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Komponistenkonzerte mit Neuer Musik in Lüneburg

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Live-Konzerte nach der unfreiwilligen Corona-bedingten Langzeit-Pause
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Lüneburg. Es ist eine jahrelange Tradition, bereits im Mai innerhalb der „Internationalen Studienwoche für zeitgenössische Musik“ den niedersächsischen Komponierenden die Möglichkeit zu geben, sich und ihre Werke der Öffentlichkeit vorzustellen. Dafür hatte bereits vor 46 Jahren Prof. Helmut W. Erdmann verschiedene Veranstaltungsreihen für Neue Musik ins Leben gerufen. Das hier in Lüneburg ansässige European Live Electronic Centre entwickelte sich zu einer wichtigen Adresse für Komponisten aus aller Welt.

Das Konzert-Programm für den Mai 2020 war bereits fertig, da überrannte die Corona-Pandemie die ganze Welt. Die Studienwoche musste aufgrund der notwendigen Maßnahmen abgesagt werden. Nun war guter Rat teuer. Nach den sommerlichen Lockerungen und einer positiveren Entwicklung der Situation fiel dann auch die entgültige Entscheidung, das „46. Festival für Neue Musik“ im Oktober stattfinden zu lassen, doch immer noch recht schwer. Schlussendlich war es in der Zwischenzeit fast zu spät geworden, noch ein Programm zu gestalten. Denn fast alle DTKV-Mitglieder, Komponierende wie Interpretierende, die für den Mai zugesagt hatten, konnten nicht mitwirken. Da war zum einen die Herbst-Ferienzeit angebrochen, außerdem waren laut Hygienekonzept Bläser und Sänger noch nicht wieder zugelassen.

Der Pianistin und Pädagogin Julia Habiger-Prause aus Osnabrück ist es mit dankenswertem Aufwand trotzdem noch gelungen, bis drei Wochen vor dem Veranstaltungstermin ein wunderbares und vor allem wirksames Programm seitens des Deutschen Tonkünstlerverbandes (DTKV), Landesverband Niedersachsen, zusammenzustellen. So konnten an zwei Abenden im bestens geeigneten und für Neue Musik erprobten Glockensaal in Lüneburg coronagerecht und mit Abstand die 60-minütigen Konzerte durchgeführt werden.

Am Donnerstagabend wurde „ein längst fälliges Wagnis in die Tat umgesetzt“, schrieb die Landeszeitung aus dem Medienhaus Lüneburg als Nachrichtenportal für die Lüneburger Heide. „Es gab spannenden zeitgenössischen Jazz...“. Die Komponistin, Jazzpianistin und Klavierlehrerin Wiebke Schröder aus Osnabrück spielte mit ihrem Trio ihre eigenen Werke. Das „Wiebke Schröder Trio“ mit Wiebke Schröder (Klavier, Komposition), Silas Jakob (Schlagzeug, Percussion) und (dieses Mal) mit Arnold Ogrodnik (Kontrabass) hatte damit endlich wieder ein Life-Konzert nach der unfreiwilligen Corona-bedingten Langzeitpause. Allerdings auch kurz vor dem neuerlich notwendigen Lockdown. Das mehr als erwartet zahlreiche, überwiegend relativ junge Publikum war begeistert. „Das aufmerksame Publikum honorierte die interessanten Interpretationen mit Zwischenapplaus“, ein Zitat aus der Landeszeitung.

Übrigens hat sich das Trio in seiner künstlerischen Arbeit auch zur Aufgabe gemacht, viel freien Raum für improvisatorische Ausflüge zu schaffen. Dazu gibt es auf der Trio-Homepage (wiebkeschroedertrio.de) interessante Videos und den Verweis auf erste CD-Veröffentlichungen.
Auch für den Freitagabend war ein interessantes Programm zusammengestellt worden. Auch hier brachten die Interpretierenden ihr großes Glück zum Ausdruck, endlich wieder einmal vor Publikum spielen zu können. So entstand auch der Titel des Konzertes „Endlich – Schön“.

Der Oldenburger Pianist Werner Barho brachte zuerst von der rumänisch-deutschen Pianistin, Pädagogin und Komponistin Violeta Dinescu aus Oldenburg das „Torre di Si“ zu Gehör. Danach folgte als längeres Werk „The Canticles of Hieronymus“ von der in Hamburg 1924 geborenen, deutsch-amerikanischen Komponistin und Pianistin Ruth Schönthal. Sie musste 1938 mit ihren jüdischen Eltern aus Deutschland emigrieren und verstarb 2006 in der Nähe von New York.

Ein weiterer Programmpunkt waren zwei Kompositionen des gebürtig ungarischen, bereits seit langem in Osnabrück lebenden Pianisten und Komponisten Peter Florian, welche er selbst interpretierte. Wie er mir sagte, wurden beide Stücke aus pädagogischer Motivation heraus für Schüler*innen bzw. Studierende geschrieben. „Vesper Transilvaniensis“ von 1999 ist ein Klavierstück aus 6 Volksliedern von drei Nationen Siebenbürgens: rumänisch, ungarisch und deutsch. „Die Form ist ausgeliehen von Bilder einer Ausstellung von Mussorgski, wo ein Auszählreim statt der Promenade vor jedem Lied steht,“ sagt er. Eine Kindheitserinnerung aus seiner ursprünglichen Heimat Siebenbürgen, wo sie als Kinder abends draußen spielten und nach einem Abzählreim das ausgewählte Kind ein Volkslied singen sollte.

Im Jahr 2016 entstanden seine „Schneelandschaften“ als ein meditatives Klavierstück für zwei Spieler, welches er gemeinsam mit Julia Habiger-Prause vorstellte. Das Klavier wird vielfältig als Klangkörper benutzt, Naturklänge werden dazu gemischt. So hört man mal einen Uhu rufen, knisternde Schritte im Schnee, Wolfsgeheul aus der Ferne, aufleuch­tende Sterne am Himmel werden durch Kinderglockenspiel klanglich erfasst. Ein ruhiges, fast zeremonielles Stück.

Von Peter Witte, einem Osnabrücker Gittaristen, Jazzmusiker und Komponisten, erklang abschließend das Werk „Tres Danzas“ für Klaviertrio von 2018 mit den Sätzen: Vals Venezolano, Milonga para Tres, Leveza do Choro. Es wurde interpretiert vom TriOSarte mit den Künstlerinnen Julia Habiger-Prause (Klavier), Dorothea Sack (Violine)und Sandra Denby (Violoncello), das ebenfalls in Osnabrück beheimatet ist. Das TriOSarte (klaviertrio-triosarte-osnabrueck.de) bietet übrigens spannende und vielseitige Programme mit Kammermusik vom Feinsten von Klassik bis Tango an und bringt die Begeisterung für verschiedene musikalische Stilrichtungen, aber auch für Kunst und Literatur mit ein. Genau diese künstlerische Spanne war auch in diesem Konzert zu spüren!

Beide Konzerte waren aufgrund der Coronabeschränkungen mit jeweils etwa 45 Zuhörenden zu etwa 75 Prozent ausgelastet. Grundsätzlich waren sich alle Organisatoren sicher, dass die Menschen wegen der notwendigen Einschränkungen gerne ins Konzert gekommen sind. So äußerte sich Prof. Helmut W. Erdmann auch dazu, dass zum Teil anderes Publikum zu verzeichnen war als zu bisherigen Konzerten für Neue Musik. Herr Erdmann war sehr froh, dass das Festival doch stattfinden konnte. Denn es war auf ganzer Linie ein Erfolg. „Das Feedback war stets positiv“, sagte er.

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