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Kolumne

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Gedanken zum Tonkünstlerverband in Zeiten des Coronavirus
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In diesen Tagen ist es drei Jahre her, dass ich zum 1. Vorsitzenden des Bayerischen Tonkünstlerverbands gewählt wurde – konkret am 1. April 2017 im Rahmen der damals in Nürnberg stattfindenden Jahresdelegiertenversammlung der regionalen Tonkünstlerverbände Bayerns.

Grund genug, um eine Rückschau auf diese Zeit zu halten, zu überlegen, ob ich nochmals für den Vorsitz des TKV Bayern kandidieren sollte, und darüber nachzudenken, welche der Ziele, die ich mir für meine Zeit als Vorsitzender gesetzt hatte, erreicht wurden und welche nicht. Also eine gewisse rückschauende Bilanz der vergangenen drei Jahre Verbandsarbeit.

Aber nun ist auf einmal alles anders. Im Rahmen der aktuellen Situation nicht nur unseres Landes, die fast völlig durch das Coronavirus bestimmt wird, erscheinen Fragen wie die nach Erfolg oder Misserfolg diverser Initiativen der letzten Jahre eher unwichtig, zumindest nebensächlich. Ob ein Kurs mehr oder weniger stattgefunden hat oder ob Konzerte und sonstige Veranstaltungen erfolgreich waren – alles scheint auf einmal bedeutungslos zu sein in einer Zeit, in der wir ohnehin alle für die nächste Zeit geplanten Kurse, Konzerte oder auch nur Sitzungen absagen mussten.

Die Sorge um die Gesundheit der Bevölkerung überlagert alles andere, dicht gefolgt von der Sorge um die wirtschaftliche Situation zahlreicher Menschen, die in vielen Fällen existenzbedrohende Ausmaße annimmt. Neben diversen anderen Berufszweigen sind von diesen existentiellen Nöten viele Musiker*innen besonders betroffen.

Zum Zeitpunkt, an dem ich diese Zeilen schreibe, erscheinen täglich, fast stündlich, aktualisierte Informationen über die Ausbreitung des Virus, finden Diskussionen zu der Frage statt, wie weiter zu verfahren ist, kommen Meldungen über wunderbare Aktionen von Hilfsbereitschaft und Mitmenschlichkeit, aber natürlich leider auch die Gegenseite, betrügerischer Missbrauch der Notsituation.

Das Team der Geschäftsstelle des Bayerischen Tonkünstlerverbands arbeitet im Homeoffice; Frau Fink, Herr Zeller, Herr Riedmaier und Frau Tietze sind trotz Sorgen um das eigene Wohlergehen unermüdlich damit beschäftigt, die Informationen zur Lage zu aktualisieren und besorgten Mitgliedern Hilfestellung zu geben.

In der April-Ausgabe der nmz finden sich Artikel von Moritz Eggert, Eckhart Hessenbruch und Edmund Wächter zum Thema „Corona“ beziehungsweise dem Umgang damit unter dem Aspekt des Musikerdaseins, alle in der gegenwärtigen Phase sicherlich vernünftig, auf ihre Weise sinnvoll und auch hilfreich.

Letzten Endes wiederholen sich aber mittlerweile die Kommentare zu der Pandemie in der Öffentlichkeit immer mehr, und die Überflutung mit Äußerungen dazu, was zu tun wäre oder bereits hätte getan werden müssen, trägt bestimmt nicht dazu bei, die Gesellschaft zu beruhigen. Im Fernsehen geben sich echte und vermeintliche Experten aus Wissenschaft und Politik die Klinke in die Hand, teilweise mit widersprüchlichen Äußerungen, was die allgemeine Unsicherheit noch erhöhen dürfte.

