Dr. Elisabeth Möst lebt seit 2013 in Detmold und ist Mitglied des DTKV. Bereits im Alter von acht Jahren entdeckte sie ihre Liebe zur Flöte. Sie studierte an der Linzer Bruckneruni, an der Wiener Privatuniversität für Musik. Anschließend wurde sie von Manuela Wiesler in Wien privat unterrichtet, worauf ein Jahr an der Royal Academy of Music in London bei William Bennett als Gaststudentin folgte. Ebenso besitzt sie auch einen Abschluss in Humanmedizin.
Als mehrfache Preisträgerin feierte die Künstlerin im Jahr 2001 in London ihr Debüt mit der Uraufführung eines Werkes von Helmut Neumann, das er eigens für sie komponierte. Weiter haben ihr viele zeitgenössische Komponist*innen, unter ihnen Violeta Dinescu, Nikolai Badinski, W.A. Schultz, Werke gewidmet. Ebenso erwähnt sei Jakob Gruchmann, der für das Projekt „Dem Licht entgegen“, welches am 12.6.22 uraufgeführt wurde, „Seuchenklage“ komponierte. Auch gestaltete er das während Corona entwickelte Projekt „TAU“ als einer der Komponisten mit. Möst ist eine geschätzte Interpretin zeitgenössischer Musik neben dem konventionellen Repertoire. Gastspiele führten Frau Möst sowohl als Solistin als auch als Kammermusikerin durch Europa, Südamerika und die USA. Nun gewann sie beim internationalen „Tiziano Rossetti“-Wettbewerb, der online ausgetragen wurde, in der Kategorie „ohne Altersgrenze“ in der Sparte Holzbläser mit 95 Punkten von 100 möglichen Punkten. Ebenso erfolgreich konnte sie sich in der Sparte CD mit ihrem Werk „Soloraritäten“ den ersten Preis sichern. Der DTKV gratuliert recht herzlich zu diesem Erfolg.
neue musikzeitung: Frau Dr. Möst, wir möchten Sie gerne etwas besser kennenlernen. Sie sind ein gern gesehener Gast auf internationalem Boden mit einem Repertoire von der Barockzeit bis zur Neuzeit. Haben Sie musikalische Lieblinge? Was liegt Ihnen in der Musik am meisten am Herzen?
Elisabeth Möst: Ich gehe gar nicht so sehr nach Epochen sondern danach, ob mich ein Werk interessiert. Der Inhalt muss mich reizen. Als Musikerin allgemein habe ich eine große Beziehung zu Schubert, der für Flöte leider nicht viel geschrieben hat. Innerhalb meines Flötenlebens finde ich viele Werke aus der französischen Literatur spannend, Werke von Françaix, Gaubert, Franck, Messiaen,... Ich brauche aber genauso unseren Mozart, unseren Beethoven und Haydn und vergessene Komponisten aus Österreich. Daher kommt meine Programmidee: Austria-Mozart. Others to listen. Und über die berühmte Solo-Partita von J.S. Bach nachzudenken und auch die berühmte Chaconne und immer wieder aufs Neue zu interpretieren, begleitet mich seit meiner Diplomprüfung. Das sind Werke, mit denen man nie wirklich fertig ist. Ein Werk muss nicht lang sein, um es zu mögen. Ich habe auch Freude an kleinen Werken, wie von dem Estländer Arvo Pärt. Und Kammermusik, wobei Flöte, Violoncello, Klavier eine Lieblingsbesetzung von mir ist. Ein weiteres Interesse von mir ist die Kompositionskunst von Frauen.
nmz: Was reizt Sie persönlich auch gerade an der neuen Musik? Wie bringen Sie persönlich Zuhörer*innen diese Musik näher?
Möst: Die Frage nach der zeitgenössischen Musik ist so eine Sache. Es gibt so viele verschiedene Kompositionsstile, die man nicht alle in einen Topf werfen kann. Reizvoll ist auf alle Fälle das Spiel mit Klangeffekten, der Ausdruck der ganzen Gefühlspalette, die wir Menschen haben, aber eben auf eine andere Weise als in den Jahrhunderten davor. Und wie oft entdeckt man in der Musik des 21. Jahrhunderts Spuren von großen Komponisten früherer Jahrhunderte, die in zeitgenössischen Kompositionen eingewoben sind. Wenn Violeta Dinescu mir sagt, dass sie Schubert verehrt, dann ist es eine spannende Reise, diese Spuren in ihren Kompositionen zu finden. Oder bedenken wir die barocken Elemente bei Françaix oder bei Hindemith. Meine Erfahrung ist, dass Zuhörer viel weiter sind, was das Verständnis zeitgenössischer Musik betrifft. Ich kann es nicht leiden, wenn Musiker auf die Bühne gehen und meinen, man müsste den Zuhörern die Angst vor neuen Stücken nehmen. Nach meiner Meinung hat man da schon verloren. Natürlich kann es passieren, dass das neue Werk nicht angenommen wird. Aber das ist Mozart, Bizet, Mahler und vielen anderen auch so ergangen. Und inzwischen sind die Auferstehungssinfonie von Mahler, die Oper Carmen, die Entführung aus dem Serail kein Diskussionsstoff mehr. War es nicht schon immer so, dass viele Komponisten der Zeit voraus waren?
nmz: Sie arbeiten selbst auch mit einer Mischung von Sprechkunst, Musik und geistigem, durchaus themenbezogenem Gedankengut. Würden Sie ihre eigenen, wie Sie sie nennen, „meditativen Hörbilder“ auch in dieser Gattung (neue Musik) einordnen?
