„Selfies“. Habe ich kürzlich auf Facebook entdeckt. 85.000 (!) Jugendliche haben das mit dem Daumen-hoch- Symbol versehen.
Wir Musikerinnen und Musiker sind ja im Prinzip auch Selfies. Selbstmacher.
Selbst mit uns beim Üben, mit uns fast alleine auf der Bühne beim Liederabend, als Violin- oder Klaviersolist. Und Selfies beim Ausfüllen der Steuererklärung, bei Fahrten oder Flügen zu Konzertorten, zur Jugendmusikschule oder in die Hochschule. Wie tröstlich dennoch, nicht zur Facebook-Selfie-Gruppe gehören zu müssen, zu Jugendlichen, die nur eitle und dümmliche Selbstportraits mit dem Smartphone produzieren und ins Netz stellen. Daumen nach unten.
Welche Leere und Einsamkeit aber besetzt junge Menschen, dass sie Aufmerksamkeit nur durch selbst produzierte Fotos von sich selbst zu erhaschen glauben? Wohin sind Selbstbewusstsein und Selbstwahrnehmung verschwunden? Wo sind die positiven psychischen Aggregatzustände geblieben, die Chorsängerinnen und -sänger, gemeinsam Musizierende oder Konzert- und Opernbesucher jedoch kaum entbehren? Genauso wenig wie Menschen, die Erfolge für sich selbst verbuchen können, wenn endlich die schwierige Stelle des Klarinettenkonzerts klappt oder das auswendig gesungene Lied ohne Textfehler über die Lippen kommt.
Es sind die kleinen Erfolge, die Menschen glücklich machen, egal, ob da nun niemand oder 2 oder 2.000 Leute zuhören. Dies den uns Anvertrauten zu vermitteln, ist mehr und mehr unsere Aufgabe. Vortragsabende, Wettbewerbe und öffentliche Auftritte können hilfreich sein. Und eine Bundespreisträgerin von „Jugend musiziert“ bekommt so viel Anerkennung und Applaus, dass sie sich nicht auf der Selfie- Plattform in geliehener sexy Unterwäsche präsentieren muss. Darum kämpfen wir für musikalische und pädagogische Angebote und die notwendigen Zeitfenster dafür. Sonst haben wir bald fünf Millionen Selfies bei Facebook.