Das Motiv des Nachtmahrs ließ den Schweizer Kunstmaler Johann Heinrich Füssli nicht los. Er zeigt ihn als ein etwa kindsgroßes, pelztierartiges Wesen, das drohend über einer spärlich gekleideten, schlafenden Frau sitzt.
Nachtmahre bewirken bei denen, die sie heimsuchen, Angstzustände. Auch heute gehen solche Nachtmahre wieder um. Im Wahlprogramm der AfD in Sachsen-Anhalt wird gefordert, dass Orchester, Museen und Theater einen positiven Bezug zur eigenen Heimat fördern müssen, dass sie klassische deutsche Stücke spielen und sie so inszenieren müssen, dass sie zur Identifikation mit unserem Land anregen. Um auf Füsslis Bilder zurückzukommen: Ich weiß nicht, inwiefern hier der Maler einen positiven Bezug zur eigenen Heimat zeigt oder zur Identifikation mit der Schweiz anregt. Auch weiß ich nicht, ob zum Beispiel Mozarts „Le Nozze di Figaro“ ein klassisches deutsches Stück ist; denn Mozarts Opern sind wesentlich mehr als von deutscher, von italienischer, aber auch französischer Kultur geprägt. Wenn ich dann als Liebhaber von Musik der Renaissance an die Laute denke, wird es noch viel schwieriger, da dieses Instrument ja bekanntermaßen vom arabischen Oud abstammt. Bei uns ist die AfD erfreulicherweise noch wie Füsslis Nachtmahr ein nur kindsgroßes Unwesen. Aber in Ungarn und Polen ist das schon anders. Im letzteren Land versuchte der neue Kulturminister, Piotr Glinski, ein Theaterstück von Elfriede Jelinek wegen einer angeblich pornographischen Liebesszene zu verhindern. Künstler haben dort Angst, dass Fördergelder gestrichen werden, wenn die Kunst nicht den neuen nationalen und patriotischen Maßstäben entspricht. Auch die AfD will weniger Kultursubventionen für Theater und Museen und meint, dass das „gewisse Minimum an staatlicher Kultursubvention an selbst erwirtschaftete Einnahmen zu koppeln“ ist. Diese Partei hat kein schlüssiges Kulturprogramm, sammelt aber all die Stimmungen in der Bevölkerung, die gegen Regietheater, kritische Durchleuchtung unserer Welt durch Musik, Theater, Kunst und Literatur und vor allem gegen interkulturellen Austausch sind.
Was keiner in den letzten sieben Jahrzehnten seit 1945 mehr gedacht hat: Die künstlerische Freiheit, die es in dieser Zeitspanne gab, ist nicht selbstverständlich, sondern neuerdings bedroht. Musiker waren schon immer die Künstler, die am meisten international tätig waren. Wir Tonkünstler müssen deshalb mit aller Vernunft und Leidenschaft darauf achten, dass dieser Nachtmahr wieder verschwindet.