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Herausragender Komponist und wunderbarer Mensch

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Nachruf für Herbert Baumann
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Am Sonntag vor Heiligabend telefonierten wir noch. Herbert freute sich auf das neue Jahr, in dem er seinen 95. und Marianne, seine geliebte Frau, den 90. Geburtstag feiern würden. Er schien glücklich, freute sich, dass seine Werke häufig aufgeführt werden, auch wenn, völlig zu Recht, wie er sagte, jetzt die Jüngeren in den Vordergrund treten müssten. Sein „Ach Kinder, ist das schön!“ im Berlinerischen Akzent, mit dem er sich über unser Gespräch freute, klingt mir noch immer nach. Ich werde diese Worte so nie wieder hören. Herbert Baumann starb am 21. Januar 2020 in München.

Sein fast 100 Jahre umspannender Lebensweg konfrontierte ihn mit dem Zweiten Weltkrieg, mit der Zerbombung Berlins und mit der Teilung seiner Heimatstadt. Aber er reagierte auf diese schrecklichen Erlebnisse seiner Jugend nicht mit Depressionen, vielmehr setzte er ihnen seinen Berliner Humor entgegen.

Nach dem Krieg schlug der Vater ein Architekturstudium vor. Doch der Sohn setzte sich mit seinem Wunsch, Musiker zu werden, durch und studierte Dirigieren bei Sergiu Celibidache, Komposition bei Paul Höffer und Boris Blacher. Bereits mit 22 Jahren wurde er Leiter der Schauspielmusik am Deutschen Theater.

Bis 1970 arbeitete er dort, später am Schiller- und Schlosstheater mit so bedeutenden Regisseuren wie Boleslaw Barlog, Erwin Piscator, Fritz Kortner oder Hans Lietzau zusammen. Dann wechselte er nach München, da ihm Westberlin wie ein Gefängnis erschien. Am Residenztheater schuf er die Musik zu Inszenierungen unter anderem von Walter Felsenstein, Kurt Meisel und Ingmar Bergmann. Als Theatermusiker musste man damals ein Allroundkünstler sein. Baumann komponierte nicht nur, sondern leitete auch die Proben und trat häufig als Dirigent auf. Er schuf über 500 Bühnenmusiken, außerdem die Musik zu 6 Kinofilmen und 30 Fernsehfilmen.

1979 beendete er sein festes Engagement, um einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen. Befreit von Theaterzwängen komponierte er nun seine eigene Musik und fand dabei seinen unverwechselbaren „Baumann-Stil“. Seine Werke sollten Musik sein, die „gebraucht“ wird, und dazu zählte er nicht riesige Symphonien oder lange Opern. Er arbeitete mit Solisten und Kammermusikensembles zusammen, die seine Musik mit großem Publikumserfolg bis heute aufführen. „Gebraucht“ wurde vor allem Musik für Gitarre und Zupforchester. Herbert Baumann schuf dafür ein anspruchsvolles Repertoire, das größte Wertschätzung genießt: 1990 wurde er zum Ehrenmitglied des Bundes deutscher Zupfmusiker ernannt. „Gebraucht“ wurde auch Musik für Kinder: Seine beiden Ballette „Alice im Wunderland“ und „Rumpelstilzchen“ gehören zu den seltenen Werken des 20. Jahrhunderts, die ein fester Bestandteil des Repertoires wurden. „Rumpelstilzchen“ erlebte über 220 Aufführungen.

Die Kritiker lobten in seiner Musik die „pikanten Klangeffekte“, den „frischen Witz“, die „Fülle von thematischen Einfällen“ und die „präzise Form“. Ihm war wichtig, dass ein Stück handwerklich gut gemacht und von allem Überflüssigen befreit ist, der Hörer emotionale Steigerungen erlebt und ihn geistvolle Pointen überraschen. Zwar hatte er durchaus auch eine avantgardistische Phase, doch er wollte seine Hörer nie schockieren, sondern mitnehmen in seine musikalische Welt, die bei aller Dramatik doch immer auch ein Fenster zu Schönheit und Freude öffnet: „Unsere Zeit ist so schrecklich, dass man ihr etwas Positives gegenüberstellen muss. Wenn man nur das Negative sieht, wird alles noch schlimmer.“

Wie seine Musik, so war er auch als Mensch. Er verbreitete positive Energie, auch bei seinem Engagement im Tonkünstlerverband. Die von ihm gegründete Herbert-Baumann-Stiftung ermöglicht seit vielen Jahren die Noten­edition „Neue Töne“ des Tonkünstlerverbandes Bayern, welche Freude für Neue Musik bei jungen Musikern von klein auf zu wecken versteht.

Herbert Baumann war nicht nur ein herausragender Musiker, sondern auch ein guter Mensch: bescheiden, sich für andere einsetzend, bis ins hohe Alter erfüllt von einer ansteckenden Lebensfreude. Umso trauriger ist, dass er nicht mehr unter uns weilt.

 

 

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