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Kolumne

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Hauptsache bunt
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Werte Kolleginnen und Kollegen, manchmal bin ich doch recht froh, kein Musikkritiker geworden zu sein. Vermutlich hätte ich längst meinen Job verloren. Es fällt mir zunehmend schwer, mich nicht aufzuregen über grenzwertige Interpretationen und schmerzliche Begleiterscheinungen bei der Präsentation von Musik.

Da werden in Süddeutschland zwei ehemals über Jahrzehnte herausragende Premiumorchester zu einem verschmolzen. Vier Probentage (!) waren dafür notwendig. Das konnte man leider hören. Und ob es dann genügt, die Wände des Konzertsaals rosa und hellblau zu beleuchten, um die fehlende Farbigkeit der Streicherklänge zu kompensieren, sei dahingestellt. Auch bei anderen Konzertveranstaltungen – unter anderem in Kirchen – wird das Publikum mehr und mehr vom musikalischen und künstlerischen Wert der Musik durch Farbenspiele an Wänden und Decken irritiert. Freilich: Das lenkt ab von interpretatorischen Schwächen oder fehlenden musikalischen Konzeptionen. Hauptsache bunt. Schubert, Mahler oder Mozart bei Faschingsbeleuchtung. Wir scheinen das wohl zu brauchen?

Ablenkungsmanöver werden auch durch übertriebene Verzierungen – zum Beispiel beim Singen – unternommen: Da fehlt der Sopranistin die präzise Intonation, einzelne Töne werden aufgeblasen, Phrasen verschmiert, von Legato keine Spur, dafür verläuft sie sich in Trillern und verwunderlichen Ausschmückungen. Hilft halt auch nix. Qualität braucht Zeit zur Entwicklung. Gute Lehrer/-innen sind gefragt und eine unendliche Ausdauer beim Üben. Und Strukturen in Familien, Kitas, Grundschulen und Gymnasien, die neben dem Bespaßungsfaktor auch den Wert von Kultur vermitteln. Politiker/- innen, die solches unterstützen, kann man mit der Lupe suchen. Wir bleiben dran. Leider ist gelegentlich das Licht am Ende des Tunnels doch nur der Gegenzug.

Möge Ihr Herbst ein bunter sein. Da passen die Farben dann.

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