Online-Unterricht, Online-Konzerte, Online-Festivals, Online-Konferenzen… Uns Musikerinnen und Musikern, die wir im Allgemeinen nicht zu den Nutzer-Freaks neuester digitaler Kommunikation gehören, wurde im Lockdown von heute auf jetzt einiges an Neuorientierung abverlangt, wollten wir künstlerisch präsent bleiben oder unsere Schülerinnen und Schüler weiterhin betreuen (gerade als diese Zeit zum Üben hatten).
Ich muss gestehen, was den Online-Unterricht betrifft, war ich äußerst skeptisch und beobachtete diese moderne Variante von „Lehrer kommt ins Haus“, die in den USA bereits etabliert ist und auch hierzulande im Kommen ist, mit Argwohn. Aber zu meinem Erstaunen klappte das wider Erwarten gut: Schülerinnen und Schüler machten mit, fanden auch die angepasste Methodik, die ohne gleichzeitiges Spielen und Singen auskommen muss, mit eigenen Aufnahmen, kurzen Tutorials usw. spannend. Viele Kolleginnen und Kollegen machten ähnliche Erfahrungen vom Anfangsunterricht bis zum Master. Jetzt dürfen unsere Schülerinnen und Schüler wieder persönlich kommen, und wir merken doch sehr, was gefehlt hat: die direkte Inspiration durch Gesten, Mimik, Haltung, Atem, gemeinsames Spiel und Singen…
Online-Unterricht wird den Präsenzunterricht nicht ersetzen, aber sinnvoll ergänzen. Was jetzt provisorisch, mit vielen technischen Mängeln funktioniert hat, erfordert schnellstmöglich Perfektion: flächendeckend ein schnelles Internet, das nötige Equipment für alle Beteiligten, eine gemeinsame Plattform für die klangliche Übertragung ohne Delay in Studioqualität, eine geeignete Methodik mit entsprechenden digital gestützten Schulwerken.
Auch die Video-Streams und Geister-Konzerte aus Wohnungen oder leeren Konzertsälen leiden unter den technischen Mängeln, vor allem aber unter dem bekannten „YouTube-Phänomen“: kurz mal reinschauen und weiterklicken. Ein bewegendes Musikerlebnis, ein sich-Einlassen auf ein abgestimmtes Programm findet hier kaum statt. Dennoch haben sich jetzt verstärkt kreative Formate entwickelt, die gerade Nischenprojekten ermöglichen, eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen.
Im Gewohnten zu verharren, wäre ein Rückschritt, der uns auch beruflich ins Abseits stellen würde. Die neuen digitalen Möglichkeiten künstlerisch wie auch pädagogisch mit dem Altbewährten kreativ zu verschmelzen, ist eine Chance für unsere Zukunft, der ich mit Spannung entgegensehe.
Edmund Wächter
Präsidiumsmitglied DTKV