„Gefahren für das deutsche Musikleben und Wege zu ihrer Überwindung“ verkündigte die Denkschrift des noch jungen Deutschen Musikrates, Dachgremium musikalischer Institutionen und Organisationen, konkretes Beispiel: Den rund 100 Kulturorchestern in Deutschland fehlte Streicher- und Bläser-Nachwuchs, und es fehlten natürlich auch die entsprechenden Lehrer, die für die Ausbildung hätten sorgen können. Gleiche Klagen seitens der wenigen Laien- und Jugendorchester. Statistische Erhebungen „Musikberufe und ihr Nachwuchs“ (1960/61) rechneten hoch, was an Studienabsolventen von unseren Musikhochschulen zu erwarten sei. Das war deprimierend. Als Ersatz wurden die viel besser ausgebildeten ausländischen Musiker und Musiklehrer, die ins Land kamen, Willkommen geheißen.
„Gefahren für das deutsche Musikleben und Wege zu ihrer Überwindung“ verkündigte die Denkschrift des noch jungen Deutschen Musikrates, Dachgremium musikalischer Institutionen und Organisationen, konkretes Beispiel: Den rund 100 Kulturorchestern in Deutschland fehlte Streicher- und Bläser-Nachwuchs, und es fehlten natürlich auch die entsprechenden Lehrer, die für die Ausbildung hätten sorgen können. Gleiche Klagen seitens der wenigen Laien- und Jugendorchester. Statistische Erhebungen „Musikberufe und ihr Nachwuchs“ (1960/61) rechneten hoch, was an Studienabsolventen von unseren Musikhochschulen zu erwarten sei. Das war deprimierend. Als Ersatz wurden die viel besser ausgebildeten ausländischen Musiker und Musiklehrer, die ins Land kamen, Willkommen geheißen.
Anfang der 60er-Jahre: Bundesweite Jugend-Klavierwettbewerbe, vom Tonkünstler-Verband und der Musikalischen Jugend Deutschlands, der deutschen Jeunesses Musicales, in Bonn (1960), und dann in Stuttgart (1962) durchgeführt, fanden in der Öffentlichkeit Resonanz: Talentierte Kinder und Jugendliche, die mit ihrer musikalischen Leistung Beispiel gaben, beeindruckten sehr und gaben den Anstoß. So fragte der Präsident des Deutschen Musikrates, Kölns Hochschuldirektor Prof. Hans Mersmann: Warum sollten diese Beispiele eines Jugendwettbewerbes nicht auch auf andere Instrumente übertragen werden können, z.B. um nach jungen Spielern auf Geige und Cello Ausschau zu halten? Einige Ortsverbände der Tonkünstler, so in Augsburg oder in Stuttgart, hatten neben Klavier auch schon Streicher und Bläser in ihren Wettbewerb einbezogen. Das Thema Jugendwettbewerb war also durchaus aktuell.
VDTM als Initiativ-Gruppe
Davon angesprochen fanden sich die Vorsitzenden der deutschen Tonkünstlerverbände auf Grund bisheriger Wettbewerbserfahrungen in die Pflicht genommen. Ebenso der jung bestallte JM-Generalsekretär, der schon 1960 mit der Ausrichtung der Klavierspiel-Wettbewerbe in Bonn und Berlin betraut war. An einem Montag, es war der 3. Juli 1961, chauffierte er sie hinaus nach Rottenbuch im bayerischen Pfaffenwinkel, wo der Münchner Komponist Fritz Büchtger eine Ferienwohnung hatte und in die er sich wegen einer leichten Erkrankung zurückgezogen hatte: Das waren Prof. Reimar Dahlgrün aus Hannover vom Präsidium des Tonkünstlerverbandes, dessen Geschäftsführer, der Musikbibliothekar Herbert Schermall, Herbert Sass, Generalsekretär des Deutschen Musikrates. Sie hatten sich vorgenommen darüber nachzudenken, wie dem Streichernachwuchs auf die Beine geholfen werden könnte, also wie das Prinzip des Jugendwettbewerbes auf Geige, Bratsche, Cello und Kontrabass zu übertragen wäre.
