Ehrenämter sind ja sehr nützlich: Frei-willige engagieren sich für Flüchtlinge, für Kinder und Senioren, für Kirche, Kunst und Kultur, für Natur und Tiere oder auch für die Umwelt. Neuerdings dürfen Interessierte aber sogar auch Leiter von Musikschulen werden. Ehrenamtlich!
Dort wird ab Januar 2018 ein Leiter der Musikschule gesucht mit 600 Schülern und 33 Lehrern. Einstellungsbedingungen sind eine „innovative Führungspersönlichkeit mit einem erfolgreich abgeschlossenen musikpädagogischen Studium“ oder alternativ einer künstlerischen Abschlussprüfung mit zusätzlicher Leitungsqualifikation. Aufwandsentschädigung 960.- Euro pro Monat. Wie großzügig! Zum Glück gab es gleich die entsprechenden empörten Reaktionen bei Facebook und vom Verband der Musikschulen und der Organisation „Art but fair“.
Wie auch immer diese Geschichte ausgeht, vielleicht kommen die Ver-antwortlichen irgendwann zu der Erkenntnis, dass auch Ingenieure, Bäcker, Taxifahrer, Bürgermeister, Ärzte oder Piloten ehrenamtlich tätig sein sollten. Da ist viel Geld zu sparen. Ob die Verfasser solch einer Ausschreibung wo-möglich auch Ehrenamtliche sind? So langsam verwundert mich nichts mehr.Zurzeit (Anfang September) überstürzen sich Werbung und Fernsehdiskussionen zur Bundestagswahl. Vergeblich warte ich auf Äußerungen aller Parteien zu Fragen von Bildung, Kunst und Kultur. Angesagt jedoch sind Eier, Diesel, Türkei, Migration, Polizei, Digitalisierung, Rente und Mietpreise. Auch alles wichtig. Und wahlentscheidend. Nur wenige scheinen aber zu wissen, dass laut UNESCO-Bericht 2015 in der Kultur- und Kreativwirtschaft weltweit fast 30 Millionen Men-schen beschäftigt sind – mehr als in der Autoindustrie. Karin von Welck, Vorstandsmitglied der Deutschen UNESCO-Kommission: „Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist zentral für die wirtschaftliche Entwicklung in Industrie- und Entwicklungsländern … und trägt zu zukunftsträchtigen kreativen Gesellschaften, zu mehr Lebensqualität und zu einer menschenzentrierten, inklusiven und nachhaltigen Entwicklung bei“.
Möge der nun neu gewählte Bundes-tag zu der Erkenntnis gelangen, dass Kunst und Kultur genauso wichtig sind wie Diesel und Mietpreise. Und dass Kulturschaffende dafür auch Geld bekommen, so wie die Abgeordneten selbst. Von Ehrenämtern kann man halt schlecht leben.