Quartett Alexeij Lubimov, Alexander Melnikov, Alexeij Zuev und Slava Peprugin gelang das Kunststück, das Publikum während dieser Zeit mit sanfter Gewalt zum aufmerksamen Hören zu zwingen. „Canto ostinato“ heißt das Werk des niederländischen Komponisten Simeon ten Holt. Eine ununterbrochene Melodie, großenteils aus Ganztonschritten bestehend, und die Begleitstimmen verändern unmerklich ihr musikalisches Material. Wer dazu bereit war, konnte vor seinem inneren Auge langsam vorbeiziehende Landschaften oder fließende Gewässer erkennen. Man denkt unwillkürlich an die indische Sitar-Musik und ihre Ragas. Sucht man Pa­rallelen zu dieser Kompositionstechnik, wird man auch an Musik von Steve Reich erinnert. 

Besonders dieser Abend, aber auch die ganze Konzertreihe wäre ohne die ideelle und materielle Unterstützung durch Udo Schmidt-Steingraeber wiederum nicht möglich gewesen. „Gralsglocken“ sind in Bayreuth immer ein Lockmittel, insbesondere für Wagner-Freunde. Helmut Bielers neuestes Werk für Schlagzeug und Klavier tat denn auch seine Wirkung. Zusammen mit dem exzellenten Percussionisten Bernd Kremling an den Steingraeber-Gralsglocken und dem Komponisten erlebte man die Uraufführung, musste allerdings bis zum letzten Takt warten, um das vollständige viertönige Gralsmotiv zu hören. Das Programm vervollständigte die Sopranistin Marie Schmalhofer mit vier technisch anspruchsvollen Liedern von Dorothee Eberhardt aus „Sonnengesang“ sowie Helmut Bielers „Musicienne du Silence“, die überarbeitete Fassung einer Komposition aus dem Jahr 1975. Man hörte zum Abschluss noch, wie jedes Jahr, den ständigen Gast Helmut W. Erdmann mit seinen vier Flöten. „Les sons irrégulières I–VII“ sorgten für einen unspektakulären Abschluss des Jubiläums.

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