Dort unter einem Lindenbaum beraten wurde das Konzept eines solchen Wettbewerbes, ausgehend von den gemeinsamen Erfahrungen beim Klavierwettbewerb: Erweiterung der Altersstufen im Interesse der älteren Schülerjahrgänge auf Höchstalter 20 Jahre, und welche Leistungsanforderungen, Vorspielzeiten, Spielliteratur, Epochen, Pflicht- oder Richtwerke, angemessene Einbeziehung zeitgenössischer Musik (daraus entstanden später die Listen mit Literaturauswahl für die einzelnen Instrumente), Probleme der Klavierbegleitung, Beurteilungskriterien für die Jury? Ein breites Themenfeld tat sich hier auf, das weit in die Ausbildung greift. Es bestand wenig Ahnung, wie viele junge Streicher in welchem Ausbildungsstadium als potentielle Teilnehmer zu erwarten wären und wie man sie und ihre Lehrer für einen solchen Wettbewerb interessieren könnte.
„Jugend musiziert“ als gemeinsame Aktion
Bei der Generalversammlung 1961 des Deutschen Musikrates wurde der Plan von Wettbewerben für das instrumentale Musizieren der Jugend im jährlichen Wechsel der Instrumentengattungen regional und überregional auf der Grundlage des vom VDTM ausgearbeiteten Konzeptes interessiert aufgenommen. Ein Jahr später, im Rahmen der 7. Generalversammlung des Deutschen Musikrates in München, verständigten sich die Vorsitzenden der vier Fachverbände, Verband Deutscher Schulmusikerzieher (VDS) Dr. Egon Kraus, Verband der Jugend- und Volksmusikschulen Dr. Wilhelm Twittenhoff, Verband Deutscher Tonkünstler und Musiklehrer (VDTM) Prof. von Knorr, Musikalische Jugend Deutschlands (MJD) Fritz Büchtger formell auf die gemeinsame Aktion „Jugend musiziert“ „als eine Maßnahme gleichermaßen zur Anregung für das eigene Musizieren der Jugend wie zur Förderung des musikalischen Nachwuchses und der Auslese musikalischer Frühbegabungen“. Voraussetzung war die vom Deutschen Musikrat erwirkte Zustimmung des Bundesministers für Jugend- und Familienfragen zu diesem Plan, dazu eine ergänzende Förderungszusage von der ein Jahr zuvor gegründeten Deutschen Stiftung Musikleben.
Der im Frühsommer 1962 redigierte, im Herbst erschienene Tonkünstler-Kalender für 1963 enthielt bereits (ohne den Titel „Jugend musiziert“) eine Vorankündigung der „Wettbewerbe für das instrumentale Musizieren der Jugend“ mit einer Vorschau für 1963 auf Streichinstrumente, 1964 auf Blasinstrumente, ferner für 1964 in München auf Klavier und Klavierkammermusik 1965, - aber es kam ein wenig anders.
Wann und wer dem Wettbewerb den Namen „Jugend musiziert“ gegeben hat, ist nicht mehr klar nachzuvollziehen, wohl erstmals mit der gemeinsamen Presseerklärung im September 1963. Wichtiger war, dass sich jene vier oben genannte musikpädagogische Verbände vorher darauf geeinigt hatten, in Verbindung mit dem Deutschen Musikrat und der Deutschen Stiftung Musikleben die Verantwortung für die Ausrichtung der Wettbewerbe „Jugend musiziert“ zu übernehmen: die Musikalische Jugend Deutschlands, Verband Deutscher Tonkünstler und Musiklehrer, der Verband der Jugend- und Volksmusikschulen (wie er bis 1966 firmierte) und der Verband Deutscher Schulmusikerzieher. Mit einem Good-Will-Appell wandten sie sich an ihre verbandlichen Gliederungen in den Regional- und Landesverbänden: „Die Musikerzieher in den allgemeinbildenden Schulen und Jugendmusikschulen, in der Jugendarbeit und in freier Unterrichtstätigkeit fordern wir auf, sich aktiv an der Gestaltung und Durchführung der Wettbewerbe zu beteiligen und in den örtlichen Ausschüssen mitzuarbeiten“ (Aufruf-Text).
