Ausgangslage
Der Tonkünstlerverband Bayern führte im Februar 2021 eine ausführliche Umfrage zu den Hilfsprogrammen des Freistaats Bayern und der Bundesregierung bei den Mitgliedern durch. Anliegen dieser Umfrage war es, ein möglichst umfassendes Bild über die Durchführung von Antragstellungen und deren Probleme und Schwierigkeiten zu erhalten. Die Ergebnisse dieser Umfrage sollen einerseits einen Beitrag dazu liefern, einen Überblick über die Annahme der verschiedenen Hilfspakete zu erhalten, andererseits Anregungen in die Begleitausschüsse der Hilfsprogramme des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst einzubringen und politisch weiterhin tätig zu sein.
Es beteiligten sich etwa 10 Prozent der insgesamt 3.000 Mitglieder des Tonkünstlerverbands. Von diesen 300 sind etwa 65 Prozent ausschließlich freiberuflich tätig, über 30 Prozent freiberuflich und angestellt und 3 Prozent ausschließlich angestellt. Die Einzelantworten zu den jeweiligen Fragen zeigen deutlich, dass sich fast ausnahmslos freiberuflich Tätige an der Umfrage beteiligt haben. Unter den Befragten werden die Haupteinnahmen zu 66 Prozent über die Musikpädagogik generiert, daneben 3,5 Prozent über Konzerte.
Zusammenfassung der Ergebnisse
Erstens wird und wurde sowohl bei den Programmen des Bundes als auch des Freistaates Bayern nicht oder nur sehr zurückhaltend beantragt. Das wird zum einen damit begründet, dass die Sorge vor Rückzahlungen oder auch vor der Bezichtigung des Betrugs immens hoch ist, zum anderen mit dem komplexen Prozess der jeweiligen Antragsstellungen. Die Formulierungen der Richtlinien werden als zu sperrig empfunden, die häufig nicht verstandenen Ausfüllhinweise sowie die Fülle an benötigten Formularen und Einreichungen überfordern die Antragsteller*innen. Weiterhin zeigte sich in der Umfrage, dass die Hilfsprogramme nur bedingt auf den realen Bedarf der Künstler*innen zugeschnitten sind. So können viele Teilnehmer*innen der Umfrage zum Beispiel keinen Antrag stellen, da die durchschnittlichen Gesamteinnahmen pro Monat im Verhältnis zum Vergleichsmonat 2019 nicht um die vorausgesetzten 30 Prozent zurückgegangen sind und sie damit nicht antragsberechtigt sind. Zum Teil wurden Einnahme-Ausfälle auch mit Online-Unterricht abgedeckt. Nicht selten wurden und werden Altersvorsorgeleistungen aufgelöst.
Corona-Soforthilfe
Etwa 40 Prozent der Befragten hat die Corona-Soforthilfe vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie im Frühjahr 2021 beantragt. Im Rahmen dieser Beantragung sind ca. 44 Prozent positive Rückläufe und 17 Prozent Absagen zu verzeichnen.
Noch weniger Anträge sind zum Künstlerhilfsprogramm, das von Mai bis September 2020 vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst angeboten wurde, eingegangen. 28 Prozent der 300 Befragten stellten dort einen Antrag, wobei etwa 2 von 5 eine Bewilligung erhalten haben.
Künstlerhilfsprogramm
Weniger als 30 Prozent gaben an, einen Antrag auf das Künstlerhilfsprogramm vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, das vom Mai bis September 2020 lief, eingereicht zu haben. Zwei Fünftel der Befragten erhielten einen positiven Bescheid.
Soloselbstständigenprogramm
Im Rahmen des später organisierten Soloselbstständigenprogramms des gleichen Ministeriums, das in den Folgemonaten von Oktober bis Dezember 2020 lief, wurde mehrheitlich auch kein Antrag gestellt: nur 18 Prozent der Befragten beantragten Hilfe im Rahmen dieses Programms. Als Gründe dafür, dass kein Antrag gestellt wurde/wird, wurde häufig angeführt, dass die Antragsstellung zu kompliziert sei, das Einkommen in den Vergleichsmonaten 2019 nicht hoch genug war und durch das digitale Unterrichten zu viel verdient würde. Am häufigsten wurde allerdings die Angst vor einer Rückzahlung genannt.
