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Kolumne

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G 8 oder G 9?
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Der Volksentscheid der Freien Wähler und die Konzeption des Bayerischen Philologenverbands haben das unerschütterliche Festhalten am achtjährigen Gymnasium in Bayern ins Wanken gebracht.

Der Volksentscheid der Freien Wähler und die Konzeption des Bayerischen Philologenverbands haben das unerschütterliche Festhalten am achtjährigen Gymnasium in Bayern ins Wanken gebracht. In Baden-Württemberg wurde vor einem Jahr bereits die Wahlfreiheit zwischen acht- und neunjährigem Gymnasium eingeführt, und – wen überrascht es? – über 90 Prozent der Eltern wählen dort das neunjährige Gymnasium. Doch andererseits gibt es in Bayern Widerstand gegen die Rückkehr zum G 9. Man will nicht schon wieder einen Systemwechsel, da viele Menschen des ständigen Reformierens müde sind und sich vor neuen Experimenten auf dem Rücken ihrer Kinder fürchten. So weit ich weiß, funktioniert in den ehemaligen DDR-Bundesländern das achtjährige Gymnasium ohne nennenswerte Probleme. Warum also diese Unzufriedenheit mit dem G 8 im Westen? Sicher ist: diese Reform war alles andere als gut gemacht. Lehrer, Kinder und Eltern wurden überfordert. Musikpädagogen machten besonders schlechte Erfahrungen: Die Zahl der 11- bis 15-Jährigen, die den Musikunterricht abbrechen, hat seit der Einführung des G 8 dramatisch zugenommen. Also, gerade wenn sie auf ihrem Instrument anspruchsvollere Werke spielen könnten, hören viele auf. Instrumente, die viel Zeit zum Üben benötigen, insbesondere die Streichinstrumente, sterben aus, weshalb es schon an vielen Schulen keine voll besetzten Schulorchester mehr gibt. Allerdings sagen die Befürworter des G 8, dass daran nicht die Gymnasialreform sondern zum Beispiel der Computer schuld sei. Jedenfalls ist das G 9 keineswegs das Heilmittel dagegen, insbesondere wenn die vom Philologenverband vorgelegte Konzeption realisiert würde. Denn auch diese Konzeption gesteht der Musik und anderen musischen Fächern keinen höheren Stellenwert zu. Früher, in den musikalischen Glanzzeiten Deutschlands bei Bach und Händel, nahmen Singen und das Spielen eines Instruments einen großen Teil des Stundenplans ein. Heute glauben wir, darauf verzichten zu können, da Mathematik, Biologie oder Chemie wichtiger erscheinen. Musisch begabte Menschen sind Träumer wie etwa Franz Schubert und passen nicht in unsere moderne Welt, meint die Wirtschaft. Doch wer das behauptet, vergisst, dass Künstler Impulse gegeben haben, die noch Jahrhunderte später die Menschen faszinieren. Viele Entdeckungen in der Naturwissenschaft wurden übrigens von Menschen gemacht, die gar nicht so konform mit dem Bildungssystem ihrer Zeit waren. Albert Einstein war jedenfalls kein Musterschüler, aber ein sehr guter Dilettant auf der Violine. Das sollte den heutigen Schulreformern zu denken geben: Etwas Luft für Muse, für Musik, Literatur, Kunst, Tanz, Theater sollte schon sein, und wer sich seinem Musikinstrument widmet, darf nicht bestraft werden. Vielmehr sollten sich gute Leistungen in Musik oder in anderen musischen Fächern lohnen. Sie sollten zum Beispiel eine schlechte Note in Mathematik ausgleichen können. Bildung ist mehr als Wissensanhäufung!

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