So galt es, ein Netz von Ansprechpartnern aufzubauen, die die Auswahlspiele auf Regional- und Landesebene fachlich und organisatorisch übernehmen und auch nach Wegen der Finanzierung suchten. Vorwiegend wurde zunächst der Kontakt in den Regionen bei den allseits präsenten Schulmusikern gesucht, zumal großer Wert darauf gelegt wurde, „Jugend musiziert“ wie andere ausgeschriebene Schülerwettbewerbe zu verstehen (weil die erforderliche Organisationsarbeit dann als dienstliche Tätigkeit des Schulmusikerziehers eingeschätzt werden könnte). Doch „Jugend musiziert“ wurde schließlich mehr als eine „außerschulische Maßnahme“ gesehen, weil die musikalische Leistung der Teilnehmer schließlich vorwiegend außerhalb der allgemeinbildenden Schule erbracht werde. Der Federführung und der Organisationsarbeit in den Ausschüssen nahmen sich schließlich zu etwa je einem Drittel die Musikschulen mit ihren Sekretariaten und die Schulmusikerzieher an. Der Rest der Ausschüsse hatte seine Adresse bei Geschäftsstellen des Tonkünstlerverbandes oder bei Kultur- oder Jugendämtern, bei Konservatorien oder zunächst auch bei einzelnen Persönlichkeiten, die sich dafür engagierten. In der Startphase waren es vor allem die Tonkünstler-Landesverbände von Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, die sich mit dem Projekt „Jugend musiziert“ identifizierten, in den Regionen die Orts- und Regionalverbände bzw. deren Vorsitzende in Augsburg, München, Rosenheim, Bielefeld, Bonn, Duisburg, Düsseldorf und Münster. Die Landesausschüsse „Jugend musiziert“ erweiterten sich Mitte der siebziger Jahre zu Landesarbeitsgemeinschaften für Musik bzw. Musikerziehung und Musikpflege. Daraus entstanden 1977/78 in allen Bundesländern die Landesmusikräte.
Diese Zusammenarbeit all jener, die sich musikerzieherisch in der Mitverantwortung sahen, war die Grundlage für das Gelingen dieses bundesweiten Unternehmens, natürlich wurden dabei auch viele persönliche Beziehungen ins Spiel gebracht und genutzt, selbstverständlich alles im Ehrenamt. Und mit welch bescheidenen Arbeits- und Kommunikationsmitteln musste man sich in den sechziger und siebziger Jahren noch zufrieden geben, ohne Kopiergerät, ohne Computer, Notebook, Fax, Internet! Vom Handy noch keine Ahnung!
Die gemeinsam übernommene Verantwortung drückt sich am deutlichsten aus in dem jährlich neu unterzeichneten Gemeinsamen Aufruf zu „Jugend musiziert“, der erstmals im Bulletin der Bundesregierung am 18. September 1963 erschien, unterschrieben von den genannten vier den Wettbewerb ausrichtenden Fachverbänden, dem Deutschen Musikrat (und der ihm vorgeschalteten Arbeitsgemeinschaft für Musikerziehung und Musikpflege) und von den an der Finanzierung beteiligten Öffentlichen Händen (Bund–Länder–Kommunen) sowie als private Förderhand die Deutsche Stiftung Musikleben, seit 1993/94 zusätzlich die Sparkassenorganisation, nach 1997 auch die Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten. Ab dem dritten Wettbewerbsjahr (1967) spannte der jeweilige Bundespräsident seinen Schirm über „Jugend musiziert“ auf. Unterzeichnet ist dieser Gemeinsame Aufruf jeweils von den Vorsitzenden oder Präsidenten der Verbände. Für den Verband Deutscher Tonkünstler und Musiklehrer (VDTM) waren dies 1963/64 der damalige Präsident Ernst-Lothar von Knorr, 1965–1973 für den (jetzt so benannten) VDMK Prof. Siegfried Borris, 1974–1976 Fritz Büchtger, 1977–1978 Prof. Hans Joachim Vetter, 1978–1993 Prof. Siegfried Palm, seit 1993 als „Deutscher Tonkünstlerverband“ (DTKV), 1994–2005 Prof. Inka Stampfl, 2006–2011 Rolf Hempel, seit 2012 Dr. Dirk Hewig.
Wie sich der Tonkünstlerverband in die Praxis der Wettbewerbe eingebracht hat, schildert ein dritter Beitrag in der nächsten Ausgabe der nmz.