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Kolumne

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... wegen der Nachbarn
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, was haben Musiker, kinderreiche Familien, Hartz IV-Empfänger, Dunkelhäutige oder schwule Paare gemeinsam? Pro- bleme bei der Wohnungssuche.

Ich habe es selbst erlebt. Ein Jahr lang suchte ich in Stuttgart eine Wohnung. „Angestellter im öffentlichen Dienst.“ Gut. „Opernsänger“. Oha. „Klavier“. Ach. „Zwei Kinder“. Hm. Man wolle von einer Vermietung an uns Abstand nehmen. Nein, nicht aus persönlichen Gründen. Es sei wegen der Nachbarn. Die könnten sich gestört fühlen oder irritiert werden. Man bitte um Verständnis. Da braucht man dann das Glück, einen gut betuchten Schwiegervater zu haben, der ein Haus kauft. Da zogen wir dann ein und vermieteten zwei kleinere Wohnungen in diesem Haus an eine Soloflötistin und an ein indisches Ehepaar.

In meinem Bekannten- und Freundeskreis gibt es natürlich viele Musikerinnen und Musiker, vielen von ihnen ging es wie uns. Ich kenne alleinerziehende Mütter, schwule Paare, Hartz IV-Empfängerinnen und Menschen mit sehr dunkler Hautfarbe: Sie alle hatten und haben es allemal sehr viel schwerer, eine Wohnung zu finden als ein hellhäutiges biodeutsches Ehepaar, beide möglichst beamtet und Nicht-Musiker. Solches festzustellen ist ja keine Beleidigung der Benachteiligten. Es ist die Zustandsbeschreibung eines Wohnungsmarktes, der wie andere Branchen abhängig ist von Angebot und Nachfrage, von zunächst oberflächlichen Einschätzungen des Gegenübers, von Vorurteilen und Ängsten, von Erfahrungen und Prognosen und vom „Bauchgefühl“. Sollte ein dunkelhäutiger Fußballstar mit deutschem Pass weltberühmt sein, so wäre es allemal unproblematisch, aufgeschlossene und auf ihn stolze Nachbarn zu finden. Anders als bei einer bis dahin unbekannten afroamerikanischen Sopranistin, was ich vor vielen Jahren in Heidelberg miterleben durfte.

Ich halte uns Musiker für durchaus privilegiert, dank all unserer Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Welt – mit allen Nuancen von Hautfarbe, Sprache oder Geschlechtsidentität – vielleicht nicht ganz so anfällig für Vorurteile zu sein. So sind wir wichtige Werbeträger für Toleranz und Achtsamkeit. Das sollten wir möglichst oft nutzen. 

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