Er hat eine große Lücke hinterlassen. Helmut Bieler, der Initiator, Gestalter und Sponsor des diesjährigen Festivals, konnte nicht mehr dabei sein. Sein Freund und Mitstreiter Wolfram Graf hat nach Bielers Tod souverän durch die Abende geführt.
Bereits Tradition ist die Eröffnungsveranstaltung im großen Saal des Hauses Wahnfried. Die Idealbesetzung mit Tobias van der Pals (Violoncello) und Rudolf Ramming (Klavier) galt den unterschiedlichsten Stilrichtungen der neuen Musik. Das progressivste Stück schrieb Bieler mit seinen „Erinnerungen“, Graf bekannte sich zur klassischen Form der Sonate und Michael Starke huldigte den genius loci mit der konzentrierten, freitonalen und spieltechnisch anspruchsvollen Darstellung von „Tristan und Isolde“ für Violoncello solo. Leopold van der Pals, Vorfahre des bravourösen Cellisten, war mit acht Fantasiestücken op. 80 vertreten, einem Reigen origineller Musik, stilistisch an der Grenze zur Modernität angesiedelt.
Ebenfalls zur Tradition wurde inzwischen die Klaviernacht im Hause Steingraeber, wiederum gesponsert und betreut durch den Firmenchef Udo Schmidt-Steingraeber. Absoluter Höhepunkt der vierstündigen Veranstaltung war die Wiedergabe der „Weise von Liebe und Tod des Cornets Chris-toph Rilke“ in der Vertonung von Viktor Ullmann. Die im wörtlichsten Sinn ergreifende Wiedergabe durch Wolfgang Döberlein am Klavier und den Rezitator Ralf Hocke hinterließ eine lange, betroffen machende Stille. Zuvor gestalteten die beiden Künstler aus den „Vingt Regards sur l’Enfant-Jésus“ fünf ausgewählte Bilder von Olivier Messiaen mit seiner unverwechselbaren Klangsprache. Keine „Angst vor neuer Musik“ brauchten die Hörer beim ersten Konzert des Abends mit seinen meist „zahmen“ Kompositionen von Prokofieff, Weinberg, Kancheli, Silvestrow, Ustvolskaja und Frid zu haben. Die vorzügliche Pianistin Elisaveta Blumina repräsentierte eindrucksvoll die russische Klaviertradition mit ihrem temperamentvollen und poetischen Spiel. In jeder Beziehung weit ausgreifend gestaltete Moritz Eggert die dritte Veranstaltung des Abends unter dem Motto „Lehrer und Vorbilder“. Kompositionen von Kühnl, Henze, Killmayer, Mompou und Eggert waren der Anlass, Eggerts überschäumendes Temperament wieder einmal zu demonstrieren. Es ist ihm nichts heilig. Seine „Hämmerklavierstücke“ beweisen es. Sowohl eine Mundharmonika als auch die Ferse seines Fußes werden zur Produktion von Musik verwendet. Bewundernswert ist das allemal.
Der dritte Abend mit dem Ensemble Musica Viva brachte unter dem Titel „Wandlungen“ in bewährter Weise Kompositionen von Bieler, Vivier, Ka Nin und Helmut Erdmann, der wie immer den Part der diversen Flöten übernahm. Hervorzuheben ist ein Schlagzeugsolo „Bilder im Kopf“ von Bernd Kremling, ebenso wie ein Poème von Helmut Bieler auf den anrührenden Text von Heide I. Bieler. Marie Schmalhofer (Sopran) und Marina Palmer-Wulff (Klavier), beide musikalisch und technisch absolut sicher, trugen zum Gelingen des Konzertabends bei.
Als großer Gewinn für die Besucher des 32. Festivals muss das abschließende Konzert des Merlin Ensembles Wien gefeiert werden. So vorzügliche Musiker wie Martin Walch (Violine), Luis Zorita (Violoncello) und Till Alexander Körber (Klavier) zwingen durch die Intensität ihres Spiels unmittelbar zum aufmerksamen, konzentrierten Zuhören. Sie boten ausgesprochen „neue“, klangintensive Musik mit Tiefgang. Sichtbare Spielfreude und Humor übertrugen sich auf die Zuhörer. Minimalste Musik von extremer Kürze aus der Feder des Pianisten, mit „Mikroskopische Reflexionen über die dunkle Nacht der Sinne“ bezeichnet, war wohl als Mutprobe für Spieler und Hörer gedacht. Thomas Daniel Schlee stellte mit drei Kompositionen in unterschiedlicher kammermusikalischer Besetzung seinen Personalstil unter Beweis. Auch ein Psychogramm „betrübnis & beschwingtheit“ oder die Fantasien von Gerhard Lampersberg konnten das begeisterte Publikum einhellig entzücken. Fazit des „32. Festivals Zeit für Neue Musik“: Es bleibt weiterhin eine dankbare Aufgabe, sich den Herausforderungen der „neuen Musik“ zu stellen.