Fairerweise muss ich aber auch sagen, dass der Großteil der politischen Äußerungen und Entscheidungen auf mich verantwortungsbewusst und seriös wirkt – gerade auch im Vergleich mit einigen anderen Ländern. Die ungeliebte große Koalition wirkt wie neu belebt und entscheidungsfreudig; Themen, von denen lange bekannt ist, dass sie dringend angegangen werden müssten, werden auf einmal wirklich in Angriff genommen. In diesem Sinne zeigt die Krise nicht nur im allgemeinmenschlichen Bereich, sondern speziell in der Politik auch positive Effekte, und es wäre wunderbar, wenn dies auch nach dem Ende der Pandemie so bleiben könnte!

Die aktuellen, je nach Bundesland mehr oder weniger strengen Ausgehbeschränkungen sind für viele Menschen mit Sicherheit schwer zu ertragen, vor allem, wenn man in der Stadt auf engem Raum zusammenleben muss. Ein kleines Stück Garten oder auch nur ein etwas größerer Balkon ist da schon ein gewichtiger Vorteil – ganz zu schweigen von großen Villen mit eigenem Park. In diesem Sinne empfinde ich den oft genannten Satz, dass die Pandemie Reich und Arm ohne Ansehen der Person gleichermaßen treffe, zynisch und ziemlich makaber, auch wenn er unter medizinischem Aspekt richtig ist.

Wie gesagt schreibe ich diese Kolumne für die Mai-Ausgabe der nmz aus Gründen des Redaktionsschlusses bereits Anfang April. Wenn Sie meine Zeilen lesen, ist also etwa ein Monat vergangen, seit ich sie verfasst habe. In diesem Zeitraum kann in Sachen der Epidemie unendlich viel geschehen. Im schlimmsten Fall wütet die Krankheit noch wesentlich stärker als heute, im günstigsten Fall geht die Kurve der Ausbreitung wieder nach unten und es gibt vielleicht sogar erste medikamentöse Hilfsmittel. Niemand kann das derzeit voraussagen. Umso wichtiger erscheint es mir deshalb, sich vor allzu vielen Vorhersagen über die weitere Entwicklung zu schützen. Informieren Sie sich über die seriösen offiziellen Medien, aber glauben Sie um Gottes Willen nicht jeder angeblich wissenschaftlich fundierten Äußerung im Internet, wie sie leider in solchen Zeiten wie Pilze aus dem Boden sprießen!
Abschließend möchte ich doch zumindest einen ganz kleinen Teil-Rückblick auf meine bisherige Amtszeit als erster Vorsitzender anfügen, auch als positives Signal, denn gerade in schwierigen Phasen ist es besonders wichtig, sich an positive Erlebnisse zu erinnern und im Kopf zu behalten, dass solche auch wieder kommen werden: In der erwähnten April-Ausgabe der nmz findet sich unter dem Titel „Musikalische Begegnungen des neuen TK-Orchesters“ ein schöner Artikel von Theresa Henkel über das Probenwochenende, das Anfang Februar mit Mitgliedern verschiedener regionaler Tonkünstlerverbände aus Bayern und Baden-Württemberg in der Bundesakademie für musikalische Jugendbildung Trossingen stattfand.
Den Gedanken, einmal ein Kammerorchester aus Mitgliedern verschiedener Regionalverbände für ein Projekt zusammenzustellen, hatte ich seit Beginn meiner Zeit als Vorsitzender. Der organisatorische Aufwand, bis es zur Realisierung kam, war ziemlich groß, zumal die Mitwirkenden aus ganz Bayern und Baden-Württemberg kamen und teilweise ziemlich weite Anreisen hatten.
Umso mehr freue ich mich, dass wir das Orchesterwochenende schließlich doch realisieren konnten – zur Freude aller Mitwirkenden.

Einen Rückblick auf weitere Initiativen und Unternehmungen des Bayerischen Tonkünstlerverbands während der letzten drei Jahre hebe ich mir für einen späteren Zeitpunkt auf, wenn unser Leben wieder mehr in gewohnten Bahnen ablaufen kann.Bewahren Sie sich Ihre Freude am Leben und an der Musik, und vor allem: bleiben Sie gesund!

Ihr Ulrich Nicolai, 1. Vorsitzender

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