Die Erfahrungen im Antragsprozess waren vorrangig negativ. Zwar beurteilten zirka 20 Prozent das Verfahren als einfach, dagegen benötigten fast 40 Prozent Hilfe bei der Antragstellung und bei knapp 20 Prozent gab es technische Probleme. Weiterhin gab es bei einem Drittel Rückfragen, so dass insgesamt 40 Prozent der Antragsteller*innen den Prozess als zeitintensiv bewerteten. Einerseits lässt die Auszahlung bei 16 Prozent auf sich warten, andererseits verzeichneten etwa doppelt so viele Befragte eine schnelle Abwicklung der Auszahlung.
Bei etwa einem Drittel steht eine Entscheidung noch aus, insgesamt waren dagegen 46 Prozent mit der Auszahlung zufrieden (29 Prozent waren es nicht), 39 Prozent waren mit dem Prozess an sich zufrieden (34 Prozent waren es nicht).
Weitere Förderprogramme
Der Deutsche Musikrat bietet das Programm „Neustart Kultur Klassik“ an, allerdings stellten lediglich 14,6 Prozent der Befragten einen entsprechenden Antrag. Beinahe identische Werte sind bezüglich der November- und Dezemberhilfe der Bundesregierung zu verzeichnen. Etwas mehr als 10 von 300 Befragten gaben an, einen Antrag auf ALG II/Grundsicherung beziehungsweise Sozialschutzpaket gestellt zu haben.
Insgesamt zeichnet sich auch hier die Tendenz ab, dass die angebotenen Hilfsprogramme nur selten in Anspruch genommen werden (können) – auch aufgrund persönlicher Zurückhaltung in Bezug auf die Frage, ob die finanziellen Unterstützungen am Ende nicht noch zurückgezahlt werden müssen.
Kommentare zu den Hilfsprogrammen und zur Situation allgemein
Die dramatische Lage, der sich ein Großteil aller Musikpädagog*innen und mehr noch Künstler*innen gegenübersieht, spiegelt sich deutlich in den zusätzlichen Kommentaren zur eigenen Situation wider. Viele Teilnehmer*innen sind auf das Gehalt des*der Partner*in angewiesen, müssen die eigene Altersvorsorge auflösen und leben derzeit von Erspartem.
Gerade aus der Perspektive der Musikpädagog*innen kommt erschwerend hinzu, dass erwachsene Schüler*innen vom Online-Unterricht fast durchweg Abstand nehmen, die kleinsten Schüler*innen online gar nicht unterrichtet werden können und viele Familien aufgrund der eigenen prekären finanziellen Situation den Musikunterricht für ihre Kinder kündigen. Erschwerend kommt hinzu, dass eine Umsetzung der geforderten Schutz- und Hygienemaßnahmen von der lehrenden Person selbst organisiert, finanziert und durchgeführt werden muss, genauso genügt häufig das technische Know How oder aber die entsprechende Ausrüstung für einen professionellen digitalen Unterricht nicht aus. Selbst wenn auf dieser Seite der Leitung alle Voraussetzungen erfüllt sind, fehlen vielen Familien mit Musikschüler*innen angemessene Zugangsmöglichkeiten. Gleichzeitig garantiert vielen der Online-Unterricht aber wenigstens eine gewisse finanzielle Sicherheit. Demgegenüber liegt der Konzertbereich komplett brach, weshalb daraus alle Einnahmen wegfallen. Wegen der aufgeführten teils massiv einschränkenden Probleme nennen einige Teilnehmer*innen der Umfrage eine Umstellung des Erwerbsmodells auf eine Festanstellung; so könne man sich vor diesen Unwägbarkeiten in Zukunft etwas besser schützen.
Weitere Informationen
Im Februar 2021 haben die Tonkünstler München eine eigene offene Umfrage zum Online-Unterricht durchgeführt. Die Analyse der Antworten und die Auswertung erfolgte durch Anke Kies, stellvertretende Vorsitzende der Tonkünstler München. Eine Zusammenfassung erfolgte im Artikel der nmz vom April 2021 auf Seite 22 von Anke Kies.
Die Ergebnisse der Umfrage bringt der TKV Bayern in den Begleitausschuss zu den Hilfsprogrammen des Freistaats Bayern ein und versucht über ein regelmäßiges Feedback, an der Feinjustierung der Programme mitzuwirken. Der Artikel basiert auf den Auswertungen der Umfragen organisiert und durchgeführt vom TKV Bayern. Alle Ergebnisse können Sie auf der Homepage des TKV Bayern unter „Aktuelles“ einsehen.