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Honorarkräfte an Musikschulen

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Update zum derzeitigen Stand
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Viel ist zu lesen in den letzten Monaten zu der Frage, ob es überhaupt noch selbständige Lehrkräfte an Musikschulen geben kann angesichts der Rechtsprechung des „Herrenberg-Urteils“ des Bundessozialgerichts. Dabei ver­mischt sich leider viel zu häufig ein eher ungesundes Halbwissen mit Panikmache und bewusster Polarisierung.

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Zunächst sollten wir uns noch  einmal den Ausgangspunkt der Überlegungen bewusst machen. Tatsächlich ist es so, dass Honorarkräfte an Musikschulen  – für im Wesentlichen gleiche Arbeit – meist schlechter bezahlt werden als fest angestellte Kräfte, zumal, wenn diese, wie bei kommunalen Musikschulen, nach TVöD vergütet werden. Es ist richtig und wichtig, dass dem ein Ende gesetzt wird. Sonst ist die Altersarmut von Musiker*innen vorprogrammiert. Das kann niemand wollen.  

Andererseits ist aber auch das Spannungsverhältnis zu privaten Musikschulen zu berücksichtigen. Dort fehlen häufig öffentliche Fördergelder, die unternehmerische Risiken abmildern, so dass insbesondere rückwirkende Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen in die Insolvenz führen können. Soweit der „Ist-Stand“. Um hier Auswege zu finden, wird derzeit an vielen Stellen gearbeitet, es werden Arbeitsgemeinschaften ins Leben gerufen, Positionspapiere entwickelt et cetera. Bei all dem muss man aber immer eines im Blick haben:

Es gibt nicht den „Standardfall“ und auch keine Pauschallösung. Die Rechtsprechung betont immer, dass es sich stets um Einzelfallentscheidungen handelt und in jedem dieser Einzelfälle der Schwerpunkt einer ganzen Reihe von Kriterien, die für oder gegen eine abhängige Beschäftigung sprechen können, ermittelt wird. In diesem Sinne läuft derzeit ein „Run“ auf solche Kriterien. Dabei empfiehlt es sich, auch rechts und links zu schauen. Die Problematik der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und Selbständigkeit existiert nämlich nicht nur bei Musikschullehrern, sondern bei einer Vielzahl von Berufen. So haben beispielsweise das Bundesgesundheitsministerium, das Bundesarbeitsministerium, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Kassenärztlichen Vereinigungen gemeinsam Kriterien für eine freiberufliche vertragsärztliche Notdienstgestaltung getroffen (sog. Pool­ärzte). Dabei wurden drei Kriterien entwickelt:

  • Ärztinnen und Ärzte rechnen ihre Leistungen selbst ab.
  • Sie zahlen für die Nutzung der Notdiensträumlichkeiten, die die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung zur Verfügung stellt, ein nicht umsatzbezogenes Nutzungsentgelt.
  • Sie können den Notdienst persönlich erbringen oder sich von selbst gewählten qualifizierten Personen vertreten lassen.  

Diese Kriterien lassen sich mühelos auch auf Honorarkräfte an Musikschulen übertragen. Hinzu können dabei freilich auch noch andere Kriterien kommen wie etwa eigene Festlegung  der Höhe der Unterrichtsvergütung. Denkbar wäre zum Beispiel auch, wenn man nicht den Weg eines direkten Vertrags zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen geht, dass man Honorare abhängig davon vereinbart, ob die Schule oder die Lehrer*innen die Schüler*innen akquiriert haben. Wichtig ist aber immer, dass man dabei im Blick hat, dass § 7 a SGB IV die Möglichkeit bietet, einen Vertrag bereits vor Beginn des Vertragsverhältnisses daraufhin von der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund begutachten zu lassen, ob es sich um abhängige Beschäftigung handelt. Damit können Irritationen für die Zukunft weitgehend vermieden werden, es sei denn, und das könnte zu einer echten Falle werden, nachträglich nach der Prüfung wird irgendetwas an diesem Vertrag geändert. 

Schwieriger ist der Umgang mit „Altfällen“, also bestehenden Vertragsverhältnissen. Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat sich in Abstimmung mit dem Bundesarbeitsministerium bereit erklärt, bis zum 15.10.2024 zunächst keine Betriebsprüfungen durchzuführen. Hintergrund dürfte sein, dass man nach praktikablen Lösungen sucht, um Insolvenzen vor allem privater Musikschulen und damit einen Stillstand oder sogar Rückschritt in der Kulturbildung zu vermeiden. Andererseits ist aber auch vor dem Bundessozialgericht derzeit ein Verfahren anhängig, das sich mit der Frage befasst, ob für „Altfälle“ ein Vertrauensschutz aufgrund des „Ahaus-Urteils“ vom 14. März 2018 (B 12 R 3/17 R) besteht. Es dürfte damit zu rechnen sein, dass dieses Verfahren frühestens im Spätherbst diesen Jahres vor dem Bundessozialgericht (B 12 BA 3/23 R) verhandelt wird.

Davon völlig unabhängig ist aber die Durchführung von Statusfeststellungsverfahren nach § 7 a SGB IV. Während Betriebsprüfungen autark von der Deutschen Rentenversicherung Bund durchgeführt werden, gibt es bei Statusfeststellungsverfahren nach § 7 a SGB IV immer einen Antragsteller, nämlich einen der beiden Vertragspartner, Musikschule oder Lehrkraft. Hier kann und darf die Deutsche Rentenversicherung nicht untätig sein und Überprüfungen aussetzen, anderenfalls würde sie sich dem berechtigten Untätigkeitsvorwurf der Parteien aussetzen. Es haben also die Vertragsparteien stets in der Hand, bei „Altfällen“ Statusfeststellungsverfahren durchzuführen. Inwieweit das dann zu Nachforderungen im großen Stil führt, wird die Zukunft zeigen. Wichtig ist aber, stets im Blick zu haben, dass das letzte Wort – wenn nicht die Gesetzgebung geänderte Regeln schafft – in diesen Fragen weder die Deutsche Rentenversicherung Bund noch etwa das Bundesarbeitsministerium, sondern immer die Rechtsprechung hat. 

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