Wer Prof. Kurt-Christian Stier begegnet – er ist trotz seines Wohnsitzes am Chiemsee stets in München präsent – wird ihn für einen Mittsechziger halten. Voller Ideen, Tatkraft und dennoch immer bereit für ein Gespräch – eilt er von einer Aktivität zur anderen. Er probt für Konzertauftritte, unterrichtet Schüler, widmet sich im Münchener Tonkünstlerverband der Organisation des Regionalwettbewerbs „Jugend musiziert“, nimmt an Sitzungen und Gremientreffen teil und und und…
Wenn Prof. Stier am 3. Februar 2006 sein 80. Lebensjahr vollendet, kann er – obgleich noch voll in der „vita activa“ stehend – auf ein reiches Leben zurückblicken, das ganz der Musik gewidmet war. In Gütersloh geboren, erhielt er bereits mit sieben Jahren seinen ersten Geigenunterricht. Sein Vater, Pianist und Klavierlehrer, nahm ihn früh in strenge Zucht und übte mit ihm zusammen schwierige Violinsonaten ein. Nach Abschluss der mittleren Reife studierte Kurt-Christian Stier zunächst zwei Jahre an der Staatsmusikschule Braunschweig. Am Staatstheater Braunschweig spielt er – gerade 16 Jahre alt – als Aushilfe in Symphoniekonzerten, in Opern- und Operettenaufführungen.
Nach Kriegseinsatz, amerikanischer Gefangenschaft und schwerer Erkrankung zögerte er zunächst, welchen beruflichen Weg er weiterverfolgen sollte. Bald griff er jedoch wieder zur Geige, setzte sein Studium an der Nordwestdeutschen Musikakademie Detmold fort, wo er seine Reifeprüfung und die pädagogische Ergänzungsprüfung ablegte. Er vervollkommnete anschließend seine Fähigkeiten an der Kölner Musikhochschule. Prägende Lehrerpersönlichkeiten für seine künstlerische Entwicklung waren die Professoren Willibald Roth, Max Strub (Detmold) und Wilhelm Stroß (Köln). Stroß holte seinen begabten Schüler dann als 2. Geiger in sein renommiertes Stroß-Quartett. Mit diesem unternahm Kurt-Christian Stier von 1951 bis 1960 Konzertreisen im In- und Ausland.
Der junge aufstrebende Geiger war sich jedoch keineswegs zu schade, in Salzuflen und Badenweiler im Kurorchester als Konzertmeister zu spielen. Hier eignete er sich ein umfangreiches Repertoire an und konnte zahlreiche Soli erproben. Auf diese Weise umfassend für eine spätere Laufbahn als Orchestermusiker vorbereitet, erhielt er 1958 ein Engagement als 1. Geiger und 1960 als Konzertmeister beim Bayerischen Staatsorchester unter Josef Keilberth. 1967 übernahm er die Position eines Konzertmeisters beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Gleichzeitig war er 25 Jahre lang 1. Konzertmeister des Münchner Bachorchesters unter Karl Richter. Mit diesen Orchestern konzertierte er in aller Welt. Zur selben Zeit verfolgte Kurt-Christian Stier seine Kammermusiktätigkeit weiter. Er konzertierte mit zahlreichen namhaften Solisten. Das von ihm mitbegründete und als Primarius geleitete Münchener Streichquartett genießt auch heute noch bei Insidern und Liebhabern einen großen Ruf.
Kurt-Christian Stier fand neben dem Konzertieren schon früh zur pädagogischen Tätigkeit. 1966 erhielt er einen ersten Lehrauftrag an der Münchner Musikhochschule, wo er 1975 zum Professor berufen wurde. Zu seiner pädagogischen Linie schreibt Franzpeter Messner in einem Porträt anlässlich seines 60. Geburtstages: „Kurt-Christian Stier vertritt die auf Joseph Joachim zurückgehende deutsche Violintradition: Sein Lehrer Stroß war ein Schüler des Holländers Bram Eldering, der wiederum bei Joachim studiert hatte. Eine nuancenreiche Beherrschung des Bogens und die schwierige Kunst der Phrasierung sind ein besonderes Anliegen der Pädagogik Stiers.“
Kurt-Christian Stier hat sich nicht nur seinen umfangreichen künstlerischen und pädagogischen Aufgaben gewidmet. Als Vizepräsident der Hochschule für Musik München setzte er sich unter anderem für die Ausweitung der Veranstaltungstätigkeit der Hochschule ein, um Studenten und jungen Nachwuchsmusikern vermehrte Auftrittsmöglichkeiten und Bühnenerfahrung zu verschaffen. Nach mehrjähriger Tätigkeit im Vorstand nahm er von Juni 1983 bis Juni 1997 die Aufgabe des 1. Vorsitzenden des Münchener Tonkünstlerverbandes wahr. Als Vorsitzender des Regionalausschusses „Jugend musiziert“ war er bis 2004 tätig und engagiert sich dort bis heute in leitenden Funktionen.
Der Landesverband Bayerischer Tonkünstler und der Münchener Tonkünstlerverband sind Prof. Stier besonders dafür dankbar, dass er seine herausragenden Fähigkeiten und Kenntnisse als Künstler und Pädagoge in die Arbeit des Tonkünstlerverbandes eingebracht hat und hier für die „res publica“, für die öffentliche Aufgabe der musikalischen Ausbildung und Bildung in unserem Lande gewirkt hat. Dank seiner Kontaktfreudigkeit und seiner Fähigkeit zur Integration konnte er manche Anliegen des Verbandes vorantreiben und Erfolge insbesondere im Bereich der musikalischen Nachwuchsförderung und der Förderung zeitgenössischer Musik erzielen.
Mit den herzlichsten Glückwünschen zum 80. verbinden der Landesverband und der Münchener Tonkünstlerverband den Wunsch, dass Kurt-Christian Stier noch viele Jahre bei guter Gesundheit seinen zahlreichen künstlerischen und pädagogischen Aufgaben nachgehen kann.