Der Musikpädagoge Walter Rehorska, Referent bei zahlreichen D-A-CH-Tagungen des Deutschen Tonkünstlerverbandes, hat die Entwicklungen im österreichischen Musikschulwesen über Jahrzehnte begleitet und Beobachtungen dazu in seinem Band „MusikschulANALYSEN 1“ veröffentlicht. Barbara Metzger, emeritierte Professorin für Elementare Musikpädagogik an der Hochschule für Musik Würzburg, hat sich einen Eindruck davon verschafft.
Zum Autor und dessen Forschungsansatz
Der Autor legt laut Covertext einen umfangreichen „Faktencheck“ wichtiger Aspekte der voruniversitären musikalischen Bildung an österreichischen Musikschulen vor, der einen möglichen Umdenkprozess in der musikalischen Bildung anregen kann. Rehorska präsentiert hier eine adaptierte und aktualisierte Fassung seiner Dissertation von 2017, die nach dem Mixed-Methods-Forschungsdesign konzipiert wurde.
Mit seiner Forschungsarbeit will er einerseits einen Beitrag zur österreichischen Musikschulforschung leisten und andererseits Anregungen zu weiteren Forschungen im Musikschulwesen geben (S. 10).
Ist das Musikschulwesen in Österreich homogen?
Es gibt keine Normierung hinsichtlich der Begrifflichkeit, der rechtlichen Basis, des Schulerhalters, der Finanzierung, der Organisation sowie der Unterrichtsformen.
Auf den 35 Seiten werden Fakten zum Musikschulwesen der einzelnen Bundesländer übersichtlich dargestellt, die von den Musikschulen auf freiwilliger Basis zur Verfügung gestellt wurden, sodass kein Anspruch auf Vergleichbarkeit oder gar Vollständigkeit gestellt werden kann. Hier erwähnt der Verfasser die Jahresberichte des Verbandes deutscher Musikschulen (VdM) als Vorbild für eine verbindliche Dokumentation (S. 33).
Essenz des ersten Teils: Jedes Bundesland in Österreich bestimmt durch eigene Gesetze und Richtlinien sein Musikschulwesen individuell, es ist also keine homogene Sichtweise möglich.
Leisten österreichische Musikschulen Bildungsarbeit?
Im zweiten Teil der Publikation nennt Rehorska drei mögliche Wege zur Erhebung von Fakten zur Bildungsleistung von Musikschulen, aus denen sich nach seiner Einschätzung allerdings nur Teilerkenntnisse und Impulse für weitere Forschungsarbeiten ableiten lassen.
Am Beispiel der Musikschulen in der Steiermark etwa zeigt er auf, dass sich aus der dort verwendeten Notenskala von 1 bis 5 keinerlei Aussage zur musikalischen Bildungsleistung der Musikschule oder zur Leistungsfähigkeit der Schüler/-innen ableiten lässt.
Als zweite Möglichkeit der Datenerhebung zieht Rehorska den österreichischen Bundeswettbewerb „prima la musica“ der vergangenen 20 Jahre heran (S. 70 ff), wobei die Ergebnisse nach Aussage des Autors nur einen kleinen Teil der Musikschularbeit widerspiegeln (S. 103).
Den dritten Weg zur Datenerhebung bietet ein online-Fragebogen zur musikalischen Vorbildung von Musikstudierenden in den Jahren 2015/16; Ergebnis: Musikschulen sind die wichtigsten voruniversitären Institutionen knapp vor den Konservatorien (S. 124).
Welche Erwartungen haben Eltern an die Musikschule?
Teil 3 der Publikation beschäftigt sich mit der Meinung der Eltern zur Bedeutung von Musikschulen anhand einer online-Umfrage in den Jahren 2017 in der Steiermark und 2018 in Niederösterreich. Das Ergebnis zeigt, dass Eltern an erster Stelle von den Musikschulen erwarten, dass sie Freude an Musik vermitteln, gefolgt von sozialer und individueller Förderung, dann altersgerechtem und gutem pädagogischen Wirken, gefolgt von Hobby-Ausgleich und Motivation; erst jetzt folgt das Kriterium Talentförderung (S. 144).
Der Autor leitet von dieser Erhebung ab, dass Kinder Zeit und Raum sowie Motivationsanreize aus der sozialen Umwelt für den musikalischen Lernerfolg benötigen und dass eine gezielte Kommunikation und Kooperation zwischen Musikschulen und Schulen zu verstärken ist.
Sind Kooperationen notwendig?
Teil 4 der vorliegenden Publikation beleuchtet schließlich die Kooperation von Musikschulen und öffentlichen Schulen. Kooperationen im Teamteaching in Klassenmusikprojekten werden in fast allen österreichischen Bundesländern angeboten (S.149 ff). Insgesamt wird die Kooperation von Musikschulen und Regelschulen als sehr vorteilhaft bewertet, vor allem durch die Chance, alle Kinder zu erreichen sowie frühzeitig Talente zu entdecken.
Wie können Verbesserungen in der musikalischen Bildung erreicht werden?
Walter Rehorska zieht folgendes Fazit: „Musik lernende Kinder werden in der Bildungskonzeption in Österreich zu wenig berücksichtigt.“ Seine Forderung lautet daher einerseits, dass die österreichische Bildungspolitik das Musikschulwesen in seiner Bedeutung als Kulturträger sowie als Träger der voruniversitären Musikausbildung stärker anerkennt. Andererseits fordert er ein Konzept, das das Regelschulwesen für die Musikschulen öffnet und Musiktalente fördert, also einen Masterplan der Musikbildung (S. 158).
Diese Publikation birgt viel Faktenmaterial und kann als Impuls zu weiteren Überlegungen zur Optimierung der musikalischen Förderung von jungen Menschen in Österreich dienen.
Buch-Tipp
Walter Rehorska: MusikschulANALYSEN 1. Musikschulen der österreichischen Bundesländer und Gemeinden: Musikalische Bildungsleistungen im Fokus
Band 4 der Reihe Beiträge zur Musikschulforschung, Hrsg.: Kultur.Region. Niederösterreich GmbH, Atzenbrugg 2018, 172 Seiten, 17,80 Euro, ISBN: 978-3-903058-20-0