Möst: Nein, das kann man so generell nicht sagen. Ich bin prinzipiell kein Freund von „Einordnungen“. Nehmen wir das Projekt „Die Osternacht“ ( zwei Schauspieler und ich als Flötistin). Da wird barockes Material gespielt, aber auch eine Etüde von Anderson und Musik des 20. und 21.Jahrhunderts. Die Musik, die ich spiele, ordnet sich dem gesprochenen Text der beiden Schauspieler unter, in dem Sinne, dass die Musik den Text verstärkt, voraussagend wirkt, untermauert. Es ist ein einziger roter Faden, der sich durchzieht. Je nach Szene wähle ich die passende Musik aus, die die momentane Atmosphäre am besten trifft; aus welchem Jahrhundert sie kommt, ist zweitrangig.
nmz: Sie sind Botschafterin des Klangreiheninstituts in Wien. Was dürfen wir uns darunter vorstellen? Was ist Ihre Aufgabe, was die des Institutes?
Möst: Das Klangreiheninstitut in Wien hat die Aufgabe, die 3. Wiener 12-Tonkompositionsschule zu erforschen, wobei die Mitarbeiter selbst komponieren. Einer der wichtigsten Vertreter an diesem Institut ist Prof. Helmut Neumann, der mir sein Flötenkonzert gewidmet hat. Wir haben es an der Musikhochschule in Sofia eingespielt. Meine Aufgabe ist, die Flöten-Werke, die durch die 3. Wiener Schule entstanden sind, in die Konzertprogramme aufzunehmen und dadurch bekannter zu machen.
nmz: Ihre Biografie verrät, dass Sie als Lehrdozentin an der Internationalen Akademie (ITA) in Göttingen waren und ein paar Jahre Kurse an der Landesakademie in Bayern gegeben haben. Daneben Konzerte, Wettbewerbe und Aufnahmen. Des weiteren geben Sie Kurse in verschiedenen Ländern. Die ursprünglich für dieses Jahr geplante Tournee durch China muss leider verschoben werden, dennoch: Wie bekommen Sie ein so straffes Programm organisiert?
Möst: In den letzten Jahren war ich auch als Dozentin beim Alion Baltic Festival eingeladen und während des Lockdowns bei dem Zoom-Meisterkurs „classicalhugs.com“. Ich habe früh genug gelernt, diszipliniert zu arbeiten und gut zu organisieren. Das, was ich gerade mache, wird konzentriert gemacht.
nmz: So gewinnt man dann auch Preise, noch einmal: Gratulation. Die oben genannte Preisträger-CD trägt den Titel: „Soloraritäten“ und enthält Werke von sieben Komponist*innen, darunter André Jolivet, Peteris Vasks, Dinu Lipatti, Elena Firssowa und andere. Sie ist mittlerweile auf Spotify zu finden und steht somit einem breiten Publikum zur Verfügung. Nun folgt die Uraufführung des oben erwähnten Projektes „Dem Licht entgegen“ am 12.6.2022 in der Pfarrkirche in Salzburg/Herrnau. Es ist der Glaskünstlerin Magret Bilger, ja man kann sagen, ein Stück weit zu verdanken. Wie kam es dazu?
Möst: Es ist eine Win-win-Situation, wenn Sie so wollen. Das Projekt hätte letztes Jahr zum 50. Todestag von M. Bilger stattfinden sollen, musste aber wegen eines erneuten Lockdowns auf dieses Jahr verschoben werden. Ich war von einem Oboisten inspiriert, der während Corona vor einem Glasfenster in der Schweiz spielte, damit ein bisschen Musik erklingt. Daraufhin beschloss ich „Ich finde auch ein Fenster“. Und was für eines! Es ist das größte Glasfenster Binneneuropas. Dieses Fenster ist eine Wucht und verdient mehr Aufmerksamkeit. Deshalb habe ich dieses Projekt gemeinsam mit einem Komponistenteam, das die Thematik des Fensters in Ton gesetzt hat, auf die Beine gestellt.
nmz: Gibt es weitere geplante Vorhaben?
Möst: Es stehen kammermusikalische Projekte an mit Rossini ( Flöte/Streicher) mit zeitgenössischer Musik (Flöte/Schlagwerk), mit romantischer Musik (Sopran/Flöte/Klavier), ein Soloprogramm im Sommer und ein paar Workshops.
Interview: Cordula Schlößer-Braun