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Proträt eines Mannes: Weiße Halbglatze, Brille, Lächeln mit Zähnen, schicker schwarzer Pullover.

Prof. Hans-Peter Stenzl, 1. Vizepräsident des DTKV. Foto: Privat

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Kolumne des DTKV

Untertitel
2024/10
Vorspann / Teaser

Liebe Tonkünstlerinnen und Tonkünstler,

anfang September wurde ich von der Stuttgarter Zeitung, einer liberalen Tageszeitung mit überregionalem Anspruch und einer verkauften Auflage von etwa 150.000 Exemplaren, zu einem Interview gebeten, online und print. Es ging um die üblichen brisanten Themen unseres Berufsstandes: auskömmliche Bezahlung, Altersarmut, Umsatzsteuer, aber auch um Stundenkürzungen und Lehrermangel an Schulen. Und um die Frage: „Lohnt es sich heutzutage noch, Berufsmusiker zu werden?“

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Das Gespräch erschien halbseitig und farbig bebildert im Kulturteil, entsprechend stark waren Zustimmung, Bekräftigung und Dankbarkeit – vor allem von Musikerkolleginnen und -kollegen ;-).

Es gab aber auch eine ziemlich seriöse Gegenrede, die in der Geschäftsstelle des baden-württembergischen Tonkünstlerverbandes einging. Der unterzeichnende Verfasser bestreitet den Ausfall von Musikunterricht („ganz im Gegenteil zu z.B. Geschichte und Geographie“), hält die Forderung nach steuerfreier Bildungsleistung für einen „unsolidarischen Akt“, findet, dass Instrumentalunterricht „nicht in die Schule von heute“ gehöre, sondern „allein Privatsache“ sei und sieht im Erlernen eines Instrumentes überhaupt eine zeitliche Überforderung von Grundschülern.

Ich habe viel nachgedacht über diese so andere Perspektive. Sie hat mir vor allem vor Augen geführt, warum unser Kampf um gesellschaftliche Anerkennung und Honorierung unseres Berufes auch und gerade in politischen Kreisen oft so mühsam und frustrierend ist.
Doch bei aller Toleranz – eine solche Haltung verkennt eines: Die musikalische Erziehung war seit der Antike durchgängig selbstverständlicher Bestandteil des gesellschaftlichen Bildungskanons, zählte als unabdingbarer Bildungskern einer Kultur schon zu den Sieben Freien Künsten (septem artes liberales) des Altertums (neben Arithmetik, Geometrie, Dialektik, Rhetorik, Grammatik und Astronomie). Im mittelalterlichen Lehrwesen galt sie als Vorbereitung auf die Fakultäten Theologie, Jurisprudenz und Medizin!

Der Deutsche Tonkünstlerverband ist mit seinen hohen Qualifikationsansprüchen an seine Mitglieder genau die richtige Solidargemeinschaft, um unermüdlich und mit großer Überzeugungskraft auf diese musikalische Bildungstradition hinzuweisen. Und hat bereits viel erreicht! Allmählich, fünf vor zwölf, wachen unsere Politiker auf, nehmen die Forderungen, aber vor allem auch die gesellschaftliche Bedeutung aller Musikberufe für unsere Kultur ernst. 

Außerdem: Die Beschäftigung mit Musik ist eine der schönsten, die man sich vorstellen kann. Und wer Musik studiert, trägt dazu bei, dass unsere Gesellschaft eine bessere wird. Die Kräfte, die von der Musik ausgehen, sind nicht weniger geworden!
Ja, es lohnt sich!

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