[...] Klassische Musik, anspruchsvolle Kulturveranstaltungen haben im Medienzeitalter einen schweren Stand. [...]
Als Nachlese zum Festivalsommer 2012 kann festgehalten werden, dass sich für eine Karte in Bayreuth nicht mehr zehn, sondern nur noch sechs Interessenten bewerben. Sicherlich wäre es falsch, die Richard-Wagner-Festspiele zum alleinigen Gradmesser für Kulturinteresse oder -desinteresse zu machen. Aber diese Nachricht passt in eine allgemein zu beobachtende Entwicklung: Klassische Musik, anspruchsvolle Kulturveranstaltungen haben im Medienzeitalter einen schweren Stand. Public Viewing der Fußballeuropameisterschaft, Opern-Air-Konzerte mit den wenigen Medienstars des Klassikbetriebs, Tourneen von schrill auftretenden Virtuosen wie dem Organisten Cameron Carpenter bestimmen das öffentliche Interesse. Das Medienzeitalter befasst sich nicht mit Inhalten, sondern mit Äußerlichkeiten, etwa mit den punkmäßigen Haaren oder dem im Sportstudio gestählten Körper. Da wundert es nicht, dass sogar Richard Wagner und selbstverständlich Kammermusik, Liederabende und ganz gewiss zeitgenössische Musik – also alle Kulturangebote, die in die Tiefe gehen und vom Zuhörer Offenheit sowie eine intensive Beschäftigung erfordern – in der Medienwelt, und damit in der großen Öffentlichkeit fast keine Rolle mehr spielen. Und Veranstaltungen, die öffentlich nicht zählen, über die man mit kaum jemanden reden kann, müssen auch nicht besucht werden, meinen viele. Kultur droht aus dem öffentlichen, von den Medien, insbesondere vom Internet und Fernsehen bestimmten Raum zu verschwinden. Bald werden wohl wie einst zu Beginn des 19. Jahrhunderts anspruchsvolle Konzerte nur noch privat stattfinden, und dass Solisten und Ensembles von ihrer Kunst leben können, wird immer mehr zur Ausnahme. Was kann man dagegen tun? Das wichtigste ist wohl die Erziehungsarbeit, welche die Musikpädagogen leisten, da sie das Publikum von morgen heranbilden; wichtig ist auch, nicht aufzugeben, sondern weiterzumachen, Publikumsnischen zu entdecken, neue Vermittlungsformen von Musik zu entwickeln. Denn jenseits des Medienrummels gibt es noch immer Menschen, denen es um Inhalte, um Substanz, um die Überwindung der sich breit machenden Oberflächlichkeit geht.