Ohne Muße aber oder gar „langer Weile“, beides Inseln zur Selbstreflexion und mögliche Quellen von Phantasie und Kreativität, geht nichts.
Seltsamerweise – oder eher logischerweise? – treffen gelegentlich gleichzeitig verwandte Themen auf meine Ohren. So höre ich in bedauerndem Ton vorgetragen, dass unsere Kinder und Jugendlichen streng strukturierte Stundenpläne haben. Unterricht bis 12:30 Uhr, 45 Minuten Mittagessen, Unterricht von 13:15 Uhr bis 14:45 Uhr, sportliche Betätigung oder Hausaufgabenbetreuung bis 16:00 Uhr, jede Minute ist durchgeplant. Dazu kommen Fahrten mit Bus, Bahn oder Auto. Die freien Minuten werden genutzt zur Kommunikation in sozialen Netzwerken oder zum Surfen im Internet. Ich erfahre sogar, dass Kinder und Jugendliche in kleinen und großen Pausen in der Schule nicht miteinander reden oder spielen, sondern lieber auf ihren Smartphones herum wischen.
Dies war auch eines der zahlreichen Themen bei der D-A-CH-Tagung der Musikverbände im November 2014 in Winterthur. Diese Probleme sind in Österreich, der Schweiz und Deutschland durchaus ähnlich oder gar gleich. Wenig verwunderlich, wenn dann Kinder und Jugendliche nicht mehr besonders gesteigerte Lust haben, sich an die Gitarre oder das Klavier zu setzen oder überhaupt noch ein Instrument zu erlernen. Wann denn? Nochmal verplante 20 Minuten oder gar eine Stunde. Natürlich gibt es Ausnahmen. „Müßiggang ist aller Laster Anfang“? Weit gefehlt. Dieser Satz stammt aus dem 13. Jahrhundert und diente zum Anheizen ausgebeuteter und abhängiger Arbeiter. Ohne Muße aber oder gar „langer Weile“, beides Inseln zur Selbstreflexion und mögliche Quellen von Phantasie und Kreativität, geht nichts. Es ist die zweite Seite der Medaille. Mal eine Stunde nichts tun. Kein Handy, kein Computer, kein Radio, kein Fernseher. Man könnte Blumen gucken oder den Mond betrachten. Oder spazieren gehen. Lange Fahrten mit der Kutsche dürften durchaus sowohl für Herrn Goethe oder Herrn Mozart kaum destruktiv gewirkt haben – im Gegenteil. Man sollte sich bei den Gedankenspielen und Forderungen des Deutschen Kulturrats zum Erhalt unseres Kulturerbes eigentlich dazu entschließen, auch um den Erhalt von Muße zu kämpfen. Muße und Musen gehören zusammen. Mögen Sie im Neuen Jahr immer wieder auch kontemplative Mußestunden genießen!