Der DTKV-Bezirksverband Göttingen musste sich Anfang diesen Jahres von einem langjährigen Mitglied verabschieden: Die hochgeschätzte und sehr beliebte Violinpädagogin Ingrid Sommer wurde plötzlich und unerwartet aus dem Leben gerissen. Ihr Tod hinterlässt sowohl im Kollegenkreis als auch bei ihren Schülern eine riesige Lücke.
Der DTKV-Bezirksverband Göttingen musste sich Anfang diesen Jahres von einem langjährigen Mitglied verabschieden: Die hochgeschätzte und sehr beliebte Violinpädagogin Ingrid Sommer wurde plötzlich und unerwartet aus dem Leben gerissen. Ihr Tod hinterlässt sowohl im Kollegenkreis als auch bei ihren Schülern eine riesige Lücke.
Ingrid Sommer wurde am 19. April 1957 in Bruchsal geboren. Als kleines Kind entdeckte sie durch eine alte Geige auf dem elterlichen Dachboden die Liebe zum Geigenspiel. Mit acht Jahren begann sie mit dem Geigenunterricht und nahm sehr früh das Musikstudium an der Hochschule in Karlsruhe bei Professor Josef Rissin auf. Bereits als Studentin leitete sie ein kleines Orchester, einen Flötenkreis sowie Kinder- und Jugendchöre. Nach dem Studium unterrichtete sie an der Musikschule in Baden-Baden. Ende der 80er-Jahre folgte der Ortswechsel nach Göttingen und ließ sie als Privatmusikerzieherin aktiv werden. Innerhalb kurzer Zeit baute sie sich eine Schülerklasse auf.
Mit ihrer eigenen Unterrichtsmethode, die sie bereits im Rahmen ihrer Examensarbeit entwickelte, war sie von Anfang an sehr erfolgreich. Mehr als 20 Jahre lang nahm eine große Anzahl hervorragender Schüler am Wettbewerb „Jugend musiziert“ teil, oft mit Weiterleitung zur Landes- und Bundesebene. Regelmäßig schickte sie Schüler in das Jugendsinfonieorchester Göttingen. Drei ihrer ehemaligen Schüler sind derzeit Jungstudenten im Musikinternat bzw. in Musikhochschulen, etliche arbeiten mittlerweile als Berufsmusiker.
Was die besondere Art des Unterrichtens von Ingrid Sommer ausmachte, haben einige ihrer Schüler und Kollegen treffend formuliert. „‚Jeder Mensch lernt anders!‘ – den einzelnen Schüler genau einzuschätzen, seine Stärken und Schwächen zu erkennen, das war ihr absolut wichtig.“ Die 16-jährige Sarah nahm diesen pädagogischen Ansatz als Essenz aus einem zweiwöchigen Berufspraktikum im Januar 2013 mit.
Die individuelle Entwicklung ihrer Geigenschüler und deren Persönlichkeitsentfaltung lagen Ingrid Sommer sehr am Herzen. Mit großer Leidenschaft und Hingabe hat sie ihre Schüler unterstützt, gefördert und zu Höchstleistungen motiviert. Dabei stand die Freude am Musizieren stets im Mittelpunkt. Durch eine auf den jeweiligen Schüler persönlich zugeschnittene Auswahl an Stücken und Etüden weckte sie die Begeisterung für das Üben. Mit spielerischer Leichtigkeit wurden technische Herausforderungen bewältigt.
Auf diese Weise schöpfte Ingrid Sommer das Potential jedes einzelnen Schülers vollkommen aus. Viele wuchsen so über sich selbst hinaus. „Die Bühne ist immer die Belohnung“, zitiert eine Kollegin Ingrid Sommer.
Bemerkenswert unverkrampftes Auftreten sowie körperliche Präsenz und Lockerheit ihrer Schüler ließen die Konzerte für die Zuhörer zu einem musikalischen Genuss werden. Zweimal jährlich veranstaltete sie Klassenvorspiele im großen Hörsaal des Max-Planck-Institutes. Bei den Händelfestspielen 2012 war sie mit einem Familienkonzert vertreten, bei dem auch das von ihr gegründete Kinderstreichorchester „violino con brio“ auftrat.
„Besonders geliebt hat sie die Arbeit mit den ,ganz Kleinen‘“, weiß Marike Sophie zu berichten, die selbst als 6-Jährige bei Ingrid Sommer begann und heute Jungstudentin in Bremen ist. Kinderlieder zu transponieren, Intervalle zu hören und Tonleitern zu spielen war schon für die Anfänger eine Selbstverständlichkeit. Ingrid Sommer spielte bei den kleinen Schülern stets selbst mit, um ihnen Halt bei der Tonerzeugung zu geben. Zu Melodien in den ersten Literaturstücken erfand sie Texte, so dass daraus Lieder zum Mitsingen wurden. Dadurch gewann der Schüler auch rhythmische Sicherheit. Wie viel Fantasie sie in ihre Arbeit einfließen ließ, verdeutlicht folgendes Beispiel: Die vier Seiten der Geige erhielten Tiernamen – Giraffe, Dackel, Affe, Esel – und wurden in ein „Tonhaus“ gemalt, vom Keller bis zum Dachboden. So hat selbst ein Kindergartenkind schon eine Vorstellung von unterschiedlichen Tonhöhen bekommen.
Den musikalischen Ausdruckswillen ihrer Schüler regte Ingrid Sommer vor allem über bildhafte Vergleiche an. Sie erzählte phantasievolle Geschichten oder forderte die Kinder mit der Frage „Was stellst du dir bei dieser Musik vor?“ auf, eigene Ideen zum Stück zu entwickeln. „Jede Stunde war ein neues Erlebnis“, fasst Marike Sophie ihre Erfahrungen zusammen.
„Charakteristisch an ihrem Unterricht war, dass sie immer mitgesungen hat“, erzählt ihr ehemaliger Schüler Finn Henrik, der mittlerweile Mitglied im Bundesjugendorchester ist. Durch das Mitsingen machte sie auf unmittelbare Art und Weise den jungen Streichern den musikalischen Ausdrucksgehalt deutlich.
„Ingrid hat jedes Kind so angenommen, wie es ist“, äußert sich der Göttinger Geiger Henning Vater begeistert über seine Kollegin und betont, das wirklich Wichtige an ihrem Unterricht sei ihre menschliche Seite gewesen: „Ihre Methode ist Liebe!“
Über das persönliche Gespräch im Unterricht stellte sie einen engen Kontakt zum Schüler her; diese Beziehung war geprägt von Vertrauen und Verständnis.
Ingrid Sommer hat mit ihrem Engagement und ihrer außergewöhnlichen Persönlichkeit den DTKV Göttingen sehr bereichert. Ihre Erfahrung, ihr Rat und ihr Einsatz werden uns schmerzlich fehlen. Ihr Andenken wird uns Ansporn sein für unsere weitere Arbeit.